Mercedes-Benz 300 SL Roadster

Als aus dem Flügeltürer ein Roadster wurde, erschloss sich Mercedes-Benz völlig neue Käuferschichten. Dies passierte 1957, nachdem vom klassichen 300 SL 1.400 Exemplare entstanden waren. Dieses Coupé erhielt seine charakteristischen Flügeltüren aufgrund des seitlich relativ hoch aufbauenden Rohrrahmens. Ursprünglich hatte der schwäbische Hersteller diesen Sportwagen unter dem internen Modellcode W194 nur als Rennfahrzeug entwickelt. Durch diverse Erfolge im Motorsport und die Nachfrage des amerikanischen Importeurs Max Hoffman nach einem Sportwagen für die Straße entwickelte man diesen jedoch zum W198 weiter. Die ungewöhnliche Türkonstruktion und die breiten, hohen Innenschweller sowie die schlecht zu lüftende Kabine waren manchen interessierten Kunden jedoch zuviel.

Roadster mit Stoffverdeck und normalen Türen

Unter dem Modellcode W198 II entwickelte Mercedes-Benz daher eine Roadster-Variante des 300 SL. Für diese veränderte man den Gitterrohrrahmen im Bereich der Türen und des Hecks deutlich. Auf diese Weise vergrößerte man sowohl den Kofferraum als auch den Einstiegsbereich. Die Türen öffneten nun konventionell. Das Auto wuchs durch die Veränderungen um 50 Millimeter in der Länge. Hinter den Passagieren befand sich ein Verdeckkasten mit festem Deckel, unter dem sich das Stoffverdeck verbarg. Ab Herbst 1958 gab es werksseitig ein festes Hardtop als Sonderausstattung, das schnell zur meistverkauften Option wurde. Im Unterschied zum 300 SL Coupé erhielt der Roadster Scheinwerfer in senkrechter Ausrichtung, in deren Gehäuse auch die Blinker untergebracht waren. Zudem verbaute man hinten eine Eingelenk-Pendelachse mit Ausgleichsfeder, um die Fahreigenschaften deutlich zu verbessern. Für die finalen drei Produktionsjahre führte Mercedes-Benz ab März 1961 Scheibenbremsen anstelle der bis dahin verbauten Trommelbremsen ein.

Dieser 300 SL Roadster ging nach Kuba

Für das drei Liter große Reihensechszylinder-Triebwerk gab es auf Wunsch eine Werksleistungssteigerung durch eine schärfere Nockenwelle. So wurden aus den 158 kW/215 PS, die man bereits aus dem Coupé kannte, 177 kW/240 PS. Ebenso konnten Kunden auf Wunsch Rudge-Felgen mit Zentralverschluss bestellen, wofür sich beim Roadster jedoch weniger als 30 entschieden haben. Während der überwiegende Anteil der Produktion von 1.580 Exemplaren in die USA und auf den europäischen Markt ging, gab es auch Fahrzeuge mit exotischeren Zielen. So verließ beispielsweise der 300 SL Roadster mit Fahrgestellnummer 7500390 am 4. November 1957 das Werk in Stuttgart mit Ziel Havanna, Kuba. Laut Produktionsunterlagen gehörten zur bestellten Ausstattung eine Lackierung im Farbton „Weißgrau 158“, eine Lederpolsterung in „Rot 1079“, ein Becker Le Mans Radio sowie Rudge-Felgen mit Super-Rekord-Reifen von Continental. Über die frühen Jahre in Kuba ist nicht viel bekannt.

Seit den 1990ern zurück in Europa

Erst in den 1970er Jahren tauchte der 300 SL Roadster wieder auf. Lockerungen im Eisernen Vorhang ermöglichten erste Reisen ins kommunistische Kuba. Dies nutzte auch der Oldtimerhändler Colin Crabbe. Er war bereits für sein besonderes Talent bekannt geworden, automobile Raritäten aufzuspüren, indem er einen Mercedes-Benz W125 Grand-Prix-Rennwagen ausfindig machte. Auf Kuba fand er unter anderem zwei verloren geglaubte Jaguar D-Type und auf einer weiteren Reise gleich zwei 300 SL Roadster. Beide waren im schlechten Zustand, gehörten jedoch zu den seltenen Autos mit Rudge-Felgen. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, ehe Colin Crabbe die Fahrzeuge nach England exportieren konnte. Dort kauften zwei Schweden die Roadster. #7500390 erhielt eine umfangreiche Restaurierung mit Neulackierung in Silbergrau und dunkelroter Lederausstattung. Nun kommt das Auto bei Artcurial in Monaco unter den Hammer, wobei zwischen 1,1 und 1,4 Millionen Euro erwartet werden.

Bilder: Artcurial, Peter Singhof, Colin Crabbe