Matt Hummel und sein 356 Speedster
Matt Hummel mag in Europa nur wenigen Menschen bekannt sein. Tipp: Mit dem Fußballspieler von Borussia Dortmund teilt er sich nur einige Bestandteile von Vor- und Nachnamen. Wenn überhaupt kennen Fans und Besitzer klassischer Porsche-Modelle den Kalifornier, da dieser einen Handel mit OEM-Ersatzteilen (Original Equipment Manufacturer) betreibt und weltweit versendet. Daneben fährt und restauriert er Oldtimer, die oftmals eines gemeinsam haben: Vierzylinder-Boxermotoren im Heck, eine Herkunft aus Zuffenhausen und reichlich Patina an Karosserie und Interieur. Diverse Porsche 356 gingen als Coupé und Cabriolet bereits durch seine Hände, doch seine Lieblingsversion blieb ihm lange verwehrt – auch wegen der inzwischen deutlich gestiegenen Preise. Sein Herz schlug schon seit langem für jene Modellvariante, die Anfang der 1950er Jahre durch den bei Porsche vorgetragenen Wunsch des US-Importeurs Max Hoffman nach einem günstigen Einstiegsmodell entstanden war. Die Rede ist natürlich vom 356 Speedster, der inzwischen zu einem der teuersten Ableger der Baureihe aufgestiegen ist.
Hummel suchte indes nicht einfach nach einem x-beliebigen Fahrzeug, sondern gezielt nach einem 356 Pre-A, wie unter Markenfans die Wagen vor Modelljahr 1956 genannt werden. Und wenn irgend möglich sollte es zudem ein Speedster von 1954 sein. Von 1.254 gebauten 356 Pre-A Speedster entfielen lediglich rund 200 auf das erste Baujahr, in dem es als besonderes Merkmal einen zweigeteilten Motorblock mit 1,5 Litern Hubraum gab. Um den Speedster gegenüber 356 Coupé und Cabriolet in der Produktion und damit im Verkaufspreis zu vergünstigen, verzichtete Porsche auf den Einbau von Seitenscheiben oder bequemen Komfortsitzen. Stattdessen gab es eine niedrigere Windschutzscheibe, Steckscheiben seitlich und ein eng geschnittenes Notverdeck.
Es schien eine beinahe unlösbare Aufgabe zu sein, ein solches Auto in originalem Zustand zu finden. Im Herbst 2019 gab es jedoch endlich eine aussichtsreiche Spur. Ein befreundeter Mechaniker aus Oregon hörte von einem älteren Herren, der seinen Speedster zum Verkauf anbieten wollte. Hummel reiste direkt hin und verliebte sich auf den ersten Blick in dieses Fahrzeug. Es gehörte dem besagten Herren bereits seit 1964 und durfte bei ihm in Würde altern. Zudem stellte sich nach kurzer Recherche heraus, dass es der einzige Pre-A Speedster in Kundenhand ist, der das Werk nachweislich in Silber metallic verließ. Allerdings hatte irgendjemand mal die Innenfarbe von rot auf schwarz verändert. Matt Hummel machte ein unverbindliches Angebot, wurde jedoch auf das kommende Frühjahr vertröstet, da der Fahrzeugbesitzer mit seiner Frau über den Winter in seinen Zweitwohnsitz in Florida reiste.
„Und so verbrachte ich den Winter damit, das Geld aufzubringen. Ich verkaufte zwei meiner Porsche sowie ein paar seltene Ersatzteile und Motorräder, die ich nicht mehr brauchte. Ich spürte eine echte Verbindung zu diesem Fahrzeug. Wenn ein alter Porsche noch immer diesen Charme und so viel Persönlichkeit versprüht, muss ich ihn einfach haben. So etwas findet man heute so selten, weil sehr viele dieser Wagen restauriert wurden und ihr Charakter dadurch verloren ging,“ erzählt Hummel über die folgende Zeit. Da der 356 zu einem festen Familienmitglied geworden war, tat sich der Vorbesitzer mit der Entscheidung äußerst schwer, wofür Matt Hummel durchaus Verständnis zeigte: „Und dann passierte etwas. Er parkte den Speedster hinter seinem Truck und vergaß, die Feststellbremse zu ziehen. Als er ausstieg, rollte der Wagen von hinten in den Truck, die Motorhaube wurde eingedrückt und das Glas eines Scheinwerfers zerbrach. Da rief er mich an und sagte: ‚Kommen Sie vorbei, um mit mir über den Speedster zu sprechen.‘ Er wollte nicht, dass seine Frau von den Dellen erfährt.“ Kaum 48 Stunden später war er erneut in Oregon und das Geschäft vollzogen. Zum Auto dazu gab es ein seit 1964 sorgsam geführtes Logbuch, in dem alle Arbeiten und längere Ausfahrten vermerkt sind. In seiner neuen Heimat erhält der Wagen nun ebensoviel Liebe, was sich bereits durch die Rückrüstung einiger im Laufe der Zeite verbauten, nicht originalen Teile durch unrestaurierte Werksteile zeigt. Zudem konnte die Delle, der er den Wagen verdankt, ausgebeult werden. Demnächst erfolgen einige Arbeiten an Roststellen am Fahrwerk und – sofern sich eine entsprechende originale Innenausstattung finden lässt – die Rückrüstung auf die einstige Innenfarbe.
Bilder: Porsche Newsroom