Ford GT40 Mk II
Die 1960er Jahre waren rückblickend betrachtet stellenweise wild. Es gab die kulturelle und sexuelle Revolution, die in gewisser Weise auch Einfluss auf unser Kernthema, die Automobile, nahm. Aber auch so gab es in der Autowelt manchen Umbruch und diverse Kleinkriege. Einer davon kann gern als ‚David gegen Goliath‘ angesehen werden, auch wenn letztlich der kleine David nur einen Punktsieg abstaubte und anschließend von Goliath auf der Rennstrecke geradezu gebügelt wurde. Die Rede ist vom großen Ford-Konzern, der 1963 vergeblich versuchte, die kleine italienische Sportwagenmarke Ferrari aufzukaufen. Viele Leser kennen diese Story vermutlich; zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Ford-Konzern durch Ferrari auch im sportlichen Segment Fuß fassen wollte und Ferrari zu jener Zeit eine Finanzspritze durchaus hätte gebrauchen können. Doch letztlich entschied sich der Firmenpatron Enzo Ferrari gegen die Übernahme aus Detroit.
Dieses klare italienische ’no‘ löste jedoch auf der anderen Seite des Atlantiks einen gewissen Zorn in der Chefetage von Ford aus – speziell Henry Ford II war alles andere als erfreut. Er gab seinen Ingenieuren eine schlichte, aber gar nicht so einfach zu verwirklichende Ansage: Wir besiegen Ferrari auf der Rennstrecke! Dies führte zur Entwicklung eines heute legendären Rennfahrzeugs, das bereits zweimal als moderner Straßensportwagen neu interpretiert wurde: Dem Ford GT40. Hierfür suchte und fand Ford weltweit Partnerbetriebe mit viel Erfahrung. So tat man sich beispielsweise mit Lola und erwarb dort die Rechte am von Eric Broadley entwickelten GT, einem Mittelmotorsportwagen. Dessen technische Basis formte, natürlich weiterentwickelt, die Plattform für den neuen GT40, der bei Ford Advanced Vehicles in Slough/Großbritannien nach und nach Form annahm. 1964 trat er in seiner Urform bei ersten Rennen an, war jedoch bei weitem noch nicht ausgereift und fiel beispielsweise in Le Mans sang- und klanglos in der Frühphase des Rennens aus.
Erst als man 1965 Carroll Shelby zum zuständigen Manager über das Rennprogramm machte, kam langsam Schwung in die Geschichte. Zwar konnte er in seinem ersten Jahr im Team noch keine Riesenerfolge vermelden, aber immerhin die Stärken des Konzeptes durch neue Rundenrekorde auf diversen Rennstrecken unterstreichen. Allerdings war der sieben Liter große V8 im Heck des GT40 derartig kraftvoll, dass Getriebeschäden zur regelmäßigen Angelegenheit wurden. So auch in Le Mans, wo Ferrari mit dem 250 LM erneut gewinnen konnte. Die Laune von Henry Ford II erreichte inzwischen das Bodenlose. Vor der Neuauflage des 24-Stunden-Rennens im Jahr 1966 überreichte er dem Präsident der Ford Division, Don Frey, eine seiner blauen Visitenkarten mit der handschriftlichen Bemerkung: „You better win. Henry“ – deutlicher konnte er wohl kaum werden.
Frey hatte Anfang 1966 quasi einen Freibrief bekommen, Le Mans zu gewinnen, koste es was es wolle. Daher hatte er das Shelby American Team rund um Carroll Shelby auf die Stufe eines werksunterstützten Teams zurückgesetzt und sich stattdessen an Holman-Moody, ein anderes Privatteam aus Charlotte/North Carolina gewendet, das sonst für Nascar-Einsätze bekannt war. Ihnen gab er drei GT40, die nach neuesten Mk-II-Spezifikationen von Kar Kraft in den USA aufgebaut waren. Dazu gehörte ein steiferes Chassis mit festeren Motoraufhängungspunkten und ein besseres Fahrwerk mit zweifach verstellbaren Koni-Dämpfern sowie dickere Antriebswellen und innenbelüftete Scheibenbremsen von Kelsey-Hayes. Die Karosserie wurde etwas breiter und erhielt zusätzliche Belüftungsöffnungen für das Triebwerk sowie einen einstellbaren Heckspoiler. Unter der Haube steckte der 427 cubic inch (sieben Liter Hubraum) V8 mit rund 450 PS, den Holman-Moody bereits gut aus der Nascar kannte. Insgesamt entstanden nur acht Exemplare des GT40 Mk II.
Einer dieser acht Wagen war Chassisnummer P/1016, der ursprünglich in weiß mit mattschwarzer Fronthaube im Januar 1966 erstmals in Sebring durch den Briten Ken Miles und den Kalifornier Ronnie Bucknum getestet wurde. Anschließend wurde er dem Holman-Moody Team übergeben und in ihrer Werkstatt intensiv für die 24 Stunden von Daytona vorbereitet, beispielsweise durch den Einbau eines anderen Fahrwerks inklusive einstellbarer Stabilisatoren und eines speziellen Drehstabs, der in den Steilkurven die Seitenneigung verringerte – eine Erkenntnis aus der Nascar. Zudem fuhr man in Daytona mit einem experimentellen Zweigang-Automatikgetriebe, die letztlich auch zum Ausfall nach 13 Stunden führte. Für die 12 Stunden von Sebring rund einen Monat später erhielt der Wagen eine Neulackierung in ‚Kandy Gold‘ und erreichte mit dem Automatikgetriebe (das hier zum letzten Mal verwendet wurde) und der Fahrerpaarung Bucknum/A.J. Foyt den zwölften Rang.
Neben dem Wechsel des Getriebes erhielt der Wagen für Le Mans 1966 eine veränderte Frontpartie und eine Fahrertür mit der berühmten Ausbuchtung für den Fahrerhelm, um es den Piloten etwas bequemer zu machen. Neben den drei Holman-Moody GT40 traten weitere drei von Shelby American und nochmal zwei von Alan Mann Racing beim Langstreckenklassiker gegen die Übermacht von Ferrari an. Um P/1016 von der Boxenmauer aus besser identifizieren zu können wurden einige Flächen im Farbton ‚Day-Glo Pink‘ aufgebracht. Nach dem Qualifikationstraining lag man auf Rang neun, nach einer Rennstunde bereits auf Platz drei, aber anschließend durch Bremsprobleme wieder deutlich weiter hinten im Feld, bis man nach zehn Stunden und einer langen Reparaturpause auf der zehnten Stelle angekommen war. Da man nun jedoch das Problem eliminiert hatte, ging es für den GT40 nur noch nach vorne und in der siebzehnten Rennstunde, ziemlich zeitgleich mit dem Ausfall des letzten verbliebenen Ferrari P3, übernahm man wieder den dritten Gesamtrang. Davor lagen bis zur Ziellinie zwei Fahrzeuge von Shelby American. Anschließend ging der Wagen für sechs Monate auf Promotiontour bei den amerikanischen Ford-Händlern und wurde dann für die 1967er Saison zum Testträger für die von Holman-Moody entwickelten Verbesserungen zum GT40 Mk IIB. Nach einigen Renneinsätzen brachte man den Wagen nach den Vortests in Le Mans 1967 zurück zum Hauptquartier von Holman-Moody und frischte ihn optisch auf.
1970 spendete das Team den Wagen an die William Harrah Automobile Collection in Reno, wurde jedoch fälschlicherweise mit einer Chassisplakette von P/1015 versehen – dem zweitplatzierten Auto aus Le Mans 1966 von Shelby. Da die Teams damals wild ihre Fahrzeuge untereinander austauschten, kann eine solche Verwechselung durchaus mal vorkommen. Dreizehn Jahre später ging der Wagen in private Hände. Zuerst besaß ihn Leslie Barth aus New Haven, Connecticut, der ihn in die Farben des Shelby-Fahrzeugs umlackieren ließ, da er davon ausging wirklich P/1015 zu besitzen. Später ging der Wagen in den Besitz von Nick Soprano und dann in den des Sammlers Peter Livanos über, der den GT40 für den Einsatz im historischen Motorsport herrichten ließ. Erstmals trat er beim GT40 Reunion in Watkins Glen 1989 in Erscheinung, wo er von Jacky Ickx gefahren wurde. Nach drei weiteren Besitzern in Kalifornien gelangte der Wagen 1992 in die Sammlung von Ken Quintenz in Columbus/Ohio. Erst er war in der Lage die wirkliche Identität des Fahrzeugs herauszufinden und ihn anschließend in die korrekten Farben und den passenden Zustand von Le Mans 1966 zu restaurieren. Allerdings blieben einige Veränderungen der Mk IIB Spezifikationen wie der Überrollkäfig, das Aluminium-Armaturenbrett und die Feuerlöschanlage an Bord. Nach einigen Auftritten bei Oldtimer-Veranstaltungen inklusive dem Gewinn der Publikumswertung beim Concours d’Elegance in Pebble Beach 2003 kaufte ein Jahr später der heutige Besitzer den Wagen. Nun kommt er bei RM Sotheby’s im Rahmen der Monterey Car Week im August unter den Hammer.
Bilder: RM Sotheby’s