Adrenalin auf den Asphalt geträufelt – Maserati GT2 Stradale
Ein warmer Morgen in Modena. Die Sonne lässt die Karbonflanken des neuen Maserati GT2 Stradale in einem metallischen Funkeln aufleuchten, während wir im Hof der Maserati-Zentrale stehen. Vor uns: ein Straßensportwagen mit voller Rennwagen-DNA, geboren aus der GT2-Serie, gezähmt gerade so weit, dass man ihn zulassen darf – und bereit für eine ausgiebige Testroute durch die Emilia-Romagna.
Unsere Route führt uns zunächst südwärts aus Modena hinaus, vorbei an Maranello und weiter über die SP3 in Richtung Appenninenvorland. Schon auf den ersten Kilometern zeigt sich: Das ist kein „getunter MC20“, das ist ein echter Ableger der Rennstrecke. Der 3,0-Liter-V6-Biturbo-Motor mit der Bezeichnung „Nettuno“, der satte 640 PS liefert, hängt giftig am Gas. Die siebenstufige sequentielle Schaltung knallt die Gänge mit Nachdruck rein, unterstützt von einer Akustik, die durch nichts gefiltert scheint – was sie auch nicht ist. Hier ist kein Soundmodul, sondern pure Mechanik am Werk.

Hinter Sassuolo beginnt der Aufstieg Richtung Passo delle Radici. Die Straße wird enger, die Kurven enger und die Landschaft dramatischer. Hier spielt das Fahrwerk, direkt vom GT2-Renner abgeleitet, seine Stärken aus. Jeder Lenkimpuls wird mit chirurgischer Präzision umgesetzt. Das Monocoque aus Carbon, die extrem direkte Lenkung und der hohe mechanische Grip sorgen für ein Fahrerlebnis, das so unmittelbar ist, dass man glaubt, die Straße mit den Fingerspitzen zu fühlen.
Wir überqueren den Pass auf etwa 1.500 Metern Höhe und lassen das Auto Richtung Castelnuovo di Garfagnana hinabrollen. Die Garfagnana ist eine wunderschöne, teils noch unberührte Region in den toskanischen Apenninen, geprägt von dichten Wäldern, tiefen Schluchten und kleinen mittelalterlichen Dörfern. Hier testet man nicht die Höchstgeschwindigkeit, sondern die Standfestigkeit der Bremsen – und auch hier enttäuscht der GT2 Stradale nicht. Die engen Serpentinen und steilen Gefällstrecken fordern das Bremssystem bis an seine Grenzen. Die Keramikbremsen beißen hart und konstant, selbst nach mehreren Kilometern bergab, und vermitteln dabei jederzeit das Gefühl absoluter Kontrolle und Sicherheit. Gleichzeitig genießt man die atemberaubende Kulisse, die diese abgelegene Bergwelt bietet – ein perfekter Kontrast zum puren Adrenalin im Cockpit.
„Es gibt Autos, bei denen du fährst – und solche, bei denen du Teil der Maschine wirst. Der GT2 Stradale ist Letzteres.“
Nach einem kurzen Espresso-Stopp in Barga führt uns die Route nordöstlich über Borgo a Mozzano zurück Richtung Emilia. Hier, auf den fließenden Landstraßen der Garfagnana und durch das Serchio-Tal, entfaltet der GT2 Stradale sein anderes Gesicht. Bei 110 km/h im siebten Gang rollt er überraschend kultiviert dahin. Das Interieur – dominiert von Alcantara, Sichtcarbon und einem auf das Nötigste reduzierten digitalen Cockpit – bleibt aufgeräumt und funktional. Kein unnötiger Luxus, aber auch keine Askese. Wer sich einen GT2 Stradale gönnt, bekommt Fokus, nicht Verzicht.
Hinter Lucca wechseln wir auf die Schnellstraße Richtung Bologna und treten den Rückweg an. Auf dem letzten Abschnitt, zurück über die A1 bis Modena Nord, lassen wir dem Maserati freien Lauf. Die hohe Endgeschwindigkeit von über 320 km/h ist theoretisch erreichbar – aber die Beschleunigung dorthin beeindruckt noch mehr sagt man uns. Das Gefühl, wie sich das Auto bei über 200 km/h noch fest auf dem Asphalt saugt, ist ein direktes Resultat des aerodynamischen Feintunings: der große, einstellbare Heckflügel, die Luftleitelemente an der Front, der massive Diffusor – sie alle arbeiten spürbar und effektiv (sagt man uns).



Zurück in Modena, mit 248 gefahrenen Kilometern auf dem Zähler, steigen wir aus – noch voller Adrenalin. Der Maserati GT2 Stradale ist keine Spielerei, kein weichgespülter Image-Sportler. Er ist ein Statement. Ein straßenzugelassener Rennwagen, der die Leidenschaft der Marke Maserati mit beispielloser Radikalität auf den Asphalt bringt. Und auf den Straßen rund um Modena, zwischen Weinbergen, Passstraßen und Autobahnetappen, hat er bewiesen, dass diese Vision nicht nur funktioniert – sondern nachhaltig begeistert.
Maserati GT2 Stradale
Motor: 3,0-Liter V6 Biturbo „Nettuno“
Leistung: 640 PS (470 kW) @ 7.500 U/min
Gewicht: ca. 1.450 kg (Trockengewicht)
Beschleunigung: 0–100 km/h in 2,8 Sekunden
V-Max: 324 km/h