Bizzarrini 5300 GT Strada restauriert

Das automobile Geschichtsbuch wäre vermutlich nur halb so dick und interessant, wenn es italienische Sportwagen nicht geben würde. Neben den bekannten Firmen wie Maserati, Alfa Romeo und Ferrari gibt es die kleinen Marken wie Pagani und Siata, kurzzeitige italienische Episoden wie jene Zeit, in der Bugatti in der Nähe von Modena Autos fertigte und natürlich die wilden Storys über Kleinserienhersteller, die nur für eine begrenzte Zeit auftauchten und mehr oder weniger galmourös wieder untergingen. Eine dieser Marken ist Bizzarrini, gegründet 1962 durch Giotto Bizzarrini. Dessen berufliche Laufbahn begann 1954 bei Alfa Romeo, von wo aus er 1957 zu Ferrari wechselte und dort unter anderem an der Entwicklung des 250 GTO beteiligt war. 1961 gerieten er, Carlo Chiti und drei weitere leitende Ingenieure mit Firmenchef Enzo Ferrari in einen erbitterten Streit nachdem dieser den Vertriebsleiter Girolami Gardini entlassen hatte und verließen daraufhin das Unternehmen. Gemeinsam begründeten sie im Februar 1962 die Firma ‚Automobili Turismo e Sport‘, kurz A.T.S. (je nach Quelle auch ATS). Als Ziel setzten sie sich die Entwicklung eines eigenen Straßensportwagens mit mindestens ebenbürtiger Fahrdynamik im Vergleich zu den Ferrari-Modellen der gleichen Zeit.

Unstimmigkeiten unter den Ingenieuren führten dazu, dass Bizzarini und Gardini A.T.S. wieder verließen. Giotto Bizzarrini entwickelte für Graf Volpi den Ferrari 250 GT SWB mit Breadvan-Karosserie in seiner eigenen Firma ‚Autostar‘, die er 1964 in ‚Società Prototipi Bizzarrini‘ und 1965 schließlich in ‚Automobili Bizzarrini SpA‘ umbenannte. Schon bei seinem Ausscheiden bei A.T.S. stand er zudem mit Renzo Rivolta in engem Kontakt, der sein bisher auf Kühlschränke und Kühlanlagen spezialisiertes Unternehmen in den Automobilbau bringen wollte. Nachdem er die Lizenz an der Iso Isetta erfolgreich an BMW verkauft hatte, sollten nun Sportwagen folgen. Bei Bizzarrini entstand das Stahlblech-Chassis für den Iso Rivolta 300 und kurz darauf auch der Stahlrohrrahmen für den Iso Grifo A3/L. Auf dieser Basis entwickelte Bizzarrini zudem die Rennsportvariante A3/C, wobei das C für ‚Corsa‘ (Rennstrecke) und das L für ‚Lusso‘ (Luxus) stand. Renzo Rivolta hatte jedoch nur wenig Interesse am Motorsport und kam darüber hinaus mit Bizzarrini über die Nutzungsrechte seines Namens in Streit, sodass auch hier wieder eine Trennung erfolgte und Bizzarrini den A3/C mit nur geringen Modifikationen unter seinem eigenen Namen als Bizzarrini 5300 GT auf den Markt brachte.

Bis heute ist absolut unklar, wieviele Exemplare des 5300 GT bis 1968 insgesamt entstanden sind. Je nach Quelle finden sich Zahlen zwischen knapp über 70 und rund 150 Autos. Klar ist, dass es neben der straßentauglichen Variante ‚Stradale‘ (Straße) auch eine Rennversion namens Corsa gab, von der lediglich rund 10 Exemplare gebaut wurden. Während man mit dem Iso Grifo A3/C anfänglich gute Ergebnisse bei Rennsportveranstaltungen einfahren konnte, blieb der Bizzarini 5300 GT Corsa deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Sowohl als Stradale als auch als Corsa erzielt dieser Sportwagen inzwischen hohe Preise auf Autoauktionen. Aufgrund der geringen Produktionszahl tauchen äußerst selten schlecht erhaltene Fahrzeuge auf. Ein solches Wrack fand jedoch den Weg in die Werkstatt der Restaurierungsprofis von Thornley Kelham, eingeliefert durch Guy Berryman von der Musikband Coldplay. Ihm war es besonders wichtig, ein originales Auto zu haben, das so authentisch wie möglich restauriert werden sollte. In den folgenden zwei Jahren gab es letztlich nur eine Abweichung vom einstigen Auslieferungszustand, da Berryman den Bizzarrini relativ regelmäßig nutzen möchte. Aus diesem Grund verbaute das Team von Thornley Kelham eine leistungsfähigere Bremsanlage von Dunlop.

Ansonsten beließ man bei dieser Komplettrestaurierung alles so, wie es einst im Werk entstanden ist. Selbst die schon für damalige Verhältnisse schlampig ausgeführten Schweißnähte am Chassis blieben optisch erhalten, wurden allerdings zur Erhöhung der Stabilität nachgeschweißt. Alles begann mit einem Eingangs-Fotoshooting, bevor der ganze Wagen in seine Einzelteile zerlegt und katalogisiert werden konnte. Die einzelnen Komponenten gingen dann thematisch sortiert in Bearbeitung. Allein für Arbeiten an der Aluminiumkarosserie bis hin zum finalen Lackaufbau vergingen dabei rund 800 Arbeitsstunden, wobei einige Arbeitsschritte an die Firma GP Panelcraft ausgelagert wurden. Um das Interieur, die Karosserie und die mechanischen Teile so authentisch wie möglich zu restaurieren hatte Thornley Kelham bereits im Vorfeld soviele Bilder, Bücher und Dokumente wie möglich zusammengetragen und sich zudem mit Jack Koobs de Hartog, einem anerkannten Experten für Bizzarrini-Fahrzeuge, in Verbindung gesetzt. Er reiste eigens zur Enthüllung des fertiggestellten 5300 GT beim Concours d’Elegance am Hampton Court Palace letztes Jahr an und bescheinigte dem Team eine sehr gute Arbeit. Nun gewann Thornley Kelham den Preis für die ‚Restaurierung des Jahres‘, vergeben durch die Historic Motoring Awards.

Bilder: Thornley Kelham