Alfa Romeo 6C 3000 CM Super Flow IV

Normalerweise entstehen Konzeptstudien für eine oder einige wenige Automobilausstellungen und verschwinden anschließend in dunklen Lagerhallen oder werden sogar verschrottet. Zudem sind diese Autos in den seltensten Fällen wirklich fahrbar, da sie nur einen Hauptzweck erfüllen sollen: gut aussehen. Dass also ein voll fahrbereites Exemplar in die Hände eines Privatmanns gerät ist eine absolute Seltenheit. Wenn es sich dann zudem um ein Fahrzeug handelt, das sowohl in der Geschichte des Designhauses, in dem es erstellt wurde, als auch in der Markengeschichte des Basisautos oft Erwähnung findet und in der einschlägigen Literatur häufig gezeigt wird, hat man quasi den automobilen Lotto-Jackpot erworben. Ungefähr das passierte Aaron Mosko mit seinem Autohandel Italian Motors in Denver, Colorado, 1960. Die Geschichte dieses Autos begann jedoch bereits 1953 in Mailand bei Alfa Romeo.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die italienische Automarke die Produktion des 6C mit dem 2500 Competizione wieder auf, um an die Rennerfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Auf dieser Basis entstand das Unikat 6C 3000, das intern durch Giuseppe Busso zu einem neuen Rennsportwagen der Superlative weiterentwickelt wurde. Als Ergebnis debütierte bei der Mille Miglia 1953 der neue Alfa Romeo 6C 3000 CM, wobei das Kürzel CM für ‚Competizione Maggiorata‘ stand und damit auf den Zweck des Wagens als Rennfahrzeug sowie den vergrößerten Hubraum hinwies. Doch nicht nur der Reihensechszylindermotor erhielt diverse Modifikationen, auch das Fahrgestell wurde überarbeitet. Es erhielt ein neues Hinterteil und Aufnahmen für den Rohrrahmen, der die Karosserie trug. Vorn kamen doppelte Querlenker zum Einsatz, hinten eine De-Dion-Achse. Die großen Trommelbremsen aus Aluminium wurden hinten mittig an der Achse verbaut, um die ungefederten Massen zu reduzieren. Obwohl die Bezeichnung des Wagens auf drei Liter Hubraum hindeutet, fanden sich unter der Haube sogar 3,5 Liter Brennraumvolumen, aus denen die Alfa-Techniker 275 PS schöpften und diese über ein manuelles Fünfgang-Getriebe und ein Sperrdifferenzial auf die Hinterräder losließen. Bei Carrozzeria Colli in der Nachbarschaft von Alfa Romeo entstanden sowohl Berlinetta- als auch Spider-Karosserien für verschiedene Renneinsätze. Trotz mancher Rennerfolge zog sich Alfa Romeo Ende 1953 aus dem Motorsport werksseitig zurück und beendete damit das Rennprogramm für den 6C 3000 CM abrupt. Das Auto mit Chassisnummer 0125 ging an den Rennfahrer Jo Bonnier und erhielt eine neue Zagato-Karosserie, Chassis 0126 verkaufte man mit neuer Boano-Karosserie an den argentinischen Präsidenten Juan Peron. Während Chassis 0127 bis heute zur Werkssammlung von Alfa Romeo zählt, gab man 0128 an die Carrozzeria Pinin Farina weiter.

Bekannt ist, dass Chassis 0128 ursprünglich eine Berlinetta-Karosserie von Colli trug. Experten gehen daher davon aus, dass dieses Auto Teil des Werksaufgebotes beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans 1953 war, vermutlich jedoch nur als Trainingsfahrzeug. Pinin Farina nutzte das Fahrgestell als Basis für die neuesten Ideen, die den kreativen Mitarbeitern im Designbüro zum Thema Automobilgestaltung kamen. Man nannte das Ergebnis folgerichtig ‚Superflow‘ und zeigte es auf dem Turiner Autosalon 1956. In dieser originalen Ausführung zeigte der Wagen deutliche Heckflossen und transparente vordere Kotflügel aus Plexiglas. Zudem waren in die Glashaube über den Passagieren Öffnungen im Stil der Flügeltüren des Mercedes-Benz 300 SL integriert – allerdings ebenfalls komplett transparent. Bereits im gleichen Jahr, auf dem Pariser Autosalon im Oktober, präsentierte Pinin Farina den weiterentwickelten ‚Superflow II‘, der nun konventionelle vordere Kotflügel mit abgedeckten Scheinwerfern und anstelle des herzförmigen Kühlergrills einen flachen Kühlerschlund trug. Am Heck hatte man ebenfalls die Kotflügel modifiziert und transparente Finnen integriert. Für den Genfer Autosalon 1959 erfolgte eine weitere Neugestaltung zum ‚Superflow III‘, der nun als Spider ausgeführt war. Freiliegende Scheinwerfer vorn und ein finnenfreies Heck mit herumgezogenen Rückleuchten gaben bereits einen Ausblick auf den Alfa Romeo Duetto Spider, der 1966 auf den Markt kam. Nur ein Jahr nach der Präsentation des ‚Superflow III‘ stellte Pinin Farina an gleicher Stelle den nochmals komplett umgebauten ‚Superflow IV‘ aus.

Und damit sind wir endlich beim Auto, wie es sich bis heute präsentiert. Erneut entschied man sich für Scheinwerfer unter Glas und eine Glaskanzel über dem Cockpit, gestaltete nun jedoch die restliche Form glatter und runder. Über den Köpfen der Passagiere können zwei Dachelemente nach hinten verschoben werden, um den Superflow IV in einen Targa zu verwandeln. Nachdem der Wagen in Europa und den USA auf diversen Veranstaltungen gezeigt worden war, endete er schließlich bei Continental Alfa Romeo in Boulder, Colorado, wo Aaron Mosko ihn erwerben konnte. Etwa vier Jahre später verkaufte er das Unikat an Howard Wignall in Littleton, Colorado, der ihn 1975 für $ 35.000 an den bekannten Autosammler Jackson Brooks weitergab.

1979 wechselte der Alfa in die Garage von Ernest Kanzler in Los Angeles, bevor er in den späten 1980ern den Weg zurück über den großen Teich fand und die ‚Rosso Bianco Collection‘ von Peter Kaus in Aschaffenburg bereicherte. Kaus lagerte die Superflow-Karosserie ein und ließ einen Nachbau der Berlinetta-Karosserie von Colli anfertigen, um die Rennsporthistorie des Alfa aufzuzeigen. Nachdem Peter Kaus in Aschaffenburg keine Unterstützung für den Erhalt seines Museums fand und auch sonst keine neue Unterbringungsmöglichkeit auftun konnte, verkaufte er seine Sammlung schweren Herzens im Jahr 2006. Während der überwiegende Teil an die Louwman Collection in den Niederlanden ging (und dort entgegen vorheriger Zusicherungen weiterverkauft wurde), verkaufte Kaus den Alfa Romeo inklusive der Superflow-Karosserie an einen amerikanischen Sammler. Dieser ließ den Wagen umfangreich als Superflow IV restaurieren und zeitgleich ein Replika-Chassis für die Nachbaukarosserie anfertigen. Nun kommt der Wagen bei Gooding & Company im Rahmen der Monterey Car Week zur Versteigerung. Aufgrund der einzigartigen Historie erwartet man dabei einen Zuschlagspreis zwischen sechs und acht Millionen US-Dollar.

Bilder: Gooding & Company