150. Geburtstag von Ernst Neumann-Neander

Bei hervorragenden Technikern und Konstrukteuren findet sich in der Literatur oft der Begriff eines „Universalgenies“. Eigentlich müsste im Wörterbuch neben diesem Wort ein Bild des vor 150 Jahren geborenen Ernst Neumann-Neander eingesetzt werden. Neben seiner Arbeit als Ingenieur und Designer fand er noch Zeit für Kunst, Kabarett und Motorsport. Zudem war er auch als Unternehmer erfolgreich. Doch beginnen wir lieber ganz vorne. Der kleine Ernst erblickte am 3. September 1871 in Kassel als Sohn eines Landschaftsmalers das Licht der Welt. Über seine Kindheit ist wenig bekannt. Mit 19 Jahren tauchte er bei damals sehr populären Hochradrennen auf. Nach der Schule studierte er Malerei in Kassel, München und Paris. Eine Karriere als Karikaturist und Plakatmaler beginnt bereits während des Studiums. Ab 1911 tritt er zudem als Bestandteil des Schwabinger Ensembles „die 11 Scharfrichter“ im Kabarett auf. Zu dieser Zeit ist er bereits seit sieben Jahren mit seinem eigens gebauten Motorrad bei Berg- und Langstreckenrennen unterwegs.

Als Plakatmaler und Designer tätig

Nach seiner Zeit in Paris gründete Ernst Neumann 1908 in Berlin die Werbeagentur „Ateliers Neumann für Moderne Reklame“. Dort arbeitete er für alle wichtigen Autohersteller und weitere namhafte Industrieunternehmen der damaligen Zeit. Schon kurz darauf erweiterte er sein Portfolio um den Bereich Karosseriedesign. So entwarf er als externer Berater Fahrzeuge für die Karosseriebauer Kellner, Papler, Schebera, Szawe und Kruck. Nebenbei fand er genug Zeit, um an der Charlottenburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Kunst zu lehren. Durch den Ersten Weltkrieg und die damit einsetzende Inflation verlor Ernst Neumann sein ganzes Vermögen. Er begann bei null und erschuf sich hierfür den zusätzlichen Künstlernamen „Neander“, nach dem altgriechischen Begriff für „neuer Mann“. Von nun an konzentrierte er sich in Köln auf die Konstruktion und Herstellung von Motorrädern unter dem Markennamen Neander. Wegen unkonventioneller, aber innovativer Lösungen erhielt er bald den Spitznamen N².

Neander-Motorräder werden zur Opel Motoclub

1924 erhielt er beim Stuttgarter Erfinderwettbewerb den ersten Preis „aller Kategorien für die wertvollsten Verbesserungen des Motorrads“. In dieser Zeit lernte er auf der Opel-Rennbahn den jungen Fritz von Opel kennen. Ab 1928 stellte Opel exklusiv die Neander-Motorräder unter eigenem Logo her. Hierfür entwickelte Opel einen eigenen Einzylindermotor mit 500 Kubikzentimetern Hubraum in zwei Leistungsstufen. Die metallenen Rahmen wurden nicht lackiert, sondern nur mattsilbern galvanisiert. Kontrastpunkte gab es durch den roten Sattel, rote Anbauteile und rote Reifen. Eine große Werbekampagne pries das neue Motorrad als „Motoclub“ an. Im Vergleich zu den optisch baugleichen Neander-Modellen war es rund zehn Prozent günstiger. Den von Neander produzierten Seitenwagen namens Pionier wurde ebenfalls über die Opel-Händler angeboten. Durch die Weltwirtschaftskrise endete die Produktion 1929.

Rückkehr zur Kunst vor seinem Tod

Ernst Neumann-Neander zog sich anschließend als Unternehmer immer mehr zurück. Stattdessen werkelte er für sich selbst an sogenannten „Fahrmaschinen“, einer Mischform aus Motorrad und Auto. Sie erzielten beachtenswerte Erfolge im Motorsport. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er den „Kurvenneiger“, ein Motorrad mit Stützrädern, und Fahrzeuge für Kriegsversehrte. Eine größere Serienfertigung kam jedoch nicht mehr zustande. Zudem begann er wieder zu malen. In rund fünf Jahren entstanden mehr als 100 Bilder. Am 13. November 1954 verstarb er 83-jährig in Düren. Opel blickt mit diversen Fotos und Aufnahmen auf dieses Universalgenie zurück. In der Werkssammlung in Rüsselsheim steht bis heute eine „Supersport“-Maschine von 1928.

Bilder: Opel