Sunbeam Tiger

Amerikanischer V8-Motor im englischen Roadster – gab’s nur in der Cobra! Falsch. Aber interessanterweise hatte der Erfinder der Cobra auch mit diesem Projekt etwas zu tun. Denn wenn wir an dieser Stelle den Rover-V8-Motor einmal weiträumig ausklammern, obwohl er ursprünglich eine amerikanische Konstruktion von Buick war, so gab es vor allem noch ein weiteres Produkt, auf das die oben genannten Attribute zutreffen. Die Rootes-Gruppe wünschte sich eine kräftigere Variante des Sunbeam Alpine. Diesen zweisitzigen Roadster kennen Filmfans aus dem allerersten James-Bond-Film ‚James Bond jagt Dr. No‘ von 1962.

Ferrari-Entwicklung abgelehnt

Im gleichen Jahr schlug der australische Rennfahrer Jack Brabham vor, einen V8-Motor in den Alpine zu verbauen. Zuvor hatte der Rootes-Konzern bereits bei Ferrari angefragt, ob dort der bisherige Reihenvierzylinder überarbeitet werden könne. Durch den Zusatztitel ‚powered by Ferrari‘ erhoffte man sich höhere Verkaufszahlen. Allerdings schlugen die Verhandlungen fehl. Somit kam der Vorschlag von Brabham durchaus zur richtigen Zeit. Allerdings fehlten die finanziellen Mittel, um ein eigenes V8-Triebwerk zu entwickeln. Stattdessen übertrug der Leiter der Motorsportabteilung des Rootes-Konzerns, Norman Garrad, seinem Sohn Ian den Auftrag einen passenden Motor zu organisieren. Ian Garrad arbeitete zu dieser Zeit als Verkaufsleiter der Rootes-Gruppe an der amerikanischen Westküste. Er nutzte einen Holzstab, um den leeren Motorraum eines Sunbeam Alpine auszumessen. Anschließend schickte er seinen Servicemanager Walter McKenzie in die umliegenden Autohäuser, um ein passendes Aggregat zu finden.

Carroll Shelby half bei der Entwicklung

Mr. McKenzie kam mit der Nachricht zurück, dass der 260er Ford-V8 passen könnte. Zudem kam dieser Motor mit nur 200 Kilogramm Gewicht ebenfalls in Frage. In direkter Nachbarschaft zum Rootes-Büro in Kalifornien war die Firma von Carroll Shelby ansässig. Dort erfragte man einen Kostenvoranschlag für den Bau eines fahrfähigen Prototypen nebst dafür benötigter Zeit. Die Antwort lautete: acht Wochen und rund US$ 10.000. Nachdem Brian Rootes, Chef der Verkaufsabteilung, zugestimmt hatte, ging es los. Shelby hatte zuvor bereits V8-Triebwerke in den AC Ace verpflanzt und auf diese Weise die Cobra entwickelt. Nun entstand basierend auf dem Sunbeam Alpine ein vergleichbarer Sportwagen. Bei Ford kaufte man V8-Motoren mit 260 Kubikzoll (4,3 Liter) Hubraum ein und erstellte den Prototyp Thunderbolt. Ein zweiter Prototyp entstand durch Renn- und Testfahrer Ken Miles. Dieser Wagen hatte allerdings eine Zweigang-Automatik anstelle eines manuellen Viergang-Getriebes.

Lord Rootes ließ sich begeistern

Alle neuen Fahrzeuge der Rootes-Gruppe mussten das strenge Urteil von Lord Rootes erhalten. Über die Entwicklung des neuen Sportwagens wurde er jedoch erst unterrichtet, als diverse Erprobungsfahrten in den USA bereits stattgefunden hatten. Darüber war er diversen Quellen zufolge wenig begeistert. Allerdings konnte ihn der Prototyp Thunderbolt derartig überzeugen, dass einer Serienproduktion nichts mehr im Wege stand. Mehr noch, er rief persönlich bei Henry Ford II an, um den Motorendeal einzufädeln. Für das erste Produktionsjahr erhoffte man sich eine Produktion von 3.000 Exemplaren und bestellte entsprechend viele Teile – die größte Einzelbestellung, die bis dahin jemals bei Ford eingegangen war. Die Weltpremiere setzte man für die New York Auto Show 1964 an.

Serienfertigung bei Jensen

Kurz vor der Präsentation erhielt der umgebaute Alpine den Namen Sunbeam Tiger. Als Inspiration diente ein gleichnamiges Rekordfahrzeug von 1925. Eigentlich hatte Shelby gehofft, den Auftrag zur Produktion zu erhalten. Lord Rootes gefiel jedoch die Nähe zum Ford-Konzern nicht, weshalb er die Tiger-Fertigung in Großbritannien behielt. Da das Sunbeam-Werk nicht die benötigten Kapazitäten aufwies, beauftragte man Jensen. Shelby erhielt jedoch für jeden gebauten Sunbeam Tiger eine Aufwandsentschädigung ausgezahlt. Bis Jahresmitte 1964 entstanden 14 Vorserienprototypen bei Jensen.

V8-Motoren von Ford

Ab Juni 1964, weniger als ein Jahr nach der Fertigstellung des Shelby-Prototyps, begann die Serienfertigung. Alle Rohkarosserien entstanden bei Pressed Steel in Oxfordshire, wo auch die Lackierung erfolgte. Nach kurzer Zeit liefen bereits 300 Exemplare pro Monat vom Band. Da Ford anfänglich noch nicht das Viergang-Getriebe aus dem neuen Mustang liefern konnte, verbaute man ein ähnliches Getriebe von BorgWarner. Abweichend von der Serienleistung von 164 PS gab es bei den US-Händlern Tuningmöglichkeiten bis auf 245 PS. Ab 1967 gab es den Sunbeam Tiger Mark II mit einem 289er Ford-V8 (4,7 Liter Hubraum). Allerdings fanden sich am Wagen keine ‚Powered by Ford‘-Schilder mehr, da Chrysler 1964 einen großen Anteil an der Rootes-Gruppe und 1967 schließlich die Aktienmehrheit gekauft hatte. Daher endete die Tiger-Produktion auch am 27. Juni 1967, nachdem das Lager an Ford-Motoren geleert war. Chrysler’s eigene V8-Triebwerke waren zu groß für die Alpine-Karosserie.

Sunbeam Tiger im Motorsport

Bereits vor Produktionsbeginn entstanden drei Prototypen für die 24 Stunden von Le Mans 1964. Diese Fahrzeuge erhielten eigens bei Lister erstellte Coupé-Karosserien mit Schrägheck. Auch die serienmäßigen Viergang-Getriebe tauschte man gegen enger abgestimmte von BorgWarner, die eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h gestatteten. Zwei dieser drei Fahrzeuge traten in Le Mans an. Da im Vorfeld nicht genügend Zeit für Erprobungsfahrten vorhanden war, litten beide unter Überhitzungen. Carroll Shelby erstattete daher die Entwicklungskosten an Rootes. Später im gleichen Jahr setzte Shelby einen Competition Tiger in der B-Kategorie der SCCA ein. Da er kurz darauf in die Entwicklung des Ford GT40 einstieg, übergab er das Tiger-Projekt an den Händler Hollywood Sports Car. Es folgten Einsätze in der GT-Klasse auf der Rundstrecke sowie bei Dragrennen und Rallyes.

Frühes Exemplar bei RM Sotheby’s

Aus dem ersten Fertigungsjahr 1964 bietet RM Sotheby’s am 22. Januar ein Exemplar an. Dieser Wagen trägt eine Lackierung in ‚Balmoral Grey‘. Nur 27 von insgesamt 7.128 Fahrzeugen erhielten diese Farbe. Die Historie des Wagens geht bis Mitte der 1970er Jahre zurück, als er erstmals in Kalifornien zugelassen war. Diverse Rechnungen belegen, dass die Besitzer Wert auf einen tadellosen Zustand legten. 2006 übernahm Neal Wichard das Auto und beauftragte Doug Pratt, David Zumstein und Tom Shelby (Neffe von Carroll) mit einer umfangreichen Restaurierung. Anschließend erhielt der Wagen zwei Best of Show Preise beim 2011er Concours des Sunbeam Tiger Owners Club und beim SAAC Treffen in Santa Monica. Der Höchstbieter erhält das originale Werks-Hardtop, das Bordwerkzeug inklusive Wagenheber und diverse Bordbücher. RM Sotheby’s erwartet einen Zuschlagspreis zwischen US$ 120.000 und US$ 140.000.

Bilder: RM Sotheby’s