Porsche für vier Personen

Seitdem Porsche mit dem Cayenne, dem Panamera, dem Macan und nun auch mit dem elektisch betriebenen Taycan Autos für die ganze Familie anbietet, stellt sich eine früher heiß diskutierte Frage nicht mehr: Lässt sich Sportwagen-Fahrspaß auf Autos mit vier vollwertigen Sitzplätzen übertragen? Diese Fragestellung beschäftigte die Marke aus Zuffenhausen jedoch bereits kurz nach der Gründung 1948. Besonders Ferdinand Anton Ernst Porsche, genannt ‚Ferry‘, war es ein großes Anliegen mehr Insassen diese Fahrfreude zu bereiten. Auf Basis des ersten Serienfahrzeugs 356 entstanden verschiedene Ideen am Reißbrett, die schließlich Anfang der 1950er im Typ 530 mündeten, der als fahrfähiger Prototyp umgesetzt wurde. Im Vergleich zum normalen 356 hob man die Dachlinie im Fond an und verlängerte neben dem Radstand auch die Türen, um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern.

Auch zum Ende der Ära des 356 blieben die Überlegungen zu einem viersitzigen Sportwagen aktuell. Während man den 530 aus Kostengründen verworfen hatte, könnte man ja nun den Nachfolger von Anfang an groß genug gestalten, um vier Erwachsenen genug Platz im Innenraum zu bieten. Ferry Porsches Sohn Alexander gestaltete hierzu einen neuen Prototyp mit dem internen Namen 754 T7, der aus heutiger Sicht wie ein leicht veränderter früher 911 wirkt. Tatsächlich stand der 754 jedoch vier Jahre vor Markteinführung des Elfers auf seinen Rädern und nimmt daher viele Designdetails wie die Frontpartie oder die Rückleuchten vorweg. Trotz der im Vergleich zum späteren 911er deutlich höheren Dachlinie war man mit dem Raumangebot in der zweiten Sitzreihe unzufrieden und entwickelte parallel den 754 T8 als 2+2-Sitzer und den 754 T9 als wirklich vollwertigen Viersitzer. Letztlich fiel die Entscheidung zugunsten des 2+2-Konzeptes mit abfallender Dachlinie wie beim 356, womit der 901 geboren wurde, der kurz nach der Weltpremiere bekanntlich zum 911 umgetauft werden musste.

Ob es in den folgenden zehn bis 15 Jahren keine Arbeiten an einem Viersitzer-Sportwagen mehr gab oder diese einfach nie über den Skizzenstatus hinauskamen, kann letztlich wohl nur das Porsche Archiv in Zuffenhausen allumfassend klären. Faktisch entwickelte der Sportwagenbauer schließlich den 928 mit vorn untergebrachtem, wassergekühlten V8-Triebwerk, wodurch im Innenraum mehr Platz für die hinteren Passagiere entstand. Die sehr schräg stehende Heckscheibe in der großen Heckklappe begrenzt jedoch die Kopffreiheit deutlich, weshalb der 928 sich nur eingeschränkt als Reisefahrzeug für vier Erwachsene eignet. Zum 75. Geburtstag von Ferry Porsche im Jahr 1984 entstand jedoch auf Basis eines 928 S ein Unikat mit verlängertem Dach in Ferrys Lieblingsfarbe Dunkelgrün. Eine Serienfertigung findet letztlich jedoch wieder nicht statt.

Während das Einzelstück für Ferry Porsche entstand fanden parallel Überlegungen an einem verlängerten 928 mit vier Türen statt. Schnell kam man dabei auf gegenläufig angeordnete und kleinere Fondtüren, die nur geöffnet werden können, wenn die vorderen Portale bereits offen sind. Ein ähnliches Konzept fand man Jahrzehnte später beim Mazda RX-8 oder dem BMW i3. Insgesamt zwei Prototypen des 928 H50 getauften Wagens entstanden 1988, von denen einer heute noch zum Bestand des Porsche Museums zählt. Allerdings sorgte das Fehlen der B-Säulen dafür, dass die Karosserie einiges an Steifigkeit verlor, was nur durch teure und schwere Versteifungen des Unterbodens hätte behoben werden können. Somit rollte der H50 schnell auf’s Abstellgleis.

Parallel entstanden unter der Leitung des damaligen Porsche-Chefs Arno Bohm sowie des Chefdesigners Harm Lagaay und des Entwicklungsleiters Ulrich Bez ein eigenständiger Viertürer-Porsche, der Ende der 80er Jahre intern auf den Namen 989 getauft wurde und Anfang der 1990er hätte in Serie gehen sollen. Über 600 Millionen D-Mark flossen in die Entwicklungsarbeiten der neuen Karosserie und des passenden Antriebskonzepts mit einem 300 PS starken und 3,6 Liter großen V8-Saugmotor unter der langen vorderen Haube. Für spätere Modellvarianten waren sogar bis zu 4,2 Liter Hubraum geplant. Als Wendelin Wiedeking 1992 Arno Bohm an der Spitze von Porsche ersetzte, strich er das teure Projekt aus dem Programm, da der zu erwartende Verkaufspreis die Kosten nicht wieder eingespielt hätten.

Stattdessen erschien 2002 mit dem Cayenne erstmals ein viertüriger Porsche. Im boomenden Segment der SUVs konnte man direkt Verkaufserfolge feiern und sich fest etablieren. Erst 2009 folgte mit dem Panamera ein Fahrzeug nach dem ursprünglich von Ferry Porsche angedachten Konzept. Vorangegangen waren interne Designprototypen mit den Namen ‚Mirage‘, ‚Meteor‘ und ‚Phantom‘, von denen jeweils Details in die finale Serienfertigung des Panamera eingeflossen sind. Sportwagenfahrspaß für vier Erwachsene ist also keine Erfindung der 2000er, verlangte aber lange Vorarbeiten – zumindest bei Porsche.

Bilder: Porsche Newsroom, Porsche AG