Pagani Huayra Roadster BC

Der italienische Sportwagenhersteller Pagani hat jetzt in San Francisco ein Auto vorgestellt, das es eigentlich nie geben sollte – und das auf eine Art, die bisher in der Geschichte des Automobils einmalig ist. Doch von Anfang an. Der Huayra ist erst das zweite Modell in der 20-jährigen Geschichte der italienischen Edelschmiede. 2011 vorgestellt, war die Stückzahl von Anfang an auf 100 Exemplare limitiert, die inzwischen alle verkauft und ausgeliefert sind. Es folgte 2016 der Pagani Huayra BC, benannt nach dem ersten Kunden der Marke und persönlichen Freund von Horacio Pagani, Benny Caiola, der im Jahr 2010 verstorben ist. Der BC ist eine leistungsgesteigerte und gewichtsreduzierte Version des Huayra Coupés, ebenfalls limitiert auf offiziell nur 20 Exemplare.

Das dritte Mitglied der Huayra-Familie ist seit dem Genfer Salon 2017 der Roadster, wie sein geschlossenes Pendant auf 100 Exemplare limitiert, die alle bereits zur Präsentation verkauft waren. Bei der Modellgeschichte mag man jetzt folgern, dass ein Huayra Roadster BC die logische Konsequenz wäre, war es aber nicht. Ursprünglich war dieses Modell von Pagani nicht geplant. Erst als ein guter Kunde des Hauses im Jahre 2015 mit einer Blanko-Überweisung mit dem Betreff ‚Huayra Roadster BC‘ das Team um Firmengründer Horacio Pagani überraschte und andere Kunden es ihm gleichtaten, änderte sich die Meinung des in der Nähe von Modena beheimateten Argentiniers und das Auto, das es nie geben sollte, wurde letztendlich doch noch Realität. In 40 Exemplaren wird ab Frühjahr 2020 der Pagani Huayra Roadster BC entstehen, und, sie ahnen es bereits und so ist es mittlerweile Tradition im Hause, auch die sind bereits alle verkauft.

Jetzt mögen Sie sich fragen, liebe Leser, auf welchem Event die Weltpremiere dieses einmaligen Fahrzeugs zu bewundern sein wird. Das Festival of Speed im englischen Goodwood war bereits und große Automessen sind in der Sommerzeit eher Mangelware. Bleibt noch die Monterey Car Week in Kalifornien und damit liegen Sie gar nicht mal so verkehrt. Dort wird der Roadster BC tatsächlich zu sehen sein, für seine Weltpremiere geht Pagani aber ganz neue Wege. Nachdem man in der vergangenen Woche noch mit einem Teaser auf Instagram das Interesse der Fans angeheizt hat, ließ man jetzt das Cover vom offenen Hypercar. Das Ganze geschah bei der Firma Zynga Inc., einem weltweit führenden Unternehmen für interaktive Unterhaltung, in San Francisco. Der Roadster BC wird ein Bestandteil des Handyspiels ‚CSR Racing 2‘ und dort in diesem Spiel zu einer Prämie für besonders erfolgreiche Spieler, natürlich nur virtuell.

Doch beschäftigen wir uns statt mit Handyspielen lieber mit dem real existierenden Huayra Roadster BC. Man könnte glauben, die Entwicklungsabteilung hätte sich einen relativ einfachen Job gemacht und die Roadster-Karosserie einfach mit den Goodies des BC Coupés kombiniert, aber das würde Horacio Paganis Detailversessenheit und Streben nach Perfektionismus nicht zulassen. Betrachtet man den neuen Roadster genauer, erkennt man die Summe an Neuigkeiten. Bei der Vorstellung erklärte Pagani seine Lieblingsthemen, wenn es um die Entwicklung von Automobilen geht. Aerodynamik und Gewichtsersparnis haben es dem Argentinier angetan. Sein Ziel für den Roadster BC: Mehr Anpressdruck und noch weniger Gewicht. Klingt auf den ersten Blick recht einfach. Bei einem bereits hoch entwickelten Fahrzeug wie dem Huayra BC Coupé grenzt das aber an Hexerei. Also überarbeitete man bei Pagani die Aerodynamik im Detail. Dabei wurden der Frontspoiler und die seitlichen Splitter komplett neu gestaltet. Die wellenartige Form haben die Ingenieure aus der Formel 1 übernommen. Ein wichtiger Bestandteil des aerodynamischen Konzepts ist der Heckflügel. Ursprünglich haben die Entwickler mit einem deutlich größeren Exemplar experimentiert, durch gezielte Feinarbeit wie beispielsweise die seitlichen Flaps am Flügel konnte das Format jedoch erheblich reduziert und trotzdem das selbstgesetzte Ziel von 500 Kilogramm Abtrieb bei einem Tempo von 280 km/h erreicht werden.

Ein besonderes Augenmerk legte Pagani auch auf das Bremsverhalten. Um das starke Eintauchen des Vorderwagens beim Bremsen zu verhindern, verwenden die Italiener elektronisch gesteuerte Dämpfer, die den Vorderwagen des Huayra Roadster BC leicht anheben und somit eine Gewichtsverlagerung zum Heck bewirken. Besonderen Aufwand trieben die Entwickler auch bei der Rad-Reifenkombination. Besonders, wenn man die geringe Stückzahl von nur 40 Fahrzeugen bedenkt. Die Alufelgen sind in Zusammenarbeit mit dem Hersteller APP komplett neu entwickelt worden. Ebenso rollt der Roadster auf speziellen Pirelli Pneus vom Typ P Zero Trofeo R, deren Mischung speziell auf den neuen Pagani abgestimmt wurde. Das Ergebnis dürfte bei manchem Beifahrer zu einer leichten Veränderung der Gesichtsfarbe führen, sind doch nach Angaben von Pagani Querbeschleunigungswerte bis zu 1,9 g in Kurven möglich. Zum Vergleich, ein Bugatti Chiron erreicht maximal 1,5 g. Sicher auch ein Verdienst des extrem steifen Titan-Carbon-Monoques mit angeschraubtem Hilfsrahmen aus Stahl, das für den Roadster noch einmal verstärkt wurde. Auch das sehr moderate Leergewicht von nur 1.250 Kilogramm spielt eine nicht unwichtige Rolle.

Für den beeindruckenden Vortrieb des Huayra Roadster BC vertraut Pagani wie in den 20 Jahren Markengeschichte zuvor den Motorenspezialisten von Mercedes-AMG aus Affalterbach, die den V12-Biturbo aus dem BC Coupé für den Roadster gemeinsam mit Pagani noch einmal tiefgreifend überarbeitet haben. So verfügt der Motor jetzt über größere Turbolader, deren Atemluft von insgesamt vier Ladeluftkühlern auf ein erträgliches Maß abgekühlt wird. Das Ergebnis sind eine Leistung von 802 PS und mehr als 1.050 Newtonmeter Drehmoment. Offizielle Fahrwerte nennt Pagani noch nicht, aber es steht zu erwarten, dass die Höchstgeschwindigkeit bei deutlich über 350 km/h liegen und die Beschleunigungszeit von 0-100 km/h mit einer 2 beginnen dürfte. Dabei vertraut Pagani bei der Kraftübertragung weiterhin entgegen dem allgemeinen Trend aus Gründen der Gewichtsersparnis auf ein sequenzielles Siebengang-Getriebe des Spezialisten Xtrac anstatt eines schwereren Doppelkupplungsgetriebes. Die Kupplung des Roadsters wurde im Vergleich zum Coupé komplett neu entwickelt und wiegt statt 10 nun nur noch 6 Kg, dafür erfolgen die Gangwechsel jetzt 30 Prozent schneller. Auf der anderen Seite sorgt die grundlegende Überarbeitung des Motors bereits jetzt für die Einhaltung der Abgaswerte der kommenden EURO-7-Norm, die bis mindestens 2025 Gültigkeit verspricht. Die Auspuffanlage mit ihren vier mittigen Endrohren ist von Anfang an ein Markenzeichen der Sportwagen aus San Cesario sul Panaro im italienischen Automobilmekka Emiglia Romagna. Trotzdem hat Pagani akustische Feinarbeit an der zwölfzylindrigen Musik des Huayra Roadster BC vorgenommen und zwei weitere Auspuffrohre direkt von den Katalysatoren zu verdeckten Auslässen im hinteren Diffusor geführt, die einen noch beeindruckenderen Sound versprechen.

Neben den technischen Details und den Fahrleistungen ist natürlich auch der Preis von 3,2 Millionen Euro zuzüglich lokaler Steuern ein sehr beeindruckender Wert, besonders wenn man ihn im Vergleich zum geschlossenen Huayra BC betrachtet, der im Jahr 2016 für 1,6 Millionen Euro verkauft wurde. Führt man sich aber den technischen Aufwand vor Augen, den diese relativ kleine Manufaktur bei der Entwicklung und Herstellung ihrer Fahrzeuge betreibt, relativiert sich dieser Betrag. Der Huayra Roadster BC besteht zum größten Teil aus Carbon. Nur verwendet Pagani nicht normales Carbon, sondern hat eine neue Generation des Werkstoffs Carbon-Titanium, einer extrastarken Kombination aus Carbon und Titan entwickelt. Dieses Carbon ist bis zu 20 Prozent steifer als bisher. Leider ist das neue Material aber auch 450 Prozent teurer. Der Wert der im Roadster verbauten Schrauben übersteigt den Betrag von 100.000 Euro. Jede einzelne ist aus Titan gefertigt und hat entweder das Markenlogo oder den Markenschriftzug eingraviert. An diesen Details zeigt sich die Einstellung von Horacio Pagani, der seine Fahrzeuge frei nach Leonardo da Vinci als Verbindung von Wissenschaft und Kunst betrachtet.

Bilder: Pagani