Paddy Hopkirk im classic Mini
1964 – Martin Luther King erhält den Friedensnobelpreis, Papst Paul VI. unternimmt als erster Pontifex seit 1814 eine Auslandsreise, in Deutschland wird der Zebrastreifen in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen, Nelson Mandela wird zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, US-Präsident Lyndon B. Johnson unterzeichnet das Bürgerrechtsgesetz zur Aufhebung der Rassetrennung, in Japan rollt der Schnellzug Shinkansen auf die Schienen, die Lockheed SR-71 ‚Blackbird‘ startet erstmals und Ford startet in Dearborn/Michigan die Produktion des Mustang. Dies sind nur einige von noch viel mehr Punkten, die dieses Jahr prägten. Direkt im Januar 1964 fand eine sportliche Veranstaltung statt, die es bereits seit 1911 gibt. Motorsportfans kennen sie als ‚Monte‘, müssen heutzutage jedoch zumeist auf Online-Streams setzen, wenn sie irgendetwas über Verlauf und Ergebnisse erfahren möchten. Ganz anders 1964, als diese Veranstaltung von vielen Autoherstellern als gute Möglichkeit empfunden wurde, um mit gänzlich unterschiedlichen Konzepten gegeneinander anzutreten und dieses Spektakel in voller Länge live im Fernsehen gezeigt wurde. Unter anderem fanden sich im Teilnehmerfeld die großen Ford Falcon mit V8-Triebwerken aus den USA und daneben die kleinen und agilen Mini Cooper S aus Großbritannien. Spezielle Handicap-Formeln in den Regularien verhalfen auch schwächeren Fahrzeugen zu Siegchancen.
Dose Kaviar im Gepäck
Kurz nach der ‚Nacht der langen Messer‘, so genannt wegen der messerartig die Nacht durchschneidenden Scheinwerferlichtkegel der Fahrzeuge auf ihrem Weg über den meist schneebedeckten Col de Turini, lag der Nordire Patrick ‚Paddy‘ Hopkirk in seinem Mini mit der Startnummer 37 volle 17 Sekunden hinter dem bis dahin führenden Schweden Bo Ljungfeldt im Ford Falcon. Im Werkzeugkasten im Kofferraum des Mini befand sich unter anderem eine Dose Kaviar aus Minsk. Dort waren Paddy Hopkirk und sein Beifahrer Henry Liddon aus England aufgebrochen, um den Start der Rallye Monte Carlo im französischen Reims zu erreichen. Damals war es noch üblich, vor der Rallye durch eine Sternfahrt von verschiedenen Startpunkten in Europa aufzubrechen, wobei bereits erste Bonuspunkte für Entfernung und Zeiteinhaltung vergeben wurden. Hopkirk hatte sich bereits zuvor einen Namen durch Siege bei Bergrennen und auf dem Circuit of Ireland sowie durch Erfolge bei der Tulpen-Rallye in den Niederlanden, der Alpenfahrt in Österreich und der Safari Rallye in Kenia gemacht. 1962 überquerte er auf dem dritten Rang die Ziellinie der Rallye Monte Carlo mit einem Sunbeam Rapier.
Durch die bereits erwähnte Handicap-Formel genügten für Bo Ljungfeldt weder die 17 Sekunden Vorsprung nach der ‚Nacht der langen Messer‘, noch die rund 30 Sekunden beim Rundstreckenrennen auf dem Grand-Prix-Kurs in Monte Carlo, um den kleinen Mini Cooper S in Schach zu halten. Nach der Zieldurchfahrt mussten die gefahrenen Zeiten verglichen und vergebene Punkte zusammengerechnet werden, bevor es schließlich feststand: Paddy Hopkirk und der Mini Cooper S hatten gewonnen. Für die britische Marke der erste Gesamtsieg. Auf den Plätzen vier und sieben folgten seine Teamkollegen Timo Mäkinen und Rauno Aaltonen, die ihrerseits 1965 und 1967 die Monte gewannen. Nur wenige Tage später traten Hopkirk und sein Fahrzeug in der bekannten TV-Show ‚Sunday Night at the London Palladium‘ auf. Glückwunsch-Telegramme der britischen Regierung, von Prominenten und Fans versüßten den Sieg zusätzlich. Selbst von den Beatles kam eine Autogrammkarte, die zusätzlich den handschriftlichen Vermerk: „Jetzt bist Du einer von uns, Paddy!“ trägt. Er blieb dem Rallyesport bis in die frühen 1970er Jahre treu und dabei stets ein fairer Sportsmann und Gentleman. Dies stellte er unter anderem 1968 beim London-Sydney-Marathon unter Beweis, als er in Führung liegend anhielt, um ein verunglücktes Team aus einem brennenden Auto zu retten.
Die Ideallinie findet Hopkirk immer noch
Nach seiner aktiven Motorsportkarriere importierte Hopkirk Neuwagen nach Nordirland und verkaufte Zubehörteile seiner eigenen Marke. Als BMW die Marke Mini von Rover übernahm und neu aufstellte, war er zudem als Berater tätig und ist bis heute Botschafter der Charity-Organisation IAM RoadSmart, die sich für Verkehrssicherheit einsetzt. An seine Erfolge im Mini erinnert er sich immer noch gut: „Der Mini war ein sehr fortschrittliches Auto. Sein Frontantrieb und der vorn quer eingebaute Motor waren sehr vorteilhaft, genauso wie die Tatsache, dass das Auto klein war und die Straßen kurvig und schmal. Bergab war der Mini besonders gut, und die Tests waren alle bergauf und bergab gewesen, sodass wir das, was wir bergauf verloren, bergab wieder gutmachen konnten.“ Nun schlüpfte er bei bestem Sommerwetter erneut hinter das Lenkrad eines classic Mini. Allerdings handelte es sich diesmal um ein deutlich neueres Straßenfahrzeug in ‚British Racing Green‘. Fahrspaß kommt trotzdem schnell auf. Der inzwischen 87-jährige Hopkirk ließ auch diesen Mini auf der Ideallinie durch die Kurven flitzen.
Bilder: Mini