Overnight Express in die Berge (McLaren GT)

13192 Kilometer groß ist das Autobahnnetz Deutschlands. 13192 Kilometer Straße, die aus meist 5 unterschiedlichen Schichten bestehen und von Fahrbahndecke bis Unterbau bis zu 90cm an Höhe misst. Auf einer Zugfahrt nach Frankfurt lese ich mich ein wenig in das Thema ein. Wann macht man sich schon Gedanken über was genau man fährt, wenn man sich entspannt oder weniger entspannt über Straßen ohne Tempolimit bewegt. Zumindest über 2/3 dieser 13.192 Kilometer herrschen keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. An jenem Tag werde ich rund 400 Kilometer des Autobahnnetzes nutzen – aus mathematischer Sicht sollten dabei rund 266 Kilometer frei von Begrenzungen sein. Ein kurzer Blick aus dem Zugfenster auf eine vorbeiziehende Tankstelle – Super Plus: 2,29€ – mein Gedanke an unbegrenzte Autobahnabschnitte ein wenig gedämpft. 

Doch warum eigentlich Frankfurt? Und wofür das Einlesen in die Materialwissenschaften? 

In der Bänkerstadt am Main wartet ein Auto aus Surrey, England auf mich. Hören tut es auf das Kürzel GT und ist mit 620 PS genau das passende Fahrzeug um die kommenden 400 Autobahnkilometer Richtung Allgäuer Berge zu bestreiten.

Als mir um etwa 15:30 die Schlüssel des McLaren’s in die Hände fallen entwickelt sich bei mir Vorfreude auf die kommenden Tagen. Als ich in den Wetterbericht blicke mischt sich diese allerdings mit etwas Unmut. Nördlich der Alpen Dauerregen – ab 1100 Meter über dem Meeresspiegel verwandelt sich dieser sogar in Schnee. Für den heckangetriebenen Sportwagen nicht gerade die optimalen Bedingungen. Als ich die ersten Meter durch Frankfurt rolle, vorbei an den Hauptquartieren verschiedenster Banken rücken die Gedanken über das Wetter vorerst in den Hinterkopf. Zeitgleich macht sich bei mir der Wunsch breit das gegenwärtige Szenario von Außen zu sehen – wie schaut es wohl aus wenn ein orangefarbener McLaren GT durch den Jungle aus Beton, Leuchtreklamen und vorbei an den unzähligen Kiosks rollt. Der Gedanke beschäftigt mich genau bis zur Auffahrt der Autobahn 3. Im Rückspiegel die Skyline Frankfurts, vor mir liegen knapp 400 Kilometer Asphalt der A3 und A7.

Knapp 4 Jahre alt ist der McLaren GT bereits, doch äußerlich wie auch im Inneren wirkt das Design als wäre es gestern erschienen. Auf der ersten kurzen Pausen irgendwo bei Würzburg nehme ich mir kurz die Zeit genauer auf das Design des Briten zu blicken. Schnell werden die scharfen, aber dennoch aerodynamisch fließenden Linien erkennbar. „Everything is for a reason“ betont der britische Sportwagenhersteller, denn nichts im Design des GT’s ist ohne Zweck – alles hat eben einen Grund. Für das Auge unsichtbar, wird der Luftstrom durch exakte Formen, Kurven und Kanäle in und an der Karosserie vorbei geleitet.

Die breite und auffällige Präsenz des Fahrzeugs werden an der Vorderseite durch die sogenannte „Hammerkopflinie“ betont, die horizontal über die Nase verläuft und den Blick auf die Seiten des Fahrzeugs lenkt.

Im (optionalen Carbon-)Frontsplitter findet man diese Linie in etwas spitzerer Ausführung wieder. Diese sorgt dafür, dass im Zentrum der höchste aerodynamische Druck erzeugt wird und der Luftstrom unter das Fahrzeug sowie in vier Niedertemperatur-Kühlerkanäle im vorderen Stoßfänger geleitet wird.

Mittlerweile öffnen sich die Schleusen des Himmels wieder ein wenig, der Blick auf den Briten fesselt mich jedoch so sehr, dass ich die Tropfen in Kauf nehme. Passend zum Thema, widme ich mich dem Heck. Denn die große Glasheckklappe beginnend ab der B-Säule, erinnert in seiner Form an einen Regentropfen – Zufälle gibts. Doch genaue jene Form ermöglicht einen unfassbar langen und großen Stauraum, um genau zu sein nämlich 570 Liter. Zumindest wenn man den vorderen Kofferraum mit seinen 150 Liter dazu rechnet. Mehr als ein aktueller 3er BMW.

Zeitgleich sendet der Motor mir Signale und macht mir deutlich, „das war erst der Anfang“.

Um ca. 19 Uhr geht die Sonne hinter der Wolkendecke unter. Das Grau wird zu Dunkelblau. Der Regen pausiert. Zeit um die Kraft des Briten mit seinem 4.0 Liter V8 Mittelmotor das erste Mal zu spüren. Im zweiten Gang drücke ich das erste Mal das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Die Systeme regeln für einen kurzen Moment, spätestens nach dem Gangwechsel spürt man dann die gesamten 620 PS und 630 Newtonmeter. Die 1530 Kilogramm beschleunigen dann innerhalb von 5,3 Sekunden von 100 auf 200 km/h. Das schüttelt der GT locker aus dem Ärmel. Zeitgleich sendet der Motor mir Signale und macht mir deutlich, „das war erst der Anfang“. Unser Testfahrzeug ist mit Winterreifen von Pirelli ausgestattet, Schluss ist hier „bereits“ bei 275 km/h. In den Sommermonaten fährt der GT allerdings über 320 km/h. 326 km/h um genau zu sein.

Nightcrawler

Die Szenerie die sich auf den letzten Kilometer der A7 aufbaut, erinnert an einen Film. Komplette Finsternis und nur einige wenige Lichtkegel, die sich um ca. 23 Uhr noch in Richtung Süden bewegen. Die Geschwindigkeit gepaart mit der Dunkelheit und dem Kamerarucksack im Fußraum des Beifahrers – es erinnert mich an Szenen aus dem Film „Nightcrawler“. Hätte Jake Gyllenhall auch auf den McLaren GT gesetzt, wäre er ohne Zweifel jedes Mal der erste Journalist am Tatort gewesen.

Kurz vor meinem Nachtstopp in Kempten heißt es nochmal Auftanken. Das zweite Mal übrigens schon. An der Tankstelle „Allgäuer Tor“ fülle ich nochmals knapp 60 Liter in den Tank des GT’s um für die morgige Etappe in die Allgäuer Berge gewappnet zu sein.

Am nächsten Morgen heißt es: nicht zu früh starten! Zu groß die Angst, dass die Passstraßen des Allgäus noch nicht vom Schnee befreit sind und zu groß die Angst vor Kaltverformungen.

Nachdem ich den kurzen Tunnel vor dem Riedbergpass durchfahre, merke ich allerdings recht schnell wie gut die Systeme im McLaren funktionieren. Selbst auf nasser, kalter Fahrbahn entwickelt der McLaren in den Kurven schnell Vertrauen und das trotz des Mittelmotors, der seine Kraft nur auf die hinteren Räder schickt.

Auf dem Weg zur Passhöhe wird das Schneetreiben immer stärker, die Farbe und das Design wirken auf jedem Parkplatz fast wie ein Monument – gebührend der Meisterleistung was die Engländer in Sachen Design und Technik erreicht haben. Aber mal abgesehen von den beeindruckenden Fahrleistungen, muss man auch die Alltagstauglichkeit des GT’s erwähnen. Auf den vergangenen 450 Kilometer ist aufgefallen: der Brite kann durchaus auch Komfortabel.

Auf der Passhöhe des Riedbergs scheint das Ziel geschafft zu sein. Wobei das eigentliche Ziel, so kitschig es klingen mag, mal wieder der Weg war. Jeder der knapp 500 Kilometer ließ sich in vollen Zügen genießen. Ob auf der Autobahn, den Bergstraßen oder im Frankfurter Stadtverkehr – der McLaren GT ist ein echter Alleskönner. Am wohlsten fühlt sich der Brite aber auf (deutschen) Autobahnen. Nirgendwo sonst lässt sich die ganze Kraft des McLaren’s entfalten.


McLaren GT

Motor: 4.0L V8 Twin-Turbo
Leistung: 620 PS @ 7,500 rpm
Gewicht: 1530 Kilogramm
Beschleunigung: 0-100 km/h in 3.2 s
V-Max: 326 km/h