Michael Mauer über „typisch Porsche“ und Innovation im Design des Porsche Macans

Nun ist es soweit – Porsche stellt mit dem neuen Macan ihre erste Elektrifizierung eines bestehenden Modells vor und das ziemlich genau zehn Jahre nach seiner Markteinführung. Durch progressives, zeitloses Design, markentypische Performance, langstreckentaugliche Reichweite und hohe Alltagstauglichkeit sollen der neue Macan 4 und der Macan Turbo alle Anforderungen an ein SUV erfüllen. „Wir heben den Macan auf ein völlig neues Niveau – mit außergewöhnlicher E-Performance, der neuen Driver Experience und ausdrucksstarkem Design“, sagte Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, im Rahmen der Weltpremiere in Singapur.

Kurz vor der Weltpremiere des neuen Porsche Macan spricht Michael Mauer über die Herausforderung, das bekannte Design des erfolgreichen SUV weiterzuentwickeln. „Der neue Macan ist das erste Modell, das wir aus einer bestehenden, etablierten Produktidentität heraus elektrifizieren“, sagte der Leiter von Style Porsche. Für ihn muss „jeder neue Sportwagen ganz klar als Teil der Porsche-Produktfamilie und jeweiliges Modell zu erkennen sein, muss jedoch auch als ,der neue‘ wahrgenommen werden“. Für die Marke Porsche sei diese ästhetische Konsistenz sehr wichtig. Dabei genau die richtige Balance zwischen „typisch Porsche“ und „innovativ“ zu finden, sei eine teils schwierige Aufgabe, so der Designer.

Herr Mauer, mit dem neuen Macan startet Porsche mit einem ganz besonderen Highlight ins neue Jahr. Wie gehen Sie als Designer die Aufgabe an, den ersten vollelektrische Macan zu designen?

Michael Mauer: Bevor wir konkret über die Ausgestaltung nachdenken, spielt der strategische Ansatz im Design eine entscheidende Rolle. Was macht das Modell aus? Wie sehen Vorgänger-Generationen aus? Beim neuen Macan war das eine besonders spannende Aufgabe. Den ersten Macan haben wir in 2013 präsentiert und das Modell seither behutsam, aber konsequent weiterentwickelt. Damit besitzt der Macan ganz allgemein gesprochen bereits eine international etablierte Produktidentität. Bei jeder neuen Generation ist es unsere Aufgabe, die richtige Balance zwischen bekannten Designmerkmalen und neuen Elementen zu finden. Konkret: Jeder neue Sportwagen muss ganz klar als Teil der Porsche Produktfamilie und jeweiliges Modell zu erkennen sein, muss jedoch auch als „der neue“ wahrgenommen werden. Für unsere Marke ist diese ästhetische Konsistenz extrem wichtig. Der neue Macan ist zudem das erste Modell, das wir aus einer bestehenden, etablierten Produktidentität heraus elektrifizieren. Also stellt sich die Frage: Wie „neu“ muss der „Neue“ sein – was ist zuviel, was gerade genau richtig?

Wie gelingt es, die Balance zu finden? An welchen Parametern lässt sich erkennen, ob das Modell bei den Kunden gut ankommen wird?

Mauer: Das ist generell eine schwierige Frage – der Designprozess liegt Jahre vor der Markteinführung. Streng rationale Parameter, nach denen wir die Attraktivität eines Modells in der Zukunft bewerten können, gibt es nicht. Auf Markenebene haben wir mit den Porsche Designprinzipien eine Art Leitlinie definiert, die uns in der täglichen Arbeit an den Modellen hilft, die Gestaltung an unseren strategischen Zielen auszurichten. Für die Marke Porsche haben wir mit den Begriffen Focus, Tension und Purpose drei Schlüsselbegriffe gewählt, die den Charakter der Marke beschreiben. Etwas vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Diese Schlüsselworte beschreiben, was ein Produkt der Marke Porsche ausmacht – was es für den Kunden als „typische Porsche“ erlebbar werden lässt.

Wie sind diese entstanden? Wie finden Sie konkret Anwendung?

Mauer: Etwas überspitzt würde ich sagen, die Entstehung oder besser gesagt Definition der Begriffe war fast wichtiger als die Begriffe selbst. Die Aufgabenstellung, exakt drei Begriffe zu finden, ist weit komplexer als es klingt. Auch hier gilt: Ohne Teamwork ist dies nicht machbar. Der Austausch und die damit verbundene Auseinandersetzung mit den Attributen der Marke war und ist für das gesamte Designteam eine sehr wertvolle Aufgabe. Die konkrete Anwendung zu benennen ist vielfältig: Zum einem nutzen uns die Begriffe als eine Art Kompass um sicher zu stellen, dass wir auch beim Blick in die Zukunft die Essenz der Marke nicht aus den Augen verlieren. Zum anderen dienen sie als Entscheidungshilfe, welche Ansätze wir in einer frühen Konzeptphase weiter verfolgen.

Können Sie ein konkretes Beispiel für die Umsetzung eines Schlüsselbegriffs benennen?

Mauer: Am Beispiel „Focus“ lässt sich das gut erklären. Bezogen auf das Interieur bedeutet Fokus, dass in einem Porsche-Sportwagen immer der Fahrer stark im Zentrum steht. Konkret: Alle für den Fahrer wichtigen Komponenten sind in seinem direkten Zugriff um ihn herum angeordnet. Mit dem sogenannten Curved Display gehen wir noch einen Schritt weiter: Durch das freischwebende Display-Element in einer für den Fahrer idealen, leicht gebogenen Form richten wir dieses zentrale Instrument noch konsequenter am Fahrer aus.  Zudem haben wir eine Art „Minimalmodus“ im Kombiinstrument geschaffen. Damit kann der Fahrer auf Wunsch nur die Elemente wählen, die für die Fahrt zwingend notwendig sind. Sozusagen die Fokussierung auf das absolut nötige.

Wie stark spielen international unterschiedliche Vorlieben und Trends im Designprozess eine Rolle?

Mauer: Generell bin ich der Meinung, dass auch hier die richtige Balance für eine stark etablierte Marke wie Porsche ganz entscheidend ist. Eine Marke mit prägnanter Identität lebt auch davon, nicht jeden Trend hinterher zu laufen. Manchmal ist es die bessere Strategie, nicht immer mit allen Themen der erste zu sein. Es geht darum, Trends und Einflüsse zu hinterfragen und kritisch zu prüfen, ob sie zur Marke passen. Nur so gelingt es uns, unsere einzigartige Identität langfristig zu sichern. Das gilt auch beim Blick in die Märkte. Ein Beispiel: Im asiatischen Raum spielen digitale Elemente im Auto eine sehr wichtige Rolle – das Design ist insgesamt aus europäischer Sicht verspielter. Was bedeutet das für Porsche? Die Konsequenz ist, dass wir uns diese Bedürfnisse sehr genau anschauen. Dennoch bin ich überzeugt, dass weltweit Porsche gerade wegen der klaren Marken-DNA mit langer Historie und dem – wie ich es nenne „konsistenten Lebenslauf“ – so beliebt ist.

Genau die richtige Balance zwischen „typisch Porsche“ und „innovativ“ zu finden, ist eine teils schwierige Aufgabe.

Besteht damit die Gefahr, vielleicht irgendwann als altmodisch und nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen zu werden?

Mauer: Ganz sicher! Genau die richtige Balance zwischen „typisch Porsche“ und „innovativ“ zu finden, ist eine teils schwierige Aufgabe. Dieser Herausforderung tragen wir auch strukturell Rechnung. Das Design eines Fahrzeugs stammt nie komplett aus der Feder eines einzelnen Designers. Design ist Teamwork und lebt stark vom Austausch verschiedener Ideen. Bei Porsche haben wir ganz bewusst den kreativen Freiraum geschaffen, fernab von der Arbeit an konkreten Modellen über zukünftige Ansätze und Ausprägungen einzelner Designelemente nachzudenken. So stellen wir sicher, dass unabhängig vom Serienprozess kreative Ideen entstehen können. Nicht selten fließen diese später tatsächlich in Serienfahrzeuge ein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zusammensetzung des Teams. Wir kombinieren bewusst sehr erfahrene Designer mit den „jungen Wilden“ – aus diesem Austausch entstehen meist super spannende Ansätze. Insgesamt beschäftigen wir rund 200 Designmitarbeiter.

Welchen Einfluss haben die neuen technischen Komponenten im Designprozess?

Mauer: Grundsätzlich sind die technischen Voraussetzungen des Autos immer ganz entscheidend. Das fängt bereits in einer sehr frühen Phase mit dem Packaging an – also mit der Anordnung verschiedener Komponenten im Auto. Das Packaging ist für die grundsätzliche Proportion entscheidend – die Porsche-typische Flyline wäre nicht mit jeder Anordnung umsetzbar. Der elektrische Antrieb bietet hier neue Freiheitsgrade und Herausforderungen zugleich: der Wegfall des massiven Motorblocks erlaubt uns eine stärkere Ausprägung der typischen Topografie auf der Fronthaube. Zugleich benötigt die nach wie vor recht massive Batterie viel Platz und würde ggf. das prägende Breiten-Höhenverhältnis stören. Natürlich spielt auch die Aerodynamik in Bezug auf die Reichweite bei einem elektrischen Sportwagen eine große Rolle. Grundsätzlich ist das für uns aber keine gänzlich unbekannte Situation: Neben einer neuen Antriebsform sind wir konstant mit Anforderungen konfrontiert, die unser Design beeinflussen. Beispiele sind gestiegen Crash-Anforderungen oder Einschränkungen in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit einzelner Elemente wie beispielsweise die Gestaltung von Front- und Heckleuchten.

Konkret auf den neuen, vollelektrische Macan bezogen: Wie wichtig ist die Visualisierung des elektrischen Antriebs im Design?

Mauer: Generell haben wir uns bei Porsche entschieden, die elektrischen Modelle formal nicht völlig von den Verbrenner-Sportwagen zu unterscheiden. Porsche bleibt Porsche – auch ein elektrischer Porsche ist der Sportwagen im Segment. Aus diesem Gedanken heraus ist es logisch, dass wir unsere etablierte Porsche Design-DNA nicht aufgeben. Ohne zu viel zu den Details zu verraten: Auch der neue, elektrische Macan ist auf den ersten Blick ganz klar als Porsche und als Macan zu erkennen. Ich würde sagen: Wir haben die Proportion, die den Sportwagen in diesem Segment für Porsche definiert, grundsätzlich beibehalten. Sowohl im Interieur als auch Exterieur ist das Design weiter geschärft – der neue wirkt noch sportlicher und dynamischer. Der Fahrspaß spiegelt sich definitiv im Design wider.


Text&Fotos: Porsche