McLaren F1

Es gibt nur wenige Sportwagen, die sich im Laufe der knapp 130 Jahre Automobilgeschichte einen legendären Stellenwert in selbiger verdient haben. Zu ihnen zählen der Bugatti Typ 35, der Bugatti Typ 57, der Mercedes-Benz 300 SL, der Ferrari 250 GTO, der Ferrari F40, der Bugatti Veyron – und der McLaren F1. Als dieses Fahrzeug Mitte der 1980er Jahre in die Entwicklung ging, war ein solcher Stellenwert keinesfalls absehbar. Im Gegenteil, außenstehende Experten erwarteten eher einen Flop, immerhin hatte McLaren bis dahin noch nie einen Sportwagen mit Straßenzulassung auf die Räder gestellt – von wenigen Exemplaren des M6 GT im Jahr 1969 einmal abgesehen. Beflügelt durch eine Erfolgswelle in der Formel 1 machte sich ein eigenes Entwicklungsteam rund um Gordon Murray an den Bau eines ungewöhnlichen Konzepts. Immerhin stand bereits sehr früh fest, dass der Fahrer für eine hervorragende Gewichtsverteilung mittig im Cockpit sitzen würde.

Durch diese eher ungewöhnliche Fahrerplatzierung bot sich die Möglichkeit an, gleich zwei Beifahrer im Cockpit unterzubringen. Deren Sitze befinden sich schräg nach hinten versetzt hinter dem Mittelsitz auf beiden Seiten. Als Grundlage dient ein Carbon-Monocoque inklusive Dachbereich, an dem neben Hilfsrahmen an Front und Heck auch die Karosserieteile befestigt werden. Die Türen öffnen wie Schmetterlingsflügel weit ins Dach. Vorn verbirgt eine kleine Klappe einige Service-Einfüllstutzen, einen Kenwood-CD-Player und das Bordwerkzeug. Im Heck gibt die verglaste Klappe den Weg zum Triebwerk frei und entriegelt geöffnet zudem eine weitere Serviceklappe dahinter. Kofferraum? Ja, gibt es, sogar zweifach. Beide sitzen hinter den Türen und kamen ab Werk mit einem fünfteiligen, maßgeschneiderten Gepäckset.

Gemeinsam mit der BMW Motorsport GmbH (heute BMW M GmbH) unter Leitung von Paul Rosche entstand ein 6,1 Liter großer V12-Saugmotor inklusive variabler Nockenwellenverstellung (VANOS) und Einzeldrosselklappen für den McLaren F1. Als Basis diente das Zwölfzylindertriebwerk aus dem 850 CSi, den BMW bereits ein wenig für den damals geplanten aber nie in Serie umgesetzten M8 weiterentwickelt hatte. Die Leistung in Höhe von 461 kW/627 PS ist bis heute ein Bestwert für nicht aufgeladene Motoren. Im Gegensatz zu anderen Herstellern plante McLaren den F1 ursprünglich als reines Straßenfahrzeug. Erst durch steigende Nachfragen der Kundschaft kooperierte man mit der britischen Firma Lanzante, um aus dem Straßensportler eine GT1-Variante für die GT-Meisterschaften zu machen. Der entsprechende GTR debütierte 1995, zwei Jahre nach dem Straßenauto, und gewann auf Anhieb die 24 Stunden von Le Mans.

Als Erinnerung an diesen eher unerwarteten Erfolg legte McLaren eine Sonderserie von fünf Exemplaren plus einem Prototypen auf, die auf den Namen F1 LM getauft wurde. Optisch zeichnete sich dieses Sondermodell durch Frontspoiler und Heckflügel im Stil des Rennfahrzeugs aus. An den Seiten kamen zusätzliche Lufteinlässe zum Einsatz. Da nur fünf Fahrzeuge entstanden und davon zwei schwarz lackierte Exemplare bis heute in der Sammlung des Sultan von Brunei verstauben, ist die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen durchaus als ‚hoch‘ einzustufen. McLaren reagierte darauf mit einem ab Ende der 1990er Jahre angebotenen Umbausatz, dem ‚High Downforce Kit‘ (HDF Kit), durch den normale Straßenversionen eine neue Frontschürze inklusive Spoilerlippe und einen fest montierten Heckflügel erhielten. Neun Kunden griffen zu, ein Fahrzeug wurde in der Zwischenzeit wieder auf den Originalzustand zurückgerüstet. Zudem rüstete Lanzante 13 der 28 gebauten GTR-Rennversionen für die Benutzung auf der Straße um.

Zwei der neun McLaren F1 mit dem nachträglichen HDF Kit erhielten zudem im Werk eine weitergehende Modifizierung des HDF Kit mit zusätzlichen Luftauslässen über den Vorderrädern und ein Motorenupgrade auf die Spezifikationen des F1 LM. BMW hatte diesem Wagen 507 kW/689 PS und ein maximales Drehmoment in Höhe von 705 Newtonmetern verpasst. Soviel Kraft stand nun also auch jenen beiden F1-Kunden zur Verfügung. Einer davon, lackiert in Platinsilber metallic, gehörte seit längerer Zeit einem Sammler in Neuseeland. Nun lässt er das Fahrzeug von RM Sotheby’s im Rahmen der Monterey Car Week versteigern.

Ursprünglich verließ dieser F1 im Farbton ‚Midnight Blue Pearl‘ mit schwarzem Leder innen das Werk in Woking und ging an einen Enthusiasten in Japan. 1999 kaufte ein Autosammler aus Deutschland das Fahrzeug, der es an MSO zurückschickte, um erste LM-Upgrades durchführen zu lassen. Ein Jahr später kehrte der F1 erneut ins Werk zurück und erhielt nun auch das HDF Kit, zwei zusätzlich Kühler, einen Getriebeölkühler und einen modifizierten Auspuff. Zudem bekam der Wagen eine leistungsstärkere Klimaanlage und ein zusätzliches Radio zum serienmäßigen CD-Player. Außen erfolgte eine Umlackierung auf den heute noch sichtbaren Farbton und innen eine neue Polsterung in beige. 2004 erfolgte ein Verkauf an einen Sammler in Singapur, der ihn drei Jahre später an den heutigen Besitzer weitergab. Nun sucht er gemeinsam mit RM Sotheby’s nach einem neuen Eigner, der zum bisherigen Kilometerstand knapp unter 21.500 weitere hinzufügt. RM Sotheby’s erwartet einen Zuschlagspreis zwischen 21 und 23 Millionen US-Dollar.

Bilder: RM Sotheby’s, Andrei Diomidov