Mercedes-Benz 500 TE AMG

Mercedes-AMG ist heute für Sportwagen- und Motorsport-Fans gleichermaßen ein Begriff. Dass beide Firmen einmal unabhängig voneinander agierten, ist inzwischen tatsächlich weniger bekannt. Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher hatten jeweils für einige Zeit bei Mercedes-Benz in der Entwicklungsabteilung gearbeitet und machten sich am 1. Juni 1967 in Großaspach selbstständig. Als Firmennamen wählte man eine Abkürzung, bestehend aus den ersten Buchstaben der Nachnamen und dem Anfangsbuchstaben des Firmensitzes, AMG. Neun Jahre nach der Gründung zog die Tuning- und Entwicklungsfirma nach Affalterbach um, wo sie bis heute beheimatet ist. Hauptsächlich veredelte man Fahrzeuge von Mercedes-Benz, streute jedoch in den 1980ern auch einige Projekte für andere Hersteller, unter anderem für Mitsubishi ein.

Einen guten Namen machte sich AMG schnell für Umbauten, die vom Werk selbst nicht durchgeführt wurden. So entstanden in Affalterbach luxuriös ausgestattete G-Klassen, als diese serienmäßig noch eher spartanisch ausgeführt waren und sich eher an Handwerker und Offroad-Fahrer richteten. Zudem baute man große Triebwerke in kleine Modelle. Ein gutes Beispiel dafür ist der hier gezeigte Mercedes-Benz 500 TE AMG, den RM Sotheby’s im April in Essen versteigern wird. Normalerweise war die größte Motorisierung der E-Klassen-Baureihe W123 ein Reihensechszylinder mit 2,7 Litern Hubraum mit 185 PS im 280 E. Hubraumseitig ging es sogar hoch bis auf drei Liter im Turbodiesel, der zu diesem Zeitpunkt jedoch nur maximal 125 PS leistete. Neben der Limousine und dem Coupé gab es auch erstmals ab Werk das T-Modell, einen schnittig gestalteten und zugleich praktischen Kombi. 1979 lief das hier gezeigte Auto vom Band und vermutlich anschließend direkt zu AMG. Da an dieser Stelle die Unterlagen fehlen, ist jedoch auch möglich, dass der Umbau erst in den USA beim Händler stattgefunden hat. Entsprechende Kits führte AMG damals im normalen Programm. Auf jeden Fall erhielt der schwarz lackierte Kombi eine umfangreiche Transplantation eines fünf Liter großen V8-Saugmotors vom Typ M117. Dieser Umbau kostete laut offiziellen Preislisten damals direkt bei AMG 65.000,- DM, zuzüglich Basisfahrzeug und weiterer Wunschausstattung. Experten gehen aufgrund dieses Preises davon aus, dass direkt bei AMG damals nur zwei Limousinen, zwei T-Modelle und ein Coupé in dieser Weise umgebaut wurden.

Wie beschrieben ist die exakte Geschichte dieses Fahrzeugs nicht mehr bekannt. 2013 entdeckte AMG-Experte und -Liebhaber Henric Nieminen aus Kalifornien/USA das Fahrzeug in einer Verkaufsanzeige und wurde hellhörig. Der Vorbesitzer wusste nichts über die Seltenheit seines Autos. Durch eine Abfrage erhielt Nieminen von Mercedes-Benz die Information, dass die Motornummer des hier verbauten M117 in den Produktionsbüchern nicht einer bestimmten Fahrgestellnummer zugeteilt wurde. Dafür zeigt das Triebwerk an die Peripherie der Baureihe 123 angepasste Ansaug- und Abgasrohre, Motorlager und einen sekundären Ölkühler. Zudem zeigt der Wagen den kompletten Karosserie-Umbausatz inklusive Motorschutz, hinterer Radaufhängung aus Aluguss und innen zeitlich passende Recaro-Sportsitze sowie die als ‚Taxi-Konsole‘ bekannte Instrumentenhutze zentral auf dem Armaturenbrett, jeweils mit farblich auf das Interieur abgestimmtem Lederbezug.

Da alle Bauteile aus dem Zeitraum rund um 1979 stammen, muss der Umbau entweder direkt erfolgt sein oder von einem Privatmann mit tiefer Kenntnis der Materie und vor allem Zugriff auf entsprechende Komponenten. Letzteres ist vergleichsweise unwahrscheinlich. Henric Nieminen frischte den Wagen behutsam optisch auf und fuhr ihn bis 2017. Kurz vor einem Verkauf an den Besitzer der Youngtimer Collection in der Schweiz hatte der 500 TE AMG einen kurzen Auftritt bei Top Gear USA. Bei RM Sotheby’s in Essen soll der Sportkombi nun einen Zuschlagspreis zwischen 60.000 und 70.000 € einbringen.

Bilder: RM Sotheby’s, Tom Wood