BMW Garmisch Concept

Marcello Gandini ist Autofans durchaus bekannt. Seine Design-Meisterwerke für Marken wie Alfa Romeo, Fiat, Lancia, Lamborghini oder Maserati haben Geschichte geschrieben. Von 1965 bis 1980 leitete er die Designabteilung bei Bertone, anschließend machte er sich selbstständig. Neben den diversen Serienfahrzeugen entstanden auch immer wieder sehenswerte Konzeptstudien wie der Alfa Romeo Carabo oder der Lancia Stratos Zero. Allerdings gibt es auch weniger bekannte Entwürfe, die den allermeisten Lesern vermutlich kein Begriff sind. Dazu zählt auch der BMW Garmisch, der 1970 auf dem Bertone-Stand während des Genfer Autosalons debütierte. Nach der Messe verliert sich die Spur des Unikats. Allerdings scheint der Einfluss dieser Konzeptstudie im Hause BMW groß genug gewesen zu sein, da man dort im Anschluss Marcello Gandini mit der Gestaltung des neuen Mittelklassemodells betraute, das im Sommer 1972 als erste 5er Reihe debütierte.

Bereits vorher hatte es diverse italienische Designentwürfe für BMW-Modelle gegeben. So gestaltete Touring mehrere Rennversionen des 328 für die Mille Miglia, Giorgetto Giugiaro war für den keilförmigen M1 und das vorherige Turbo Concept verantwortlich und Bertone zeichnete bereits in den 60ern den 3200 CS. Nuccio Bertone persönlich wollte die Verbindung zwischen BMW und seinem Haus festigen, indem er die Münchener auf dem Genfer Salon 1970 mit dem Garmisch überraschte. Es handelte sich um einen unabhängigen Designvorschlag ohne Auftrag, mit dem man kreative Potenziale aufzeigen wollte. „Wir wollten ein Mittelklasse-Coupé entwickeln, das einerseits der Formensprache von BMW treu blieb, andererseits aber auch etwas dynamischer herüberkam und sogar ein wenig provozierte“, erinnert sich Gandini. Viele glatte Flächen werden ergänzt durch interessante Details wie den einzigartigen Kühlergrill, die verglasten Scheinwerfer, die Lufteinlässe in den C-Säulen oder die wabenförmige Sonnenschutzblende an der Heckscheibe. Auch innen verpasste man dem Garmisch einen einzigartigen Look mit senkrecht verbautem Radio und einem großen Klappspiegel auf der Beifahrerseite. Den Namen für die Studie wählte man aufgrund der damals hohen Beliebtheit des Ski-Sports.

Durch das Verschwinden der Konzeptstudie war dieses einmalige Kapitel der Markengeschichte eigentlich abgeschlossen. Allerdings gab es jemanden, der sich damit nicht abfinden wollte: Adrian van Hooydonk, Senior Vice President der BMW-Designabteilung. Vor einigen Jahren entdeckte er eine verblichene Fotografie des Garmisch und begann mit der Nachforschung. Im werkseigenen Archiv fand er jedoch lediglich einige wenige weitere Bilder. Da Bertone als Karosseriebauer und Designbüro inzwischen nicht mehr existiert und das dortige Archiv in alle Winde zerstreut wurde, gibt es auch keinen Zugriff mehr auf eventuelle Zeichnungen oder Bilder aus der Konstruktionszeit. Dennoch entschloss sich van Hooydonk zu einem Nachbau der Studie, wofür er eigens im Sommer 2018 nach Turin reiste, um Marcello Gandini zu treffen. Der meint: „Als ich hörte, dass der BMW Garmisch nochmals gebaut werden soll, war ich zunächst etwas überrascht. Nun bin ich sehr froh, dass ich ein Teil dieses Projektes sein konnte und dass sich BMW dazu entschlossen hat, diese freudvolle Zeit noch einmal aufleben zu lassen. Nachdem ich das fertige Auto gesehen habe, fällt es mir schwer, es vom Original zu unterscheiden.“

Wie vor 50 Jahren entstand auch die Rekreation durch die Hände von begabten Karroseriekonstrukteuren in Turin auf der Basis eines BMW 2002. Da jedoch wie beschrieben kaum noch Originalvorlagen vorhanden waren, musste zuvor ein eigens ins Leben gerufenes Team aus Mitarbeitern von BMW Classic und von BMW Group Design tätig werden, um alle Exterieur- und Interieur-Details aus den wenigen vorhandenen Bildern abzuleiten und so aufzubereiten, dass ein Nachbau möglich wurde. Dabei wurden sie durch Marcello Gandini unterstützt, der seine Erinnerungen mit einbrachte, beispielsweise beim Lackfarbton oder den Materialien im Innenraum. Nun wurde das fertiggestellte neue alte Einzelstück im Rahmen des Concorso d’Eleganza an der Villa d’Este der Öffentlichkeit vorgestellt. In Zukunft wird es bei verschiedenen Klassikerveranstaltungen und immer mal wieder im BMW Museum in München zu sehen sein.

Bilder: BMW