40 Jahre Renault 5 Turbo

Aus der heutigen Autowelt sind Turbolader nicht mehr wegzudenken. Dass diese Bauteile noch vor 50 Jahren überhaupt keine Rolle im PKW spielten und anschließend ausschließlich zur Leistungssteigerung in Sportwagen eingesetzt wurden, scheint beinahe in Vergessenheit geraten zu sein. Einzig Saab in Schweden verbaute Turbos zur Effizienzverbesserung, während Porsche erst die Can-Am-Serie nach Belieben beherrschte und anschließend das neue Topmodell 911 Turbo zu den Händlern brachte. Auf dem Genfer Autosalon 1980 stellte auch Renault ein erstes Fahrzeug mit Turbomotor vor. Erstaunlicherweise beließ man es dabei jedoch nicht einfach bei einem neuen Triebwerk in vergleichsweise bekannter Hülle. Gemeinsam mit Alpine entstand ab 1977 in Dieppe eine neue Mittelmotorplattform, die anschließend mit einer Karosserie verkleidet wurde, die durch ihre grobe Form und die Leuchten an den Renault 5 erinnern sollte. Allerdings sorgten breit ausgestellte Kotflügel für einen deutlich sportlicheren Eindruck.

In Mittelmotorlage vor der Hinterachse verbauten die Renault-Ingenieure einen Vierzylindergraugussmotor mit Aluminium-Zylinderkopf sowie 118 kW/160 PS und 210 Newtonmetern Drehmoment aus 1,4 Litern Hubraum. Diese Leistung erzielte man durch die Aufladung mit einem Garrett-Turbolader, der 0,85 bar Ladedruck bereitstellte. Damit ging es in 6,9 Sekunden auf Tempo 100 und weiter auf bis zu 205 km/h. Mehr erlaubte die Aerodynamik nicht. Eine K-Jetronic von Bosch sorgte für die Gemischaufbereitung und das Fünfgang-Getriebe aus dem Renault 30 TX für die Kraftübertragung auf die Hinterachse. Doppelte Querlenkeraufhängungen rundum, vorn mit Torsionsfeder und hinten mit Schraubenfedern, stammten mit geringen Modifikationen vom normalen Renault 5 Alpine und sorgten für die Führung der Michelin-TRX-Reifen mit 195 Millimetern Breite vorn und 220 Millimetern Breite hinten. Im Innenraum blieb durch das Triebwerk nur noch Platz für zwei Sitze. Dort, wo sonst die Rückbank oder der Kofferraum eines Renault 5 zu finden wären, befindet sich eine hoch aufragende Verkleidung. Bertone steuerte ein speziell gestaltetes Armaturenbrett mit zehn Rundinstrumenten und besondere Sportsitze bei. Passend zum Charakter der Zeit erhielten diese häufig eine auffällige Kontrastfarbe zur Karosserie, die es ausschließlich in Rot oder Blau gab. Unter der vorderen Haube findet sich das Ersatzrad.

Für die Gestaltung des Renault 5 Turbo zeichnete Marcello Gandini bei Bertone verantwortlich. Die Seitenwände der Rohkarosserie stammten prinzipiell vom normalen dreitürigen Renault 5, erhielten jedoch an diversen Stellen dünneres Stahlblech zur Gewichtserleichterung. Hinzu kamen das Dach, die Türen und die Heckklappe aus Aluminium sowie die vordere Haube, die breiten Kotflügel rundherum, die Schweller und die Stoßstangen aus Polyester-Kunststoff. Aus gehärtetem Polyurethanschaum stellte man zudem die Dachrinneneinfassungen und den Dachkantenspoiler her. Diverse Kunststoffteile hatten bewusst einen leicht helleren Farbton im Vergleich zur Karosserie. In die hinteren Kotflügelverbreiterungen integrierte man Luftein- und -auslässe für die Öl- und Wasserkühler. Im Vergleich zum normalen Renault 5 sorgten diese Anbauteile für 22 Zentimeter mehr Breite und den Spitznamen ‚Backenturbo‘. Während ein R5-Grundmodell weniger als 10.000 DM kostete, belief sich der Grundpreis für einen Renault 5 Turbo auf 44.600 DM. Zwischen Juli 1980 und Ende 1982 entstanden 1.690 Exemplare. Ursprünglich wollte Renault lediglich 400 Stück herstellen, um die Regularien der Gruppe 4 für die Rallye Weltmeisterschaft zu erfüllen. Auf die erste Serie folgte jedoch ab 1983 der Renault 5 Turbo 2, da es weiterhin eine hohe Nachfrage seitens der Kundschaft gab. Mit dem Interieur des normalen Renault 5 Alpine, dem Stahldach und der Stahlheckklappe aus der Serienfertigung sowie schwarzen Kunststoffteilen und neuen Karosseriefarben stand der Turbo 2 bis 1986 in den Preislisten und lief 3.180-mal vom Band.

Den eigentlichen Grund für die Entwicklung dieses wilden Mittelmotor-Kompaktwagens findet man in einem Nebensatz weiter oben: Renault brauchte ein neues Einsatzfahrzeug für den Rallyesport. Ab 1981 konnten die Franzosen den Breitbau-R5 offiziell nutzen, wobei man anfänglich noch nach den Regularien der Gruppe 4 und ab 1982 nach jenen der neuen Gruppe B startete. Durch den Hubraum von 1,4 Litern und den Turbofaktor von 1,4 gruppierte man den Wagen dabei von Seiten der FIA in die Klasse bis zwei Liter Hubraum und nicht in die größere Klasse mit dem Audi quattro oder dem Peugeot 205 Turbo 16 ein. Trotzdem gewann das Werksteam die WM-Läufe in Monte Carlo 1981 sowie in Korsika 1982 und 1985, jeweils mit Jean Ragnotti hinter dem Steuer. Diverse Privatteams und -fahrer nutzten den Renault 5 Turbo in verschiedenen Ausbaustufen ebenfalls im Rallyesport. Die letzte Ausbaustufe war dabei der 1985 auf dem Genfer Autosalon vorgestellte Maxi 5 Turbo Evolution, von dem 200 Exemplare für die Gruppe B mit breiteren Reifen, Zusatzleuchten an der Frontpartie und diversen Detailverbesserungen entstanden sind. Für Privatkunden wurde ein Motor mit 1,43 Litern Hubraum verbaut, die Werksrallyeautos holten schließlich bis zu 408 PS aus 1,59 Litern Hubraum. Zudem gab es zwischen 1981 und 1984 den Elf Renault 5 Turbo Europacup im Rundstreckensport, ausgetragen teilweise im Rahmenprogramm der europäischen Formel-1-Rennen. Gastfahrer wie Walter Röhrl oder Jan Lammers sorgten dabei ebenso für Begeisterung unter den Zuschauern, wie die wilden Rennen des Stammfeldes.

Gut erhaltene Straßenfahrzeuge sind heute nicht mehr unter 70.000 € erhältlich. Für originale Rallyeautos darf man noch deutlich tiefer in die Tasche greifen. Rennautos aus dem Cup gibt es selten auf dem Markt. Sollte Ihnen dabei jemand ein ‚unfallfreies‘ Fahrzeug anbieten wollen, ist reichlich Skepsis anzuraten. Warum? Suchen Sie doch einfach mal in YouTube nach dem Elf Renault 5 Turbo Europacup.

Bilder: Renault