Kein Platz für Schnick Schnack! – Mit dem Porsche 911 ST in Süditalien.

Porsche feierte im letzten Jahr sein 75-jähriges Bestehen und beschenkte sich sowie 1963 Kunden mit dem Porsche 911 ST. Und das auch noch pünktlich zum 60. Geburtstag des 911er. Zufälle gibts! Der 992 ST soll diese langjährige Historie verkörpern und neue Maßstäbe in Sachen Performance und Technologie setzen. Im italienischen Kalabrien werfen wir einen genaueren Blick auf das Meisterwerk aus Zuffenhausen und enthüllen, was das leichteste Modell der 992 Baureihe so besonders macht.

GT3 Touring + GT3 RS = ST ?

Ganz so leicht ist es zwar nicht, dennoch entschied man sich in Zuffenhausen die Stärken des 911 GT3 Touring und die des GT3 RS zu kombinieren und dem Ergebnis das Kürzel ST zu verpassen. Zu aller Erst ist da der Motor. Im ST steckt nämlich der Hochdrehzahl-Sechszylinder Saugmotor aus dem 911 GT3 RS mit seinen 525 PS. Schritt 2 auf der Agenda war nicht weniger wichtig und beschäftigt sich mit Leichtbau. Die Dämmung wird anteilig reduziert, die Fenster bestehen aus Dünnglas, und die Türöffner im Innenraum werden auf Schlaufen reduziert. Die Verwendung eines Lithium-Ionen-Akkus „Track“ mit einer Kapazität von 40 Ah und einem Gewicht von nur 9,5 Kilogramm erinnert an die leichte Starterbatterie des legendären 911 Carrera RS 2.7 von 1972. Die leichten CfK-Türen kommen vom 911 GT3 RS, der Frontdeckel vom 911 GT3 Touring.

Andreas Preuninger, Leiter Porsche GT-Fahrzeuge, betont die entscheidende Bedeutung des Gewichts für das Fahrgefühl des 911 ST. Jedes gesparte Gramm ermöglicht nicht nur eine schnellere Beschleunigung, sondern beeinflusst auch das Bremsverhalten und die Lenkpräzision. Der neue 911 ST bringt somit ein Gesamtgewicht von 1380 Kilogramm auf die Waage und ist damit der leichteste Elfer der 992 Baureihe.

Porsche hat sich darüber hinaus intensiv auf die Reduzierung der rotierenden Massen rund um den Boxermotor konzentriert. Die Einführung einer Leichtbaukupplung nach dem Zweischeiben-Prinzip und die Verwendung eines Einmassenschwungrads tragen nicht nur zur Gewichtsreduktion um 10,5 Kilogramm bei, sondern verbessern auch das Ansprechverhalten des Fahrzeugs. Das Sechsgang-Handschaltgetriebe sorgt für ein unvergleichlich aktives und begeisterndes Fahrerlebnis.

„Die Hinterachslenkung wurde als Schnick-Schnack abgestempelt und flog beim ST raus, das Ergebnis: Minus 6,5 Kilogramm und die Möglichkeit des Einsatzes einer Lithium-Ionen-Batterie, was weitere 3,5 Kilo subtrahiert.“ 

La dolce vita mit einem Schuss Sternrubin

In den kurvigen Bergstraßen Kalabriens offenbart der Porsche 911 ST in seiner auffälligen und zugleich dezenten Außenfarbe (Ja, das ist möglich!) seine wahre Bestimmung. Jede noch so kleine Betätigung des Gaspedals wird am Drehzahlmesser sichtbar und ohne Verzögerung in Vortrieb verwandelt. Die verbaute Leichtbaukupplung sowie die Verwendung eines Einmassenschwungrads tragen nicht nur zur Gewichtsreduktion von 10,5 Kilogramm bei, sondern auch zu jenem, überwältigenden Ansprechverhalten. All das gepaart mit dem 6-Gang Handschaltgetriebe – beeindruckender kann Elfer fahren nicht sein. Das steht bereits auf den ersten paar Kilometer fest.

Der Saugmotor des Porsche 911 S/T verlangt nach einer speziellen Art der Bewunderung. Wenn er bis zu 9000 U/min hochdreht, entfesselt er die volle Power seiner 525 Pferdestärken. Auf dem Weg zu den 9000 bietet der ST ein ganzes Orchester im Heck des Fahrzeugs. Wenn die Klänge nahezu ungedämpft aus dem zweiflutigem Instrument in unsere Ohren dringt macht sich bei uns Gänsehaut am ganzen Körper erkennbar. Klingt kitschig – war aber so.

In gerade einmal 3,7 Sekunden ist Landstraßentempo erreicht, ohne jegliches Leistungsloch. Elektroautos mögen diesen Wert vielleicht mühelos erreichen, doch das Gefühl, das der S/T und andere Boxermotoren vermitteln, bleibt unerreicht und beflügelt nachhaltig. Das adaptive Fahrwerk trägt ebenfalls zu diesem beeindruckenden Fahrgefühl bei. Es reagiert gleichermaßen feinfühlig und präzise auf dem rauen südländischen Fahrbahnbelag. Schluss ist beim ST erst bei 300 km/h, an jenem Tag in Kalabrien denken wir aber nicht eine Sekunde daran, zu hoch ist der Drang die nächste Kurve zu erleben – kurz davor runter zu schalten, ein zu lenken und den Saugmotor aus dem Kurvenausgang schreien zu hören. Deutsche Autobahnen befinden sich irgendwo ganz weit hinten im Hippocampus unserer Köpfe.

Die Namensgebung des neuen 911 S/T ist eine Hommage an eine besonders sportliche Version der ersten 911-Generation. Der 911 S wurde ab 1969 in einer speziellen Wettbewerbsausführung angeboten, intern als 911 ST bekannt. Im Gegensatz zu den heutigen GT-Modellen setzte man damals noch nicht auf große Spoiler oder andere aerodynamische Verbesserungen. Diese Fahrzeuge konzentrierten sich auf Modifikationen an Fahrwerk, Rädern, Motor und Karosserie, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Der neue 911 S/T holt den Geist des ursprünglichen 911 S (ST) ins 21. Jahrhundert, indem er Elemente des 911 GT3 RS mit der Karosserie des 911 GT3 kombiniert und um exklusive Bauteile ergänzt.

Der 911 ST ist ein Auto für Connaisseure, für genau jene die sich nichts aus puren Zahlen machen und am liebsten in den Bergen oder auf Landstraßen unterwegs sind. Die 1.963 Stück des 911 S/T, die zum Einstiegspreis von 292.000 Euro zu erwerben waren, sind längst ausverkauft. Nur die Zeit wird zeigen, in welche Höhe die Preise auf dem Gebrauchtmarkt steigen werden.


Porsche 911 ST

Motor: 6-Zylinder-Boxer Saugmotor, 3.996 ccm
Leistung: 525 PS @ 8,500 rpm
Gewicht: 1380 Kilogramm
Beschleunigung: 0-100 km/h in 3.7 s
V-Max: 300 km/h