Jaguar C-X75

Zum 75-jährigen Markenjubiläum präsentierte Jaguar 2010 auf dem Pariser Autosalon ein Fahrzeug, mit dem selbst Kenner und Experten nicht gerechnet hatten: Das C-X75 Concept. Optisch durch das Designteam rund um Ian Callum klar wie ein Mittelmotor-Supersportwagen gezeichnet, handelte es sich in der ursprünglichen Version um ein Auto mit besonderem Hybridantriebskonzept. Vier Radnaben-Elektromotoren trieben das Fahrzeug an und brachten es gemeinsam auf damals nahezu unglaubliche 572 kW/778 PS und ein maximales Drehmoment in Höhe von 2.140 Newtonmetern. Die notwendigen Lithium-Ionen-Akkus mit 15 kWh Kapazität saßen im Fahrzeugboden und wogen 185 Kilogramm. Um die rein elektrische Reichweite des Sportwagens von rund 113 Kilometern deutlich zu erhöhen überlegte Jaguar an einem besonderen Range Extender. Anstatt, wie andere Hersteller vorher und anschließend, einen klassischen Verbrennungsmotor zu verwenden, nutzte man zwei Mikroturbinen von der Firma Bladon Jets, die mit Dieselkraftstoff angetrieben wurden. Ursprünglich sollte der C-X75 als reiner Ausblick auf mögliche Zukunftstechnologien und zugleich als Geschenk zum Jubiläum dienen.

Was Jaguar jedoch nicht vorhergesehen hatte, war die Publikumsreaktion auf diesen Sportwagen. Diverse Autosammler aus aller Welt traten auf der Messe an die Mitarbeiter heran oder schickten per Post und eMail ihre Kaufabsichten für eine Serienversion des C-X75. Zur gleichen Zeit arbeitete Porsche am 918 Spyder, der als Konzeptstudie auf dem Genfer Salon 2010 debütierte. Zudem gab es Gerüchte über einen neuen Supersportwagen von Ferrari und auch bei McLaren vermuteten Experten ein kräftigeres Auto oberhalb des gerade erst präsentierten MP4-12C in der Pipeline. Es war also eine gute Zeit, um ein solches, möglicherweise streng limitiertes Fahrzeugkonzept auf den Weg zu bringen. Somit überraschte es nicht, dass Jaguar im Mai 2011 eine Kleinserienfertigung von 250 Exemplaren des C-X75 für 2013 in Aussicht stellte. Anstelle des Turbinen-Hybridantriebs sollte es einen klassischen Vierzylinder-Benzinmotor mit Turboaufladung in Kombination mit je einem Elektromotor vorn und hinten geben. Für die Entwicklung in ein Serienfahrzeug schloss man einen Kooperationsvertrag mit Williams Advanced Engineering, einer Tochterfirma des bekannten Formel-1-Teams.

Bereits seit 2007 gab es eine Wirtschaftskrise, die letztlich Ende 2012 zum Abbruch des Projektes C-X75 führte. Die fünf bereits relativ weit entwickelten Prototypen wurden noch auf einigen Auto-Veranstaltungen wie beispielsweise beim Oldtimer Grand Prix am Nürburgring 2013 gezeigt, verschwanden aber ansonsten im Fahrzeugdepot von Jaguar Land Rover und Williams. Ende 2014 erhielt man allerdings eine Anfrage vom Filmstudio der ‚James Bond‘-Agentenfilme, Eon Productions, die ein passendes Gegenstück zum eigens für den 24. Film ‚Spectre‘ bei Aston Martin für Daniel Craig als James Bond entstandenen DB10 suchten. Sie bestellten vom C-X75 vier Stuntfahrzeuge und drei ‚Hero Cars‘, wie beim Film die vollwertigen Autos inklusive Interieur genannt werden, von denen auch Innenraumaufnahmen mit den entsprechenden Schauspielern gemacht werden können. Da die geplante Filmsequenz mit einer Verfolgungsjagd zwischen Bond im DB10 und seinem Gegenspieler Mr Hinx, gespielt durch Dave Bautista, im nächtlichen Rom stattfinden sollte, lackierte man die Fahrzeuge in einem kräftigen Orange, wobei dieser Prozess offensichtlich schnell gehen musste. Zumindest am Auto mit der Fahrgestellnummer WAEJLRB24001 (JLR für Jaguar Land Rover, B24 für Bond 24) sind rund um die Logos noch blaue Spuren der vorherigen Lackfarbe sichtbar.

Genau dieses Auto kommt nun bei RM Sotheby’s am 30. November in Abu Dhabi unter den Hammer. Es ist eines von fünf fahrtauglichen Exemplaren aus der Serie von sieben Filmautos, die bei Williams Advanced Engineering entstanden sind. Sie ähneln zwar alle auf den ersten Blick dem 2010er Konzeptfahrzeug, basieren aber auf einem Gitterrohrrahmen und erhielten als einzige Antriebsquelle den fünf Liter großen V8-Kompressormotor von Jaguar mit 550 PS aus dem F-Type SVR, allerdings umgebaut auf Trockensumpfschmierung. Hinzu kam ein sequenzielles Sechsgang-Getriebe von Ricardo, wie es auch in einigen GT3-Rennfahrzeugen Verwendung findet sowie Fahrwerkskomponenten aus der Porsche 911 (997) GT3 Rallyeversion, um die bei den Dreharbeiten geforderten Fahrmanöver zu überstehen. In der Verfolgungsjagd sollte es quer durch die Innenstadt von Rom gehen, wobei einige Bordsteinkanten überfahren wurden, ehe schließlich am Ufer des Tiber das dramatische Finale nahte. Nummer 001 diente als sogenanntes ‚Pod Car‘, wurde also mit einem Überrollkäfig und einem Fahrerplatz auf dem Dach ausgerüstet, um den Schauspieler durch die Windschutzscheibe hindurch filmen zu können, ohne dass dieser das Auto wirklich fahren musste. Im Gegensatz zu anderen Filmfahrzeugen überlebten alle vier Stuntautos des Jaguar C-X75 die Bond-Dreharbeiten und wurden anschließend bei Williams umfangreich restauriert. Anschließend nutzte man diese Autos für die Promotion des Kinofilms. Der damalige Williams-F1-Fahrer Felipe Massa fuhr mit Nummer 001 im Vorfeld des Grand Prix von Mexiko 2015 über die Rennstrecke. Im Mai 2016 konnte der aktuelle Besitzer, ein britischer Autosammler, den C-X75 von Jaguar erwerben. Nun bietet er ihn über RM Sotheby’s an und hofft auf ein gutes neues Zuhause bei einem James-Bond- und/oder Jaguar-Fan. Zum erwarteten Zuschlagspreis machte das Auktionshaus noch keine Angaben.

Bilder: RM Sotheby’s, Amy Shore, Mark Fagelson