Hongqi CA770

In den letzten rund 15 Jahren konnte man in Automagazinen immer wieder von neuen Automarken aus China lesen. Wie die frühe Geschichte auf diesem Gebiet aussieht, ist jedoch nur wenigen Experten bekannt. Einige Autofans erinnern sich eventuell noch daran, dass Volkswagen ab Mitte der 1980er Jahre erste Kooperationen in China aufbaute. Mit der Shanghai Volkswagen Automotive Co. Ltd. (heute SAIC Volkswagen Automotive Co. Ltd.) ab 1984 sowie der FAW-Volkswagen Automotive Co. Ltd. ab 1991 entstanden gleich zwei Standbeine, um die Menschen im Reich der Mitte zu mobilisieren. In diesem Satz steckt bereits viel Erkenntnis über die Zeit vor 1984. Automobile gehörten in China zu den absoluten Raritäten im Straßenbild. Einzig Regierungsgrößen und wenige große Unternehmer konnten sich eines leisten, die restliche Bevölkerung nutzte Fahrräder, Rikschas oder Ochsenwagen. Erstaunlich, wenn man die vielen Errungenschaften bedenkt, die aus China in die Welt getragen wurden.

Geschichte Chinas verantwortlich für wenig Autos im Land

Immerhin erfanden Chinesen das Schwarzpulver, das Papier und den Regenschirm. Doch beim Thema Automobil ließ man sich überraschend viel Zeit. Dies liegt zu einem Teil auch an der politischen Entwicklung des riesigen Landes. Bis 1911 hielt die Qing-Dynastie chinesischer Kaiser an, bis der letzte Kaiser Puyi gestürzt wurde. Es folgte ab 1912 die Republik China. Abgesehen von einem kurzen Versuch, das Kaiserreich neu aufzurichten (1915/16) sowie der Zeit als Marionettenregierungsstaat unter japanischer Führung (1940 bis 1945) hielt diese Republik bis zur Ausrufung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es zwar vereinzelte Autos im Land, jedoch überwiegend für repräsentative Regierungszwecke oder als Krankentransporter. Die neue Regierung der Volksrepublik war jedoch mit den ZIS 110 Limousinen aus sowjetischer Produktion nicht zufrieden. Man beauftragte daher einheimische Ingenieure mit der Entwicklung einer eigenen Luxuslimousine, die der Welt aufzeigen sollte, was in China möglich ist.

Es begann mit einem Zwitter-Nachbau

Eine im Zweiten Weltkrieg genutzte Waffenfabrik in Changchun wurde für diesen Zweck 1953 komplett renoviert. Unter dem Namen „Diyi Qiche Zhizao Chang“ gestartet übersetzte man den Namen bald auf englisch: „First Auto Works“ (FAW). Als die Renovierungsarbeiten 1956 abgeschlossen waren, lief anfänglich ein Viertonnen-Lastwagen namens Jiefang CA10 vom Band, bei dem es sich um eine Lizenzproduktion des russischen ZIS-151 handelte. Hierfür hatte die sowjetrussische Regierung technische Unterstützung geleistet und Werkzeuge geliefert. Zudem sorgten sowjetische Aufseher für einen halbwegs reibungslosen Produktionsanlauf und die Ausbildung der ersten FAW-Arbeiter. Als diese Arbeiten erledigt waren, kümmerte man sich erstmals um ein Auto. Hierzu erwarb man einen 1956er Simca Vedette sowie einen Mercedes-Benz 190. 1958 debütierte das Mittelklassemodell Dongfeng mit einer sehr ähnlichen Karosserie wie beim Simca und einer Kopie des deutschen Motors. Rund 30 Exemplare entstanden in Handarbeit.

CA72 war die erste chinesische Luxuslimousine

Mit den Erfahrungen vom Lastwagenbau und der Dongfeng Limousine wandte man sich der vom Staat gewünschten Luxuslimousine zu. Nach weniger als einem Monat Arbeit präsentierte FAW den ersten Hongqi (Rote Flagge) Prototyp im August 1958 vor oberen Regierungsbeamten. Unter der Haube werkelte ein V8-Triebwerk mit rund 200 PS, das die sechssitzige, schwarz lackierte Limousine bis zu 185 km/h schnell machen sollte. Zudem hatte man ein hydraulisch betätigtes Automatikgetriebe, elektrische Fensterheber und eine hochwertige Geräuschisolation eingebaut. An Armaturenbrett und Türverkleidungen kam duftendes Mahagoni-Holz zum Einsatz. Insgesamt entstanden fünf Prototypen, die jeweils im Vergleich zum Vorgänger Verbesserungen erhielten. Von außen entsprach der Wagen in vielen Details damaligen US-Fahrzeugen wie dem Chrysler Imperial. Allerdings integrierte FAW gegenläufig öffnende Türen vorn und hinten.

CA770 entstand von 1966 bis 1981

Im November 1959 zeigte man den produktionsreifen CA72 erstmals öffentlich. Mit nur wenigen Veränderungen blieb er bis 1965 in Produktion. Bis dahin entstanden 202 Exemplare inklusive vier Cabrio-Limousinen als „Inspektionsfahrzeuge“. Es dauerte bis zum April 1966, ehe ein größeres Nachfolgemodell, der CA770, fertig entwickelt war. Der Radstand wuchs von 3,39 auf 3.72 Meter, die Außenlänge von 5,73 auf 5,98 Meter. Auf diese Weise konnte FAW zwischen der Rückbank und den Vordersitzen zwei im Boden versenkbare Notsitze integrieren. Außen gestaltete man die Karosserie etwas moderner und sachlicher, aber immer noch mit unverkennbarem Einfluss von US-Design. Als Antrieb fungierte weiterhin der 5,6 Liter große V8-Motor aus dem CA72, dessen technische Prinzipien Gerüchten zufolge auf Konstruktionszeichnungen von Chrysler zurückgingen. Bis 1981 entstanden 847 Exemplare inklusive den wenigen Vollcabriolets (CA770J), Landaulets (CA770TJ), Kombis (CA770L), Pickups und Krankenwagen (CA770H). Die Blackhawk Collection in den USA bietet aktuell das Auto aus unseren Fotogalerien zum Verkauf an.

Bilder: Blackhawk Collection, Steve Natale Photography