Hans-Joachim Stuck und der Porsche 962 C

Wenn es ein Rennauto im Leben von Hans-Joachim Stuck gab, das ihm besonders am Herzen liegt, dann wohl den Porsche 962 C. „Strietzel“, wie ihn Fans und Freunde gerne nennen, begann seine Karriere bei kleineren Rennveranstaltungen Ende der 1960er Jahre. Über Erfolge mit Touren- und Sportwagen sowie in der Formel 2 führte ihn der Weg bis in die Formel 1, wo er von 1974 bis 1979 für Hinterbänklerteams an den Start ging. Deutlich wohler fühlte er sich hingegen in geschlossenen Autos. So gewann er unter anderem dreimal (1970, 1998 und 2004) das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. 1972 wurde er mit Ford Tourenwagen-Europameister. Sieben Jahre später belegte er den zweiten Gesamtplatz in der Procar-Serie mit dem BMW M1. Ab 1980 stand er bei Porsche unter Vertrag und entwickelte maßgeblich den 956 sowie dessen Evolutionsstufe 962 C mit. Es folgten erfolgreiche Zeiten bei Audi (1988 bis 1995), Opel (1996), Porsche (1996 bis 1997), BMW (1998 bis 2007) und VW (2008 bis 2011).

Stuck fuhr die meisten Testkilometer

Doch zurück in die 1980er Jahre und zum Porsche 956 und 962 C. Das Porsche-Werksteam hatte die Regularien der Gruppe C bis in die kleinsten Details hinein gelesen und verinnerlicht. Dadurch war man in der Lage, das wohl erfolgreichste Rennauto dieser Ära zu bauen. In der Sportwagen-Weltmeisterschaft und einigen nationalen Meisterschaften war gegen den am Entwicklungsstützpunkt Weissach entstandenen Wagen kein Kraut gewachsen. Hilfreich war dabei ohne Zweifel die Möglichkeit, die Fahrzeuge direkt vor der eigenen Werkshalle auf der Einfahrbahn zu testen. Damit konnte man sämtliche Probleme mit neu entwickelten Bauteilen schnell erkennen und abstellen. Da Derek Bell, Al Holbert und Jochen Mass als weitere Werksfahrer weit entfernt wohnten, fiel Hans-Joachim Stuck die Ehre zu, die allermeisten Testkilometer auf dem 956 und 962 C abzureißen. Einige davon fanden tatsächlich unbeobachtet statt.

Supercup-Siegerauto von 1987 restauriert

„Es kam durchaus vor, dass die Mannschaft mir gegen 16:00 Uhr den Tank nochmal vollgemacht hat. Dann hieß es: „Fahr, solange es geht. Notier alles Wichtige, wir sind dann mal im Feierabend.“ Und dann waren die weg, genauso wie die Streckensicherung. Ich hab dann meine Runden gedreht, das Auto in die Halle gestellt, Rolltor zu und bin heimgefahren“, berichtet Strietzel im Rückblick. Durch seine enorme Erfahrung und die vielen Runden kannte er diesen Porsche-Rennwagen besser als jeder andere. Dies kam ihm bei schwierigen Rennen zugute. Er gewann 1986 und 1987 sowohl das 24-Stunden-Rennen in Le Mans als auch die Gesamtwertung im deutschen ADAC Würth Supercup. Hinzu kamen Siege 1986 und 1988 bei den 12 Stunden von Sebring. Sein Siegerauto des ADAC Würth Supercup 1987 erhielt in den letzten anderthalb Jahren eine umfangreiche Restaurierung durch das Team vom Porsche Museum.

Fahrzeug diente ab 1988 als Testauto

Alles begann mit der Betrachtung des Ist-Zustands des seit über 30 Jahren eingelagerten Fahrzeugs durch den ehemaligen Rennleiter Norbert Singer, Rob Powell (für die Shell-Livery damals verantwortlich) sowie die Techniker Armin Burger und Traugott Brecht. Es handelt sich dabei um jenen 962 C, mit dem Porsche erstmals unter Wettbewerbsbedingungen das Doppelkupplungsgetriebe (PDK) erprobten. Dieses hatte man zwei Jahre zuvor bereits Audi für den Sport quattro S1/E2 zur Verfügung gestellt. Zum zweiten Rennen der Saison 1986 konnte man Shell als Hauptsponsor für das Stuck-Auto gewinnen und veränderte entsprechend das Design. Die sogenannte Livery, wie komplette Farbanpassungen an einen Hauptsponsor genannt werden, wechselte auf die Farben Rot, Gelb und Schwarz. Diese behielt man auch für die Saison 1987 bei, in der Strietzel seinen Titel verteidigen konnte. Das Auto diente anschließend als Aerodynamiktestwagen und als Referenzauto der Werkssammlung.

Früherer Designer replizierte die Livery

Armin Burger und Traugott Brecht machten sich nach der Sichtprüfung an die Zerlegung und den Rückbau des 962 C, um den Stand von 1987 wieder herzustellen. Dazu mussten diverse Komponenten vom Team der Motorsportwerkstatt aufwändig nachgebaut werden. Im Laufe der Entwicklungseinsätze hatte der Wagen einen anderen Unterboden und anders positionierte Kühler erhalten. Diese Modifikationen nahm man ebenso zurück, wie jene an der Karosserie. Neue Zylinderköpfe entstanden in der hauseigenen Gießerei. Als der Wagen schließlich in unschuldigem Weiß vorlackiert war, rückte Rob Powell wie vor rund 35 Jahren mit Schablonen und verschiedenen Klebebändern an. Er markierte die Umrisse der unterschiedlichen Farbflächen, um den Lackierern die Arbeit zu erleichtern. Nach passenden Abklebearbeiten folgten die Farben Rot, Gelb und Schwarz wie einst und schließlich die an den korrekten Positionen angebrachten Sponsorenlogos.

Strietzel Stuck wurde überrascht

Hans-Joachim Stuck ahnte indes nichts von diesen Arbeiten. Ihn überraschte Porsche erst nachdem der 962 C wieder im alten Glanz bereitstand. Und das gleich doppelt, denn neben dem Auto hatte man auch seinen alten Rennanzug von 1987 zu einem Termin auf der Einfahrbahn in Weissach mitgebracht. Stuck passte tatsächlich noch hinein und zog umgehend auch seinen berühmten blauen Rennhelm mit den weißen Sternen auf. Mit lausbübischem Grinsen schwang er sich ins Cockpit und unterzog den Porsche einigen ersten Runden. Einige Tage später konnten Fans das Auto während der virtuellen Porsche Sound Nacht erleben. Für 2022 sind bereits diverse Einsätze anlässlich des bevorstehenden Jubiläums „40 Jahre Gruppe C“ geplant, bei denen der 962 C stehend und fahrend zu sehen sein wird. Natürlich mit Hans-Joachim Stuck am Steuer.

Bilder: Porsche