Ford RS200

Die frühen 1980er Jahre waren für den Rallye-Sport die Zeit der wohl größten Umbrüche. Bis in die späten 70er hinein galten allein hochdrehende Saugmotoren und Hinterradantrieb als Erfolgsgaranten, um auf Schotter, Matsch, Feldwegen und wenig Asphalt um Siege zu fahren. Ausnahmen waren Veranstaltungen wie die Rallye Monte Carlo oder die Rallye Schweden, wo bei ordentlich Glätte auch Fahrzeuge mit Frontantrieb wie der Mini oder frühe Saab erfolgreich sein konnten. Doch dann kam Audi. Eine eher am Rande geäußerte Anfrage bei den Regelmachern der FIA, ob man in Zukunft auch Allradantrieb erlauben könne, wurde auf dem kleinen Dienstweg bejaht, da niemand davon ausging, Audi würde ein eigenes Auto rund um diesen Antrieb entwickeln. Man belächelte die bayrische Marke eher und vermutete eine Rallyevariante des Bundeswehr-DKW Munga, von der wohl kaum eine Gefahr für ernsthafte Rallyefahrzeuge ausgehen würde. Rückblickend wissen wir, dass es anders kam. Der Audi quattro revolutionierte mit Allradantrieb und Turbomotor die Rallyeszene und zwang alle Mitbewerber zum Umdenken. Zudem erlaubte die FIA mit dem neuen Gruppe-B-Reglement deutlich mehr Freiheiten bei einer zugleich auf 200 Exemplare reduzierten Anzahl von Homologationsfahrzeugen, die zur Zulassung im Rallyesport produziert werden und in den freien Verkauf gelangen mussten. Um Weiterentwicklungen, sogenannte Evolutionen, voranzutreiben, waren die Hersteller sogar nur dazu verpflichtet, weitere 20 Autos zu bauen.

Auf diese Weise öffnete die FIA indirekt einen Spalt breit die Büchse der Pandora. Bis Mitte der 80er wuchsen den Rallyewagen der Gruppe-B-Kategorie immer größere Flügel, während die zwangsbeatmeten Triebwerke stellenweise die 600 PS Marke überstiegen. Einige Hersteller setzten dabei auf reine Turboaufladung mit Dampfrädern, über die vom Innenraum aus der Ladedruck verändert werden konnte. Andere ergänzten zusätzliche Kompressoren, um auch im unteren Drehzahlbereich möglichst viel Leistung zu generieren. Letztlich lief die Kombination aus kraftvollen Flügelmonstern und engen Rallyepisten sowie immer größer werdenden Fan-Scharen am Straßenrand jedoch aus dem Ruder und führte zu mehreren schweren Unfällen, bei denen Teilnehmer und Zuschauer zu Tode kamen. Der Motorsportweltverband FIA zog daher Mitte der Saison 1986 den Stecker und verbot die Gruppe B für alle Rallye-Meisterschaften, die nach FIA-Regularien ausgerichtet wurden. Ebenso sagte man den Einsatz der bereits in der Entwicklung befindlichen Nachfolgekategorie Gruppe S ersatzlos ab. Stattdessen erhob man die kleinere Gruppe A mit seriennahen Automobilen in den Stand der nun größtmöglichen Klasse im Rallyesport. Viele Fans konnten den schweren Schritt zwar nachvollziehen, trauern den Tagen der flammenspuckenden Gruppe B jedoch bis heute hinterher.

Als einer der letzten Gruppe-B-Vertreter rollte 1984 der Ford RS200 auf die Bühne. Bei Ford hatte man sich viel Zeit mit der Interpretierung der Regularien gelassen und zwischenzeitlich auch Irrwege eingeschlagen, indem man am Hinterradantrieb festhielt. 1983 startete die Entwicklung des RS200 auf einem weißen Blatt Papier. Ein Gitterrohrrahmen mit integriertem Überrollschutz dient als Unterbringung der beiden Passagiere und dem fast direkt dahinter montierten Vierzylinder-Turbomotor mit 1,8 Litern Hubraum (in der Evo-Stufe später mit 2,1 Litern). Zwischen Sitzen und Triebwerk fand der doppelwandige Aluminium-Benzintank seinen Platz. Aufgrund des geltenden Gruppe-B-Reglements erhielt der RS 200 die Windschutzscheibe, die Türen und die Dachpartie zwischen A- und B-Säulen vom Ford Sierra. Die restliche Karosserie bestand aus Kunststoff mit Verstärkungen aus einem Mix von Glasfaser, Kohlefaser und Aramid, die von Ghia in Italien gestaltet wurde. Die Seitenfenster und die riesige Rückscheibe fertigte man aus PMMA-Kunststoff.

In der Straßenversion leistete das Triebwerk dank einem auf 0,8 bar reduzierten Ladedruck 184 kW/250 PS und stemmte 292 Newtonmeter Drehmoment über ein manuelles Fünfgang-Getriebe auf den Allradantrieb. Fahrer und Beifahrer nahmen in eng geschnittenen Sparco-Sportsitzen Platz, die wahlweise schwarz oder rot bezogen waren. Über ein Lederlenkrad aus dem Escort XR3i sowie Armaturenbrett- und Interieurteile vom Fiesta sowie rudimentäre Türverkleidungen und Fußmatten versuchte Ford ein wenig wohnliche Atmosphäre zu erzeugen. Darauf verzichteten die Rallyeautos gänzlich. Hier hielt der Fahrer ein Sparco-Lenkrad in Händen und wurde wie sein Copilot mittels Sechspunktgurten in Rennschalensitze des gleichen italienischen Herstellers gefesselt. Nachdem die Debütsaison 1984 noch hauptsächlich zur Erprobung und Ausmerzung von Kinderkrankheiten diente, verkaufte Ford für 1985 einige Exemplare auch an nationale Rallyeteams, während sich das Werksteam überwiegend auf große internationale Veranstaltungen konzentrierte. Gute Resultate stellten sich jedoch erst 1986 ein, als Kalle Grundel einen RS200 auf den dritten Platz der Rallye Schweden steuerte. Leider kam es zu zwei schweren Unfällen mit RS200-Beteiligung in Portugal und bei der Hessen-Rallye in Deutschland, die mit zum späteren Verbot der Gruppe B beitrugen. Im Anschluss nutzten viele Privatfahrer den RS200 für Rallyecross und Bergrennen – zum Teil bis heute.

Beim britischen Oldtimerhändler Duncan Hamilton steht aktuell der Ford RS200 mit Fahrgestellnummer 061 zum Verkauf, der in unserer Bildergalerie zu sehen ist. Zugelassen mit dem Kennzeichen C200JJN ging dieser Wagen 1986 an das Team Belga des Belgiers Robert Droogmans. Dieser setzte den RS200 mit verschiedenen Fahrern bei Veranstaltungen der Rallye-Weltmeisterschaft, -Europameisterschaft, der niederländischen, der belgischen, der nordischen und der Asia-Pazifik-Rallyemeisterschaft ein. Bei der niederländischen und der europäischen Meisterschaft ging Fahrer Stig Andervang dabei siegreich hervor. Damit ist dieser RS200 bei den meisten Rallyes gelaufen und zugleich das erfolgreichste Exemplar der Baureihe. Vor einiger Zeit erfolgte eine vorsichtige Restaurierung, bei der darauf Wert gelegt wurde, möglichst viele originale Teile wie beispielsweise die Sitze zu erhalten. Zum Fahrzeugangebot gehört nun auch ein großes Ersatzteilpaket inklusive zweitem BDT-Motor. Duncan Hamilton verrät den Preis dieses erstmals öffentlich zum Verkauf stehenden RS200 nur wahren Interessenten.

Bilder: Duncan Hamilton ROFGO