Ferrari 365 GTS/4

1966 stellte Ferrari mit dem 365 California Spider ein neues Modell vor, aus dem recht bald eine eigenständige Modellfamilie werden sollte. Über den 365 GT 2+2, 365 GTC und 365 GTS ging es zum 365 GTB/4 und anschließend über den 365 GTC/4 und den 365 GT4 2+2 – dem finalen Modell mit dem gleichen 4,4 Liter großen V12-Triebwerk – zum 365 GT/4 BB, der lediglich die Zahlenkombination mit den zuvor genannten Fahrzeugen gemein hatte. Doch einen speziellen Ableger haben wir in dieser Auflistung ausgelassen. Ganz bewusst, denn er soll an dieser Stelle näher vorgestellt werden: Der 365 GTS/4.

Als direktes Nachfolgemodell des 275 GTB hatte der 365 GTB/4 ein durchaus schweres Erbe anzutreten. Hinzu kam die neue Konkurrenz aus der Nachbarschaft in Form des Lamborghini Miura, dessen Mittelmotorkonzept Enzo Ferrari zu diesem Zeitpunkt noch für untauglich in Straßensportwagen hielt. Daher entwickelte man den 365 GTB/4 bewusst mit Frontmotor und Hinterradantrieb. Namentlich nimmt der Wagen wie alle damaligen Ferrari Bezug auf den Hubraum pro Zylinder, in diesem Fall also 365 Kubikzentimeter. Nimmt man diese Zahl mal zwölf für alle versammelten Brennräume kommt man auf 4.380 Kubikzentimeter und liegt damit um lediglich zehn daneben (aber 365,8333333 hätte als Modellbezeichnung ein wenig merkwürdig ausgesehen). Das Kürzel GTB steht beim Coupé für Gran Turismo Berlinetta, während das S beim Spider genau diesen Zustand beschreibt. Mit der angehängten 4 gibt Ferrari einen Hinweis auf die Anzahl der Nockenwellen. Im Volksmund erhielt der Wagen den Beinamen Daytona, der auf sportliche Erfolge der Marke beim 24-Stunden-Rennen dort zurückgingen, die jedoch bereits vor der Weltpremiere des Modells mit den Prototypen 330 P3 und 412P herausgefahren wurden.

Die Weltpremiere des Ferrari 365 GTB/4 erfolgte vor 50 Jahren auf dem Pariser Automobilsalon und sorgte direkt für Bestelleingänge in Maranello. Kein Wunder, hatte man es doch geschafft den von Gioacchino Colombo entwickelten V12 durch die Hubraumerhöhung und eine Trockensumpfschmierung sowie vier obenliegenden Nockenwellen mit Steuerketten auf eine Leistung von 259 kW/352 PS zu steigern und damit den Miura P400 zu überflügeln. Da das Triebwerk soweit wie möglich nach hinten verrückt wurde und gleichzeitig das Getriebe in Transaxle-Bauweise an die Hinterachse wanderte, ist die Gewichtsverteilung des Wagens hervorragend.

Rund ein Jahr nach der Präsentation des Coupés zeigte Ferrari auf der IAA in Frankfurt/Main auch die offene Spider-Variante namens 365 GTS/4. Sie übernahm in Grundzügen das wunderschöne Design von Leonardo Fioravanti mit der langen, langsam aufsteigenden Motorhaube, den glatten Seitenflächen mit bewusst gesetzter Sicke als Gürtellinie und den vier runden Rückleuchten. Allerdings befindet sich hinter dem eng anliegenden Stoffverdeck, das im geöffneten Zustand unter einer flachen Persenning verschwindet, ein gerade gezeichneter Kofferraumdeckel, der dem Wagen optisch ein Stufenheck verpasst. Während frühe Coupés vorne Doppelscheinwerfer hinter Plexiglasstreuscheiben aufweisen, wurde dies ab Herbst 1970 aufgrund von neuen US-Sicherheitsbestimmungen verändert. Dort wurden derartige Scheiben vor den Scheinwerfern verboten, weshalb Ferrari auf Klappscheinwerfer wechselte (die ihrerseits inzwischen weltweit bei Neuwagen nicht mehr zulassungsfähig sind). Beim Spider kamen die verglasten Leuchten nur beim Präsentationsfahrzeug zum Einsatz, alle Serienautos erhielten bereits die Klappscheinwerfer.

Scaglietti zeichnete für die Produktion der Spider-Karosserien verantwortlich und versah sie im Gegensatz zu den Coupés mit zusätzlichen Verstrebungen, um mehr Torsionssteifigkeit zu erreichen. Diese saßen beispielsweise hinter den Sitzen, an der Spritzwand zum Motor, im Windschutzscheibenrahmen und in Form von stählernen Radhäusern über den Vorderrädern. Beim GTB/4 bestanden diese aus Kunststoff. Nach der Weltpremiere in Frankfurt vergingen fast zwei Jahre bis der erste 365 GTS/4 ausgeliefert wurde. Insgesamt entstanden lediglich 121 Stück, von denen 96 in die USA gingen. 18 blieben in Europa, wovon sieben das Lenkrad auf der rechten Seite hatten.

Einen dieser seltenen Ferrari 365 GTS/4 mit Linkslenkung aus europäischer Erstauslieferung bietet aktuell JD Classics in Großbritannien zum Kauf an. Es handelt sich um das dritte ausgelieferte Fahrzeug mit der Chassisnummer 14415. Nach einer kurzen Zeit in Italien kaufte ein Franzose aus Cherbourg den Spider. Später verbrachte der Wagen einige Zeit in Nordamerika, wo er vom serienmäßigen Dunkelblau (Blu Dino) mit weißem Seitenstreifen auf das Ferrari-typische Rot umlackiert wurde. 20 Jahre später wechselte der GTS/4 erneut den Besitzer und überquerte einen weiteren Ozean auf dem Weg nach Japan. Kurz darauf kam er zurück in die USA und erhielt während einer umfangreichen Restaurierung eine schwarze Lackierung. Einige weitere Besitzer folgten und mit ihnen auch eine weitere Umlackierung zurück ins originale Blau metallic. Den Preis für dieses seltene Fahrzeug gibt JD Classics auf Anfrage bekannt, er dürfte jedoch zweifelsfrei sieben Stellen vor dem Komma aufweisen.

Bilder: JD Classics