Ferrari 250 GT Berlinetta Prototipo
Beim ersten Blick auf die Bilder in unserer Galerie kommt der Gedanke „Boano“ auf. Der von uns gezeigte Ferrari 250 GT Berlinetta hat die Räumlichkeiten dieser kleinen italienischen Karosseriebaufirma jedoch nie von innen gesehen. Und genau das macht ihn interessant. Anfang der 1950er Jahre entstand bei Ferrari die Neuentwicklung namens 250, wobei sich die Nummer wie immer auf den Hubraum eines einzelnen Zylinders bezog. Im Gegensatz zu den Modellen mit größeren V12-Motoren richtete sich das neue Fahrzeug direkt an europäische Kunden. Daher erhielt der 250 anfänglich den Beinamen ‚Europa‘, während die Modellgeschwister mit dem Zusatz ‚America‘ oder ‚Superamerica‘ produziert wurden. Von den 53 gebauten 250 GT Europa erhielten 48 eine Karosserie von Pinin Farina. Durch die ausgewogene Formensprache und ein gutes gemeinsames Geschäftsklima schloss Enzo Ferrari einen generellen Produktionsauftrag für Standardkarosserien mit Pinin Farina ab. Ein erstes Ergebnis debütierte 1956 auf dem Genfer Autosalon mit dem 250 GT Berlinetta.
Pinin Farina konnte nicht genug Autos bauen
Als Schwesterfahrzeug unseres Fotoautos stand in Genf ein Coupé mit der Fahrgestellnummer 0429GT. Während die untere Karosserie die damals typische Pontonform aufgriff, zeigte sich die Dachpartie verspielt mit breiten, geschwungenen B-Säulen und Panoramaheckscheibe. Allerdings wusste Pinin Farina bereits, dass man die von Ferrari geforderten Stückzahlen nicht liefern könnte. Daher suchte man parallel zur Fertigung erster Exemplare einen Partnerbetrieb, um die Produktion auslagern zu können. Man wurde schließlich mit Mario Boano handelseinig und übergab ihm die Zeichnungen und Fertigungswerkzeuge für den 250er. Boano hatte für den Genfer Salon 1956 parallel ein 250 Cabriolet erstellt und war daher auch bei Ferrari gut bekannt. In den folgenden zwei Jahren fertigte die kleine Karosseriebaufirma je nach Quelle zwischen 63 und 79 Exemplare des Ferrari 250 GT Boano. 1957 wechselte Mario Boano ins Fiat Centro Stile und übergab seine Firma an seinen Schwiegersohn Ezio Ellena. Unter seiner Leitung folgten noch einmal 49 Fahrzeuge. An der Form von Pinin Farina legten beide nur leicht Hand an. In der Zwischenzeit vergrößerte man bei Pinin Farina die Fertigungshallen und übernahm ab 1958 die Fertigung des weiterentwickelten 250 GT wieder dort.
Geschichte von 0435GT
Zeit, zum 250 GT Berlinetta von Pinin Farina zurückzukehren. Basierend auf dem Stahlchassis mit 2,6 Metern Radstand entstand diese neue Variante. Während Ferrari Erfahrungen vom 250 GT Europa einfließen ließ, um das Fahrwerk und den Motor zu verbessern, sorgte Pinin Farina für die außergewöhnliche Form mit Einflüssen vom 410 Superamerica. In dieser Ausführung entstand lediglich knapp eine handvoll Fahrzeuge in Handarbeit, bevor Boano übernahm. 0435GT entstand parallel zur Weltpremiere von 0429GT und war im April 1956 fertig. Erstbesitzer war Guido Cantelli in Novara, Italien, ein berühmter Orchesterdirigent und Freund von Enzo Ferrari. Er verstarb im gleichen Jahr bei einem Flugzeugabsturz. Ferrari kaufte daraufhin das Auto von seiner Witwe zurück und verkaufte es an Sergio Canara in Parma. Er nutzte den Sportwagen mit seiner Frau für die Fahrt in die Flitterwochen.
Komplett restauriert
1969 fand der Ferrari seinen Weg in die Schweiz zu einem Herrn Messerli und 1980 weiter zu einem Herrn Oberson. Zeitweise trug der 250 GT Berlinetta nun eine rote Lackierung. Nach einer Präsentation auf der Jubiläumsveranstaltung des Schweizer Ferrari Clubs in Montreux 1990 dauerte es ein weiteres Jahrzehnt, ehe ein Verkauf über Carugati in Genf stattfand. Daniel Patrick Brooks aus Großbritannien war der nächste Besitzer. Er ließ das Auto bei Cointreau in Frankreich umfangreich restaurieren inklusive Neulackierung in den originalen beiden Silberfarbtönen. Nach der Fertigstellung nahm Mr. Brooks 2008 an der Tour Auto teil. In den folgenden acht Jahren stand das Auto in der Sammlung von Stanislas de Sadeleer. Seit 2015 gehört es dem aktuellen Besitzer in Deutschland, der die originale Hinterachse wieder einbauen ließ. Dadurch ist der Ferrari komplett ‚Matching Numbers‘. Aktuell bietet der Klassikerhändler Auxietre & Schmidt den Sportwagen zum Verkauf an. Den Preis gibt man nur an ernsthafte Interessenten auf Anfrage heraus.
Bilder: Auxietre & Schmidt