Ferrari 250 GT Boano

Den Ferrari 250 gab es in vielen Varianten. GTO, SWB oder California Spyder sind bekannt und extrem wertvoll. Der 250 GTE 2+2 gilt als günstigste Möglichkeit in diese Modellreihe einzusteigen. Es gibt jedoch auch seltene Ableger, die nur wahren Ferraristi ein Begriff sind. Ein Beispiel ist der 250 GT Boano. Zu diesem Modell kam es eher zufällig. Pinin Farina hatte 1953 die Karosserie für die erste Serie des Ferrari 250 Europa gezeichnet und gebaut. Auch für die folgende zweite Serie entstanden die Formen des 250 Europa GT wieder bei Pinin Farina.

Pinin Farina baute neue Hallen

Von diesem Fahrzeug entstanden 1954 und 1955 zusammen 27 Exemplare. Hinzu kamen drei Rennfahrzeugen und vier Showcars mit Karosserien von Pinin Farina und ein Coupé von Vignale. Damit handelte es sich um den erfolgreichsten Straßenwagen in der Ferrari-Geschichte. Was heutzutage erstaunlich klingt führte damals bei Enzo Ferrari dazu, Pinin Farina um eine größere Serienfertigung zu bitten. Das Geld der Serienautos konnte er gut zur Finanzierung seiner Rennautos brauchen. Allerdings befand sich das Designhaus in einem Umschwung und baute gerade neue Fabrikationshallen in Grugliasco, um mehr Fahrzeuge produzieren zu können. 1956 reichten die Kapazitäten nur für zehn Ferrari 250 GT aus. Daher machte sich Ferrari auf die Suche nach einem guten Partner, um eine größere Anzahl von Fahrzeugen zu gewährleisten.

Boana übernahm für Pinin Farina

Fündig wurde man bei der Carrozzeria Boano, die erst kurz zuvor begründet worden war. Mario Felice Boano war zuvor bei Vignale und dann als Chefdesigner bei Ghia beschäftigt. 1953 hatte er sich nach Meinungsverschiedenheiten mit Luigi Segre selbstständig gemacht. Neben dem 250 Europa hatte Ferrari 1956 auf dem Genfer Salon auch ein 250 Cabriolet mit Boano-Karosserie präsentiert. Den 250 Europa GT übernahm man nun in die Serie. Boano verlieh dem Pinin Farina Entwurf allerdings etwas aggressivere hintere Kotflügel. Die hohe, fast waagerechte Gürtellinie endet hinten in kleinen Heckflossen mit integrierten Rückleuchten. Vor dem großen Kofferraum beschließt eine Panoramascheibe die im Vergleich zur Version von Pinin Farina niedrigere Dachpartie.

Low Roof Coupé fährt 200 km/h schnell

Diese führte in englischsprachigen Gebieten zur Bezeichnung ‚Low Roof Coupé‘. Boano fertigte je nach Quelle zwischen 63 und 79 Coupés plus zwei Sonderkarosserien an. Als Antrieb werkelte der 240 PS starke V12-Colombo-Motor unter der vorderen Haube. Damit erreichte der Ferrari 250 Boano eine Höchstgeschwindigkeit von rund 200 km/h. Für die Kraftübertragung auf die Hinterräder war ein manuelles Viergang-Getriebe an Bord. Als Leergewicht gab man 1.050 Kilogramm an. Wie beim 250 Europa maß der Radstand 2,6 Meter. Die gesamte Karosserie war 4,46 Meter lang, 1,68 Meter breit und 1,35 Meter hoch. Im Heck sitzt ein 100 Liter großer Benzintank.

Aus Boano wurde Ellena

Als besondere Bauform gab es den Ferrari 250 Boano auf Wunsch mit Aluminiumkarosserie. Insgesamt entstanden jedoch lediglich 14 Leichtbau-Exemplare. Im Sommer 1957 übernahm Mario Felice Boano den Posten des Chefdesigners des Fiat Centro Stile. Seine eigene Firma verkaufte er an seinen Schwiegersohn Ezio Ellena, der unter eigenem Namen die Fertigung von Karosserien für den Ferrari 250 fortsetzte. Nach fünf Exemplaren mit der alten Boano-Form hob man die Dachlinie um fünf Zentimeter an und ließ weitere 44 Fahrzeuge folgen. 1958 waren die neuen Fabrikationshallen von Pinin Farina fertig, wodurch die Karosseriefertigung für den 250 GT von Ellena abgezogen wurde.

Seltene Alu-Variante bei RM Sotheby’s

RM Sotheby’s bietet im Januar 2021 einen Ferrari 250 Boano mit Aluminiumkarosserie an. Fahrgestellnummer 0613GT verließ als Chassis Anfang November 1956 das Ferrari-Werk Richtung Boano. Mitte Januar 1957 trat der Wagen im Farbton Burgund den Rückweg nach Maranello zur Komplettierung an. Anschließend ging es auf dem Seeweg zum US-Importeur Luigi Chinetti in New York und weiter zum Erstbesitzer. Dieser hieß George Arents, war Tabak-Tycoon und später Begründer und Finanzier des North American Racing Teams (N.A.R.T.). Bereits ein Jahr später verkaufte er den Sportwagen an den Rennfahrer Bob Grossman. Wenige Monate später ging das Auto an Len Potter, der es dunkelrot lackieren ließ. Gemeinsam mit Grossman meldete er den Ferrari für die fünfte International Bahamas Speed Week 1958.

Von England nach Japan und in die USA

Dort errangen sie einen Klassensieg bei der Five-Lap Tourist Trophy, einen Podiumsplatz beim 25-Lap Tourist Trophy und den sechsten Platz insgesamt beim ‚All-Ferrari‘-Rennen. Weitere Renneinsätze folgten 1959. Im Jahr darauf ging der 250 Boano nach Großbritannien und wechselte dort bis Anfang der 1980er mehrfach den Besitzer. 1985 führte David Cottingham mit seiner Firma DK Engineering eine umfangreiche Restaurierung durch. In diesem Zuge erhielt der Wagen eine Lackierung in Rosso Corsa mit Interieur in beigefarbenem Leder. Nachdem die Arbeiten 1986 beendet waren kaufte ein japanischer Sammler den Ferrari und behielt bis 2002. Anschließend wechselte der klassische Sportwagen zurück in die USA.

2016 von Gooding versteigert worden

Der dortige Besitzer ließ zwei Jahre darauf eine Überarbeitung auf Concours-Zustand bei Fossil Motorsports durchführen. Dies belohnte ein Gold Award beim FCA International Concours d’Elegance in Monterey 2004. 2007 übernahm ein Sammler aus Fort Lauderdale/Florida den 250 Boano und legte damit problemlos die 1.000 Meilen der Colorado Grand Oldtimerausfahrt zurück. Beim folgenden Besitzer in Chicago erhielt der Wagen nicht nur seine zweifarbige Lackierung in Dunkelrot mit schwarzem Dach und innen einen Überrollbügel mit am Bügel befestigten Kopfstützen. Zusätzlich nahm der Autosammler mit dem Ferrari an vielen Ausfahrten teil und investierte mehr als 200.000 US$ für Wartungsarbeiten. Über das Auktionshaus Gooding & Co. erreichte der Sportwagen 2016 für 1.485.000 US$ seinen aktuellen Besitzer, der ihn nun durch RM Sotheby’s erneut anbietet. Zum Estimate machte man noch keine Angaben.

Bilder: RM Sotheby’s, Darin Schnabel