Ettore Bugatti – Ein Perfektionist

Über die Automarke Bugatti ist bekannt, dass man hohe Ansprüche an die jeweiligen Produkte stellt und diese durch intensive Entwicklungsarbeiten auch erfüllt. Dies gilt nicht nur für die heutige Tochterfirma des Volkswagen-Konzerns. Bereits die Urform des Unternehmens aus dem Elsass erwarb sich schnell einen guten Ruf für ausgezeichnete Detaillösungen. Dies beruhte auf einem Motto, das Firmengründer Ettore Bugatti Zeit seines Lebens bemühte: „Ein technisches Produkt ist erst dann perfekt, wenn es auch vom ästhetischen Standpunkt her perfekt ist“. Weniger bekannt ist, dass er sich nicht nur um Autos Gedanken machte, sondern auch um Alltagsgegenstände. Besonders ärgerlich fand er es, wenn er sich für seinen Haushalt oder seine Werkstatt etwas anschaffte, was qualitativ nicht seinen Ansprüchen entsprach. Dann begann er damit, Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln. Eine kleine Auswahl veröffentlichte Bugatti jetzt.

Hühnerstall

In seinem Werk hatte Ettore Bugatti grundsätzlich einen italienischen Koch, der ihm und seinen Mitarbeitern leckere Gerichte zubereitete. Als großer Nudelliebhaber schätzte der Firmenchef frisch zubereitete Pasta, für die Hühnereier gebraucht wurden. Als sich die Preise für Eier binnen kürzester Zeit deutlich erhöhten, entwickelte er seinen eigenen Hühnerstall als geschlossenen Wagen, um diesen an verschiedenen Stellen auf dem großen Gelände platzieren zu können. Der Bau dieser eigenen Hühnerfarm inklusive Anschaffung der Tiere überstieg zwar den Eierpreis deutlich, machte Ettore Bugatti jedoch zugleich unabhängig von den Landwirten der Region.

Nudelmaschine mit Lenkrad

Der bereits angesprochene italienische Koch beschwerte sich eines Tages bei seinem Dienstherrn über eine defekte Nudelmaschine. Derartige Maschinen gab es damals vor allem in Italien, eine Lieferung bis ins Elsass hätte also einige Zeit in Anspruch genommen. So lange wollte Ettore Bugatti nicht auf sein Leibgericht warten, weshalb er eine eigene Nudelmaschine konstruierte. Wichtig war ihm dabei neben der Bedienungsfreundlichkeit auch die Ästhetik. Nach seinen Vorgaben und Plänen fertigten die Mechaniker der Bugatti-Manufaktur schließlich das entsprechende Gerät, das anstelle einer Handkurbel mit dem Lenkrad eines Typ 46 ausgerüstet wurde. Dreht man an diesem Lenkrad, kurbelt man den Teig durch das innere der Maschine und erstellt die Pasta. Genau diese Nudelmaschine, das Original von Ettore Bugatti, versteigerte Bonhams im März für etwa 37.500 US-Dollar.

Besteck

Wie isst jemand, der hohe Ansprüche an Ästhetik, Präzision und Kulinarik stellt, seine Nudeln? Richtig, mit eigens gestaltetem Besteck. Ettore Bugatti störte es besonders, dass ihm für einen Zwischengang eines üblichen Menüs das passende Besteck fehlte. Also gestaltete er in der ihm eigenen Art Messer, Löffel und Gabeln, die allesamt am unteren Ende seine Initialien EB trugen und ergonomisch perfekt in der Hand lagen. Da er besonderen Wert auf gute Tischmanieren legte, soll Ettore Bugatti sogar einmal einem königlichen Kunden den Kauf eines seiner Autos verwehrt haben, da dieser nicht mit Messer und Gabel umgehen konnte.

Orangerie

Was gehört zu einem guten Essen ebenso dazu wie guter Wein und feines Besteck? Die richtigen Gewürze. Da im Elsass in den 1920er Jahren noch kein Basilikum angepflanzt wurde, zeichnete Ettore Bugatti Baupläne für ein eigenes Gewächshaus inklusive ausgeklügeltem Belüftungssystem. Anstelle von Steinen nutzte er Stahlträger und Glasscheiben für seine Orangerie, in der er schließlich auch Früchte und weitere Pflanzen anbauen ließ. Das Gebäude steht heute noch auf dem Werksgelände.

Bébé Bugatti Typ 52

Heute ist es für viele Autofans völlig selbstverständlich, den Nachwuchs in Miniaturautos mit Elektroantrieb zu setzen, damit diese möglichst früh ‚auf den Geschmack kommen‘. Diese Idee hatte Ettore Bugatti bereits 1927. Zum fünften Geburtstag seines Sohnes Roland entstand eine Miniaturversion des im Rennsport sehr erfolgreichen Bugatti Typ 35. Wie alle Fahrzeuge des Hauses erhielt auch dieses Kinderauto eine eigene Typennummer, die 52. Unter Kunden setzte sich hingegen die Bezeichnung ‚Bugatti Bébé‘ durch, da viele es bei Rolands Ausflügen rund ums Chateau und die Manufaktur zu sehen bekamen und bei Ettore eigene Kopien für ihre Kinder bestellten. So entstanden bis 1930 einige hundert Exemplare. Jüngst belebte Bugatti gemeinsam mit der Little Car Company dieses beliebte Modell wieder.

Fünf-Zehen-Schuhe

In den letzten Jahren kamen Fünf-Zehen-Schuhe in Mode. Für Ettore Bugatti ein alter Hut. Bereits aus den 1920ern wird von einem Besuch des Rennfahrers Louis Charavel in Molsheim berichtet, wo er auf Ettore traf. Dieser trug neben einem Kolonialhelm, einer cremefarbenen Seidenjacke und blauem Saum seine eigens kreierten Fünf-Zehen-Schuhe. „Wenn man Finger-Handschuhe haben will, kauft man schließlich keine Fäustlinge. Warum sollte es bei Schuhen nicht genauso sein?“, erwiderte der Firmenchef auf die staunenden Blicke.

Patente

Rund eintausend Patente gehen auf das Konto von Ettore Bugatti. Viele davon betrafen natürlich den Automobilbau, beispielsweise die Aluminiumfelge, ultraleichte Klappsitze, unzerbrechliche Windschutzscheiben oder automatische Verschlüsse für Einfüllstutzen. Daneben gab es universell einsetzbare Erfindungen wie seine sechseckigen Schrauben und Muttern, die selbst bei schneller Fahrt stabiler und besser hielten als Konkurrenzprodukte. Aber wussten sie von einem zylinderförmigen Rasiermesser, Sicherheitsschlössern oder einem ultraleichten Rahmen für Fahrräder und Motorräder? Selbst eine Angelwurfrute mit Ettores Design wurde patentiert. Ohne Patent blieben hingegen Leuchtkörper, Tore, Türen, Jalousien für Fenster, OP-Besteck, Sessel, Schraubstöcke und ein Pferdegeschirr.

Pur Sang

Wieso es zu einem Pferdegeschirr kam ist schnell erzählt: Ettore Bugatti begeisterte sich nicht nur für Technik und Automobile, sondern liebte auch Pferde. Diese edlen Tiere mochte er in ähnlicher Form wie seine Autos: heißblütig, schnell und reduziert auf Kraft und Muskeln. In eigenen Stallungen züchtete er Vollblüter (pur Sang). Die Türen der Remise Nord und Remise Süd ließ er mit speziellen Schlossplatten versehen, die von den Pferden durch leichten Druck mit dem Kopf geöffnet werden konnten. So musste er nicht jedesmal absteigen und die Türen selbst öffnen. Besucher und Kunden begrüßte er in Molsheim oft hoch zu Ross, wobei ihn häufig sein Esel Totosche begleitete. Diesen hatte er vom Grafen Florio nach dem fünften Sieg eines Bugatti Rennwagens bei der Targa Florio auf Sizilien in Folge geschenkt bekommen. Neben der Pferdezucht gab es auf dem Werksgelände auch eine Terrierzucht und einen kleinen Privatzoo.

Bilder: Bugatti