Bugatti Bolide

Unter dem Motto „Was wäre wenn…“ kündigte Bugatti in den letzten Tagen eine Fahrzeugpräsentation an, die nun im Bolide mündete. Im Gegensatz zum bewusst komfortabel gestalteten Supersportwagen Chiron soll der Bolide gezielt Bestwerte auf der Rennstrecke abliefern. Hierfür reduzierte man in Molsheim das Leistungsgewicht auf extrem beachtliche 0,67 Kilogramm pro PS. Die einzige Gemeinsamkeit mit dem Chiron ist der acht Liter große W16-Motor mit vierfacher Turboaufladung, das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und der Allradantrieb. Allerdings erhielt das Triebwerk eine Leistungssteigerung auf 1.360 kW/1.850 PS und 1.850 Newtonmeter Drehmoment. Hierfür entdrosselte man Ansaug- und Abgasanlage und verbaute neue Turbolader mit optimierten Schaufeln. Dem gegenüber steht ein radikales Fahrzeug, das nur 1.240 Kilogramm auf die Waage bringt. Laut internen Berechnungen liegt die Höchstgeschwindigkeit bei über 500 km/h. Auf der Rennstrecke der 24 Stunden von Le Mans wäre eine Rundenzeit von 3:07,1 Minuten möglich, auf der Nordschleife 5:23,1 Minuten.

Wie kam es zum Bugatti Bolide?

Stephan Winkelmann, CEO von Bugatti, fasst die Entstehungsgeschichte des Bugatti Bolide wie folgt zusammen: „Bugatti steht für das kontinuierliche Streben nach technologischen Innovationen – ganz im Zeichen seiner Markenwerte Excellence, Courage, Dedication. Bugatti steht aber auch niemals still. Wir streben immer weiter nach neuen und aufregenden Zielen und so bleibt auch immer diese eine Frage im Hinterkopf: Was wäre, wenn? Wir haben uns gefragt, wie wir den gewaltigen W16-Motor als technisches Sinnbild der Marke in seiner pursten Form darstellen können – nur mit vier Rädern, Motor, Getriebe, Lenkrad und als einzigen Luxus zwei Sitze. Wichtig bei den Überlegungen war, unseren ikonischen Antrieb ohne jegliche Limitierung auf Leistungsgewicht zu trimmen. Aus dieser Überlegung heraus entstand der Bugatti Bolide. Ein kompromissloses Experiment, ein Vollblüter, ein Pur Sang, der in seiner brachialen Exklusivität vor allem durch hohe Leistung, niedriges Gewicht und ein Fahrerlebnis in neuen Dimensionen überzeugt. Die Fahrt im Bolide gleicht dem Ritt auf der Kanonenkugel.“

Neben dem Mindestmaß einer Karosserie erhielt der Bolide alle von der FIA angeforderten Sicherheitseinbauten wie ein Feuerlöschsystem, Sechspunktgurte oder HANS-Kompatibilität, um theoretisch als Hypersportwagen im Motorsport antreten zu können. Besonderes Augenmerk lag für das Team rund um Chefingenieur Frank Götzke darauf, dass der Bugatti Bolide als Ideen- und Technologieträger einen Ausblick auf die nahe und ferne Zukunft der Marke ermöglicht. Um das niedrige Gewicht zu realisieren, bestehen alle Schraub- und Verbindungselemente aus Titan. Eine Titanlegierung aus der Luft- und Raumfahrt dient für diverse Funktionsbauteile, die zudem besonders dünnwandig per 3D-Drucker entstanden sind. Für die einen halben Meter lange Antriebsnebenwelle, die die Motorleistung vom Getriebe zur Hinterachse bringt, kombinierte man gewickelte, hochfeste Carbonfasern mit 3D-gedruckte Endstücke aus Titan. Die Carbon-Karosserie zeigt an der Dachlufthutze eine Weltneuheit in Form einer morphbaren Außenhaut, die bei hohen Geschwindigkeiten blasenförmig ausfährt und damit den Luftwiderstand in diesem Bereich um 10 Prozent senkt. Gleichzeitig sinkt der Abtrieb um 17 Prozent. Trotzdem stehen bei 320 km/h am Frontspoiler 800 Kilogramm und am Heckflügel 1.800 Kilogramm Anpressdruck an.

Reinrassiges Rennfahrzeug

Hinter den aus Magnesium geschmiedeten Leichtmetallrädern mit Zentralverschlüssen verbirgt sich eine Carbon-Keramik-Bremsanlage. Die profillosen Rennslicks selbst sind vorn 340 und hinten 400 Millimeter breit. Um sie bequem wechseln zu können lässt sich der Bolide per pneumatischer Hebeanlage mit vier Stempeln anheben. Rund um das für zwei Passagiere ausgelegte Cockpit befindet sich ein komplett neu entwickeltes Kohlefaser-Monocoque. Daran angeflanscht ist ein integraler Vorderwagen aus Carbon sowie ein aus hochfestem Stahl konstruierter Heckrahmen. Wie bei den meisten vollwertigen Rennfahrzeugen ist der Unterboden komplett verkleidet. Insgesamt ist der Bugatti Bolide exakt so hoch wie der Typ 35, nämlich nur 995 Millimeter – 300 Millimeter niedriger als der Chiron. Während die Rennschalensitze fest mit dem Monocoque verschraubt sind, lassen sich sowohl die Pedalerie als auch die Beifahrerfußstütze um je 150 Millimeter verschieben.

Das Karosseriedesign entstand im Bugatti Designstudio unter der Leitung von Achim Anscheidt. Dabei durften erstmals radikale Ideen verwirklicht werden, da noch nie zuvor ein derartig minimalistisches Konzept rund um den W16-Motor herum entstehen durfte. Entsprechend setzte man in seltener Konsequenz das Motto ‚Form follows Performance‘ um. Durch eine X-Signatur an Scheinwerfern und Rückleuchten zitiert das Team nicht nur die X-förmig geklebten Scheinwerferschutzstreifen an alten Rennfahrzeugen, sondern erinnert zugleich an XP-Flugzeuge, die zu Experimentalzwecken die Messlatte in der Luftfahrtgeschichte immer wieder höherlegten. Ein Beispiel ist die Bell X-1, mit der Charles ‚Chuck‘ Yeager 1947 erstmals in der Menschheitsgeschichte die Schallmauer durchbrach.

Serienchancen nicht ausgeschlossen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat Bugatti noch nicht entschieden, ob der Bolide in Kleinserienfertigung gehen wird oder nicht. Allerdings dürfte es durchaus zahlungskräftige Kunden geben, die sich ein solches Fahrzeug trotz fehlender Straßenzulassung in die Garage stellen wollen – allein schon wegen des erstmals völlig offenen Abgassystems, das die rohe Kraft des W16-Motors hörbar macht.

Bilder: Bugatti