Automotive Art 9 – Arnolt Bristol Bolide

Mit der Gestaltung des Arnolt Bristol erstellte Franco Scaglione bei Bertone ein Meisterwerk ab. Die meisten Exemplare gingen in die USA.

Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat. In der September-Ausgabe präsentiert er den erstaunlichen Arnolt Bristol Bolide.

In den Kopf des Designers – von Bill Pack

Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.

Arnolt Bristol Bolide – Gezeichnet von Franco Scaglione

Wenn man die automobilen Kunstwerke von Franco Scaglione betrachtet, ist es keine Überraschung zu erfahren, dass er seine frühen Jahre mit der Gestaltung von Kleidung für Modehäuser verbracht hat. Ich vermute, dass dies die prägenden Jahre für sein Design waren. Sie dienten dem Aufbau seiner asketischen Grundlage des hohen Niveaus von Verfeinerung und Raffinesse, das zum Synonym für den Namen Scaglione geworden ist.

Für einen Fotokünstler wie mich sind es Herausforderungen, die zu neuen Entdeckungen führen. Der Arnolt Bristol war eine dieser Herausforderungen für Franco Scaglione. Bristol lieferte der Carrozzeria Bertone ein Fahrgestell mit bereits verbautem Motor inklusive drei 32er Solex-Vergasern, wodurch ein sehr hoher Motoraufbau entstand. Dies stellte eine komplexe aerodynamische und stylistische Herausforderung dar. Was Scaglione daraus machte, entsprang seinem genialen Geist. Es ist eine schöne Mischung aus Aerodynamik und raffiniertem Design.

Giovanna, seine Tochter, sagte über ihn: „Die Aerodynamik war seine Muse, aber er kombinierte sie immer mit Eleganz. Er verband seine technische Ausbildung zum Luftfahrtingenieur mit einem angeborenen Sinn für Schönheit.“

Der Satzteil „ein angeborener Sinn für Schönheit“ ist in meinen Augen die Kraftprobe hinter Scaglione. Seine Entwürfe mussten technisch die besten sein, aber sie mussten gleichzeitig auch schön sein. Wenn dieser angeborene Schönheitssinn nicht die Leitkraft für Scaglione gewesen wäre, wäre der Arnolt Bristol zweifellos ein hässliches Fahrzeug. Durch Bertones scharfsinnige Beurteilung eines jungen Franco Scaglione entstand damals etwas, was wir heute als Schönheit, Kunst und seltenes Juwel beurteilen.

Wenn Sie meine Kunstbilder des Arnolt Bristol Bolide von 1954 betrachten, entdecken Sie Franco Scaglione, seine Linien, sein Auge und seinen angeborenen Sinn für Schönheit wieder.

Arnolt Bristol Bolide – Details – von Matthias Kierse

Wenn man sich die Entstehungsgeschichte des Arnolt Bristol Bolide ansieht, stellt man sich unweigerlich die Frage, ob etwas Vergleichbares heute noch möglich wäre. Alles startete mit Stanley Arnolt, genannt ‚Wacky‘, der in Chicago ein Importgeschäft für europäische Fahrzeuge betrieb. Besonders angetan hatten es ihm dabei britische Sportwagen. Ab 1953 schloss er mit der Carrozzeria Bertone einen Kooperationsvertrag, um auf Basis von europäischen Fahrgestellen spezielle eigenständige Modelle für den US-Markt zu erstellen. Den Anfang machte der Arnolt-MG oder Arnolt Continental Sportster wie er in den Verkaufsunterlagen offiziell hieß. Hierfür kaufte Arnolt bei MG die Chassis des MG TD ein, ließ sie nach Italien schicken und dort mit einer von Giovanni Michelotti gestalteten Coupé- oder Cabriolet-Karosserie versehen. Nachdem MG den Verkauf von Fahrwerken einstellte, kam er durch Vermittlung von Freunden mit James Watt, dem Verkaufsleiter von Bristol in Kontakt.

So kam die S.H. Arnolt Inc. an nagelneue Chassis des Bristol 404, die erneut zu Bertone in Italien geschickt wurden. Dort hatte ‚Wacky‘ inzwischen einiges an Geld in die Produktionsanlagen investiert und war dadurch zum Vizepräsident der Karosseriebauabteilung aufgestiegen. Mit der rassigen Scaglione-Karosserie ausgerüstet ging der überwiegende Anteil der Arnolt-Bristol-Produktion in die USA. Dort bot man den Wagen in den Ausstattungsversionen ‚Competition‘, ‚Bolide‘ und ‚De Luxe‘ an. Nach ausführlichen Fahrversuchen und der offiziellen Präsentation auf der Earl’s Court Motor Show in London 1953 begann die Serienfertigung ab Januar 1954 und lief bis Dezember 1959. Ab 1956 konnten Interessenten auf Wunsch eine Coupé-Karosserie ordern, was jedoch nur sechs Kunden taten. Insgesamt entstanden 142 Arnolt Bristol, von denen jedoch elf Exemplare bei einem Feuer in der Lagerhalle von Arnolt in Chicago verbrannten.

Das verwendete Chassis des Bristol 404 geht in seinen Grundzügen auf den BMW 326 aus Vorkriegsjahren zurück und wurde von Bristol in nur leicht modifizierter Form bis zum finalen Blenheim im Jahr 2011 verwendet. Unter der Motorhaube findet sich ein zwei Liter großer Reihensechszylinder mit 130 PS, wobei die Leistung in den seltenen Competition-Versionen für Motorsporteinsätze erhöht wurde. Für den Arnolt Bristol kamen Bremsanlage und Getriebe des Bristol 403 zum Einsatz, um den Preis zu reduzieren. Auf diese Weise und in Kombination mit dem günstigen Stahlaufbau der Karosserie lag der Verkaufspreis tatsächlich um 20 bis 25 Prozent unter dem des Bristol 404.

Ein geplantes Nachfolgemodell für den Arnolt Bristol, von dem die Bristol-Ingenieure bereits einige Prototypen-Fahrgestelle hergestellt hatten, fand nicht die nötige Zustimmung durch ‚Wacky‘ Arnolt. Der einzige fahrbare Prototyp ‚The Bullet‘ verblieb daher im Bristol-Werk, erhielt in den späten 1960er Jahren einen 6,3 Liter großen V8-Motor von Chrysler, wurde 1999 aufwändig restauriert und diente dann als Vorbild für die Kleinserie des Bristol Blenheim Speedster, von dem zwischen 2002 und 2011 je nach Quelle zwischen zehn und 15 Exemplare entstanden.

Bilder: © Bill Pack