Automotive Art 33 – Trevis-Offenhauser
Rennfahrzeuge, die ausschließlich auf US-Rennstrecken unterwegs waren, sind in Europa häufig fast gänzlich unbekannt. Das macht sie jedoch nicht uninteressant. Oftmals fanden die Techniker jenseits des Atlantik interessante Detaillösungen und feines Design für ihre Ovalrennwagen. Bill Pack beleuchtet diesmal ein Auto, das 1961 erfolgreich an den 500 Meilen von Indianapolis teilnahm.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
1961 Trevis-Offenhauser – Designed by A.J. Watson
Der Name auf dem Auto ist Trevis-Offenhauser, aber die DNA oder der Ursprung des Autos ist ganz bei A.J. Watson.
Im Sommer 1960 wurde der Wagen des berühmten Rennfahrers A.J. Foyt von ther Bowes Seal Fast Company gesponsert, deren Miteigentümer Robert Bowes und Crew Chief George Bignotti waren. Bignotti wollte ein neues Auto für das Rennen im Jahr 1961 haben. Zu dieser Zeit war der Roadster des Konstrukteurs A.J. Watson bereits gut erprobt, bewährt und so begehrt, dass kein Exemplar verfügbar war. Bignotti fand jedoch einen Weg, dieses Dilemma zu lösen. Er stellte Floyd Trevis ein, weil dieser als Konstrukteur erfolgreich und mit Watson gut befreundet war.
Floyd Trevis war ein berühmter Autokonstrukteur, der ein Händchen dafür hatte, die besten Elemente eines Autos zusammenzustellen, um den Erfolg zu sichern. Er traf zwei wichtige Entscheidungen. Die erste war die Verwendung des 255-Kubikzoll-Offenhauser-Vierzyliner-Reihenmotors (4.179 ccm) mit doppelter obenliegender Nockenwelle, Kraftstoffeinspritzung und Methanol-Kraftstoff. Zu dieser Zeit gab es keinen anderen Namen als Offenhauser, wenn man einen erfolgsversprechenden Motor in ein US-Rennauto einbauen wollte. Die zweite Entscheidung war, eine bewährte Konstruktion zu übernehmen. Ihm war klar, dass zu diesem Zeitpunkt und bei diesem Projekt kein eigenständiger Fortschritt möglich war. In weiser Voraussicht baute er daher eine direkte Kopie des Wagens nach den Plänen des Konstrukteurs A.J. Watson.
In der heutigen Welt und insbesondere in den USA hätte dieser Fall jahrelange Gerichtsstreitigkeiten mit endlosen Diskussionen ausgelöst. Was es wirklich offenbart, ist den Charakter eines Mannes, der zweifellos einer der größten Rennwagenkonstrukteure seiner Zeit war. Wenn Watson nicht in der Lage war, weitere neue Aufträge anzunehmen und zu erfüllen, lieh er seine Entwürfe und Blaupausen einfach an seine Freunde aus. Das war zum Teil der Grund, warum Bignotti Trevis einstellte, oder wahrscheinlich der ganze Grund.
Die Kultur in Watsons Werkstatt steht in krassem Gegensatz zur heutigen Geschäftswelt, in der Aufträge schriftlich vergeben werden. Die meisten der Leute, die an Watsons Autos arbeiteten, waren eigentlich bei Lockheed angestellt und kamen nach ihrer Arbeit vorbei, um an den Rennwagen zu schrauben. Einfach nur, weil es A.J. Watson war. Sie erwarteten dafür keine Bezahlung. Das war ein Überbleibsel aus seinen Hotrod-Tagen in Glendale, wo er aus purer Liebe am Erschaffen außergewöhnliche Maschinen gebaut hatte.
Watsons Autos als „außergewöhnliche Maschinen“ zu bezeichnen, ist noch milde ausgedrückt. In den 1950er und 60er Jahren gab es keinen anderen Namen, der das Indy-500-Rennen derartig dominierte. Zeitweise schien es, als ob das gesamte Feld der 33 Autos entweder von A.J. Watson gebaut wurde oder seinen Plänen entstammte.
Der stets bescheidene Mann hielt es nie für nötig, sich für die Siege von Autos zu bedanken, die er nicht selbst gebaut hatte, die aber aufgrund seiner Entwürfe existierten. Dies war 1961 der Fall, als A.J. Foyt sein erstes Indy 500 in einem Trevis-Offenhauser gewann, der nach Watsons Design gebaut worden war. Zum Teil lag es an seiner Person, aber auf der Gasoline Alley wusste jeder, wer „The Man“ war. Es waren keine Worte nötig, denn A.J. Watson „The Man“ sprach durch die Kraft seiner Entwürfe.
In dieser Bildersammlung entdecken Sie diese kraftvolle Sprache, die sich über zwei Jahrzehnte auf das Indy 500 erstreckte.
Trevis-Offenhauser – Details – von Matthias Kierse
Über das Indianapolis 500 ist in Europa wenig bekannt. Und wenn, dann wissen die meisten Menschen nur, dass es sich um ein gegen den Uhrzeigersinn ausgetragenes Ovalrennen mit langer Tradition ist. Zudem ist der „Brickyard“, die Start-Ziellinie aus Ziegelsteinen, durchaus berühmt. Ihr Ursprung ist hingegen eher bei US-Rennfans bekannt. 1909 entstand der gesamte Rennkurs in Indianapolis aus Kieselsteinen und Sand. Nach diversen Unfällen aufgrund des rutschigen Fahrbahnbelags wechselte man auf Ziegelsteine – 3,2 Millionen Ziegelsteine insgesamt. Entsprechend rauh war die Fahrbahnoberfläche. Heute ist nur noch der Strich auf Höhe von Start und Ziel übriggeblieben, während der Rest schon lange asphaltiert wurde. Für die Formel 1 baute man zudem Anfang der 2000er Jahre einen Infield-Kurs, der nur die erste von vier überhöhten Kurven nutzte. Allerdings fuhr die europäische Königsklasse des Motorsports mit dem Uhrzeigersinn, also rechtsrum.
1961, als A.J. Foyt mit dem von Bill Pack abgelichteten Trevis-Rennwagen aus der Feder von A.J. Watson beim Indy 500 antrat, fuhr man letztmalig auf der gepflasterten Start-Ziel-Geraden. Wenige Monate später rückten Baumaschinen an und asphaltierten auch diesen Bereich – abgesehen vom heute berühmten Streifen. Wenn man sich die vergleichsweise schmalen Reifen auf dem Trevis-Offenhauser ansieht, möchte man sich eigentlich nicht vorstellen, damit in jeder Runde zweimal einen Untergrundwechsel von Ziegelsteinen auf Asphalt und zurück zu erleben – bei voller Geschwindigkeit in überhöhten Steilkurven.
Zum ersten Mal seit 1949 gehörte das Indy 500 1961 nicht mehr zum Kalender der Formel-1-Weltmeisterschaft. Obwohl es kriegsbedingt erst die 45. Ausgabe war, feierte man 50 Jahre Indy 500. Vor dem Start drehte der inzwischen 81-jährige erste Gewinner des Indy 500, Roy Harroun, eine Ehrenrunde mit seinem Marmon Wasp von 1911. Während des Qualifikationstrainings konnten sich 25 Fahrer nicht für das Hauptrennen qualifizieren. Dieses ist bereits seit vielen Jahren auf maximal 33 Teilnehmer limitiert. Auf der Pole Position stand 1961 Eddie Sachs. Der eigentliche Rennfavorit Tony Bettenhausen senior kam während des Trainings ums Leben, als die Vorderachse seines Rennwagens kollabierte.
Wie immer ging das eigentliche Rennen über 200 Runden, um die Distanz von 500 Meilen zu überschreiten. Bis zur 94. Runde wechselte die Führung immer wieder zwischen diversen Fahrern. Dann setzten sich A.J. Foyt und Eddie Sachs an die Spitze und fochten den Rennsieg unter sich aus. Als Foyt in der 183. Runde die Boxengasse ansteuerte, um nachzutanken, sah es danach aus, dass Sachs die restliche Renndistanz problemlos abspulen und gewinnen würde. Doch dann sorgte ein Reifenschaden hinten rechts drei Runden vor Schluss doch noch einmal für einen Führungswechsel. Sachs musste sich mit dem zweiten Rang hinter A.J. Foyt zufriedengeben.
Leider kam es in der 127. Runde zu einem weiteren Todesfall. Eddie Johnson hatte sich mit seinem Rennwagen in der vierten Kurve gedreht und war leicht in die Mauer im Infield eingeschlagen. Dadurch entwickelte sich ein kleineres Feuer, zu dessen Löschung ein Feuerwehr-LKW entsandt wurde. Einer der Marshals, der auf der Ladefläche saß, war John Masariu. Bei einem Wendemanöver fiel er offenbar herunter und wurde tragischerweise anschließend vom rückwärts fahrenden Feuerwehrwagen überfahren und tödlich verletzt.
Es gab im Teilnehmerfeld auch eine Neuheit, die in den kommenden Jahren von vielen Teams übernommen werden sollte und heutzutage selbstverständlich ist. Obwohl das Indy 500 nicht mehr Teil des Formel-1-Kalenders war, hatte Jack Brabham einen Cooper T51 aus Großbritannien importiert und für das Rennen gemeldet. Im Gegensatz zu allen anderen Fahrzeugen verfügte dieser bereits über einen Mittelmotor hinter dem Fahrersitz. Trotz relativ geringer Motorleistung gelang ihm ein 13. Startplatz und im Ziel die neunte Gesamtposition.
Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse
Bilder: © by Bill Pack