Automotive Art 31 – Scarab

Haben Sie schon einmal vom Scarab gehört? Dieser Rennsportwagen entstand Ende der 1950er Jahre in kleiner Auflage in den USA. Er erhielt nicht nur ein schönes Design, die Technik konnte zudem mit europäischen Konkurrenten mithalten.

Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.

In den Kopf des Designers – von Bill Pack

Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.

1958 Scarab Mk.I – Designed by Chuck Belly

Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung lief bis zum 15. März 2020 und zeigte 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.

Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.

Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.

Eines dieser Ziele lag im Südwesten der USA, wo ich den Tag mit Chucks Kreation, dem 1958er Scarab Mk.I, verbrachte.

Chuck Pelly ist zweifelsohne einer der größten Industriedesigner der Welt. Im Jahr 1972 gründete er DesignworksUSA, das als eines der zehn führenden Beratungsunternehmen für Industriedesign gilt.

Er hat sich mit fast allen Aspekten des modernen Lebens befasst. Die Vielfalt seines Designs ist verblüffend. Von Nokia-Telefonen, John Deere Traktoren, Zahnarztstühlen, Bühnenbildern für die Fernsehserie „Lost in Space“, einer viertürigen Limousine des Porsche 911, Condi-Möbeln bis hin zu BMW – die Liste geht weiter und die Auszeichnungen sind endlos.

Chuck wurde in den frühen Vierzigern geboren und verbrachte den größten Teil seines Lebens in Südkalifornien. Er studierte Design am berühmten Art Center College of Design in Pasadena, wo er schon in jungen Jahren einen Blick auf seine Zukunft warf. Noch vor seinem Abschluss entwarf er das, was als das schönste Rennauto aller Zeiten gilt. Er war gerade einmal 18 Jahre alt.

Beschreibung des Scarab auf der Webseite von Chuck Pelly:
„Seine klassische, üppige Karosserieform, die zu den ersten ihrer Art gehörte, zeichnete sich durch die langen Schwünge des vorderen Kotflügels aus, die in Verbindung mit dem hochgezogenen, runden Heck in den eng geformten hinteren Kotflügel übergingen und für ein lang anhaltendes, unvergessliches Aussehen sorgten.“

Es bedurfte der Zusammenarbeit vieler, um diese Legende zu schaffen, und in Südkalifornien, genauer gesagt in Culver City, spezialisierte sich in den frühen 1950er Jahren ein Kreis von Menschen mit einzigartigen Fähigkeiten, um einige der seltensten, schnellsten und attraktivsten Automobile der Welt zu produzieren.

Die Keimzelle eines solchen Kreises war Lance Reventlow. Er war ein junger Mann mit einer Vorliebe für alles, was schön und schnell war. Er hatte auch die Mittel, seine Leidenschaft zu finanzieren, was zur Entwicklung des Scarab Mk.I führte, der 1958 den Riverside Grand Prix gewann.

Durch die Erfahrung mit Lance Reventlow bei der Entwicklung des Scarab Mk.I lernte Chuck viele wertvolle Prinzipien, die seine Herangehensweise an Design und Designteams während seiner gesamten Karriere prägten.

In dieser Bildersammlung erhalten Sie Einblicke in die Denkweise und den Geist des 18-jährigen Chuck Pelly, zu einem Zeitpunkt, als er unwissentlich auf dem Weg zu Größe und großem Einfluss auf die Welt war. Sein Design und seine Auswirkungen auf uns gehen weit über die Wirkung eines Rennwagens hinaus, den Reventlow Scarab nannte.

Scarab – Details – von Matthias Kierse

Was macht man, wenn man als Rennfahrer spezifische Ideen für einen eigenen Sportwagen hat? In den 1950er Jahren bestand die Möglichkeit, den Traum auszuleben und eine eigene Sportwagenmarke aufzubauen – vorausgesetzt man hatte den finanziellen Hintergrund. Lance Reventlow verfügte sowohl über das rennfahrerische Können als auch über nötige Finanzen, da er einer der Erben des Woolworth-Imperiums war. Unter anderem startete er in der Formel 2. Bei einer Tour zu den großen europäischen Sportwagenherstellern stellte er schnell fest, dass ihm sein Reichtum nicht helfen würde. Die Teams behielten die besten Fahrzeuge für sich und verkauften allenfalls die Vorjahresautos an Privatfahrer wie ihn.

Also gab es nur eine Lösung: Selbst ein Rennauto entwickeln lassen und produzieren. Hierfür kaufte er die Sportwagenwerkstatt von Warren Olson in Los Angeles und begründete Reventlow Automobiles Inc. (RAI). Mithilfe des jungen Designers Chuck Belly und eines federleichten Gitterrohrrahmens von Troutman & Barnes entstand der wunderschöne Scarab. Hinter der Vorderachse montierte man einen aufgebohrten V8-Smallblock-Motor von Chevrolet und ein manuelles Getriebe aus der damals aktuellen Corvette.

Insgesamt entstanden drei Exemplare des Scarab, zwei Mk.I und ein leicht verbesserter Mk.II. Privatfahrer nutzten sie für Rennen der SCCA in ganz Nordamerika. Bis in die frühen 1960er Jahre hinein gab es nur wenige Konkurrenzfahrzeuge, die sich ernsthaft mit diesem amerikanischen Wagen messen konnten. Da es allerdings nie ein finanzstarkes Werksteam gab, blieb der wirkliche Vergleich zu europäischen Rennwagen aus. Ebenso nahm der Scarab nie an großen Rennveranstaltungen auf anderen Kontinenten teil. Einzig beim Riverside Grand Prix 1958 konnte der US-Wagen seine Fähigkeiten gegen europäische Werksmannschaften ausspielen und gewinnen. Unter anderem besiegte man damals Phil Hill in seinem Ferrari.

Unter der Leitung von Lance Graf von Haugwitz-Hardenberg-Reventlow, wie sein voller Geburtsname lautete, versuchte sich Scarab 1960 an einem Einstieg in die Formel 1. Hierfür entstanden eigens zwei entsprechende Rennwagen, die durch ihr Frontmotorlayout jedoch bereits vor dem ersten Start veraltet waren. Zudem hielten die selbst entwickelten Vierzylindertriebwerke mit desmodromischem Ventiltrieb die vielen Vibrationen und Bewegungen auf der Rennstrecke nicht aus. Man nahm an fünf Rennen teil, konnte jedoch nur beim Heimrennen in Riverside auf Rang zehn die Ziellinie erreichen.

Für 1961 entstand ein neues Formel-Rennauto mit Offenhauser-Motor, das von Chuck Daigh in der International Formula in Europa eingesetzt wurde. Durch einen schweren Unfall bei einem Rennen in Großbritannien wurde dieser Wagen zerstört und man baute für 1962 erneut einen Monoposto auf. Der nun genutzte Buick-Motor saß hinter dem Fahrer. Allerdings veränderte die FIA zeitgleich die Regeln für die große Formel-Klasse, wodurch der neue Scarab nie in Europa eingesetzt werden konnte. Tatsächlich kam er nur einmal zum Einsatz: beim Sandown International Cup, einem Formula Libre Rennen in Australien.

1963 entstand als finales Projekt ein zweisitziger Rennsportwagen, der erneut einen Buick-V8-Motor hinter den Sitzen erhielt. Lance Reventlow war so begeistert von diesem Auto, dass er die Zulassungsbehörden von Kalifornien irgendwie überzeugen konnte und tatsächlich Nummernschilder für den Rennwagen erhielt, um damit Testfahrten im Straßenverkehr zu machen. Trotz eines zweiten Platzes in Santa Barbara verlor er jedoch zunehmend das Interesse an seiner Sportwagenmarke. Er verkaufte das Unternehmen an den Texaner John Mecom junior, der bereits seit 1960 sein Mecom Racing Team betrieb. Nachdem im finalen Scarab ein Chevrolet-Motor eingesetzt worden war, erreichte A.J. Foyt damit einige Siege bei der Nassau Speed Week 1963 auf den Bahamas. Im Jahr darauf gewann Walt Hansgen das Bridgehampton 500.

Lance Reventlow verlagerte sein Interesse in andere Geschäftsfelder und machte einen Pilotenschein. 1972 plante er mit Geschäftspartnern ein Ski-Resort in Aspen, Colorado. Bei einem Besichtigungsflug mit Reventlow und Partnern an Bord steuerte ein unerfahrener Pilot die private Cessna in einem Gewitter in einen unübersichtlichen Canyon. Beim Versuch die Maschine durch einen Steigflug herauszusteuern überzog er jedoch die Maschine, was zum Absturz führte. Alle Insassen kamen ums Leben.

Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse

Bilder: © by Bill Pack