Automotive Art 30 – Porsche 356 A Convertible D

Mit einem weniger bekannten Vertreter der Sportwagenbaureihe 356 erfreut Bill Pack uns in dieser Ausgabe der Automotive Art. Den 356 A Convertible D präsentierte Porsche 1958 als Nachfolger des legendären Speedster. Allerdings war diese Version deutlich alltagstauglicher und komfortabler ausgestattet. Zudem erzählt sie die Geschichte eines fast in Vergessenheit geratenen Designers und einer deutschen Karosseriebaufirma.

Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.

In den Kopf des Designers – von Bill Pack

Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.

1959 Porsche 356 A Convertible D – Designed by Erwin Komenda

„Ein paar Meter entfernt von Berühmtheit“, dieser Satz beschreibt das Leben von Erwin Komenda, der die Karosserie des VW Käfers und die wichtigsten drei Zahlensätze der Geschichte gestaltete: 356, 550, 901 und die leichte Glasfaserkarosserie des 904. Doch die Geschichte gibt diese Informationen nicht ohne weitere wieder. Warum eigentlich?

Geboren wurde er am 6. April 1904 in Jauern am Semmering. Sein Vater war technischer Leiter des ersten Elektrizitätswerks in Semmering und Weyer-Enns, wohin die Familie 1913 übersiedelte. Erwin studierte von 1916 bis 1920 an der Höheren Technischen Lehranstalt für Eisenverarbeitung in Steyr. 1920 vollzog er einen Richtungswechsel und arbeitete als Automobilkonstrukteur in der Wiener Karosseriefabrik. Zwischen 1920 und 1926 absolvierte Erwin einen Karosseriekonstruktionskurs am Technischen Gewerbemuseum Wien.

1926 kam Ferdinand Porsche nach seinem Ausscheiden bei der Daimler-Benz AG als technischer Direktor nach Steyr. Hier lernten sich Erwin und Ferdinand zum ersten Mal kennen. 1929 wurde Erwin Chefkonstrukteur der Versuchs- und Karosserieentwicklungsabteilung der Daimler-Benz AG in Sindelfingen. 1933 übernahm er gemeinsam mit Ferdinand Porsche die Leitung der Karosserieabteilung im Konstruktionsbüro von Porsche. Eine Position, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1966 innehatte.

Mit dem Generationswechsel in der Familie Porsche entwickelte sich eine kontinuierliche Beziehungsveränderung zwischen Erwin Komenda und der Porsche-Familie. Am deutlichsten wurde dieser Bruch bei der Entwicklung des 901. Erwin wollte an den Lininen des 356 festhalten, während Butzi Porsche sportlichere, moderne Linien wollte. Am Ende wurde es eine Vermischung der Ideen, die die berühmteste Linienführung der Automobilwelt hervorbrachte, den 911.

Während Sie die Bilder dieses 1959er Porsche 356 A Convertible D betrachten, lernen Sie Erwin Komenda kennen und entdecken das Design jenes Mannes, der die berühmten Linien des 356 gezeichnet hat.

Porsche 356 A Convertible D – Details – von Matthias Kierse

Nicht nur das Lebenswerk von Erwin Komenda ist nahezu unbekannt. Gleiches gilt für die Firma Drauz, wo das Convertible D einst produziert wurde. Auch der Porsche 356 A Convertible D selbst gehört zu den weniger bekannten Varianten dieses Sportwagenmodells. Die Grundgestaltung entspricht dem 356 Cabriolet und dem 356 Speedster. Letzterer entstand bekanntlich auf Bestreben des damaligen US-Importeurs Max Hoffman, der eine günstige Einstiegsversion für rennverrückte Privatkunden haben wollte. Was einst als günstigste Version des 356 in den US-Preislisten auftauchte, ist heute eine der teuersten Möglichkeiten, einen Porsche 356 zu besitzen.

Allerdings behielt Porsche den 356 Speedster nur bis 1957 im Modellprogramm. Er hatte die in ihn gesetzten Erwartungen übertroffen und die kleine Sportwagenmarke in den USA und anderen Teilen der Welt berühmt gemacht. In Zuffenhausen sah man jedoch weiterhin Raum für eine zweite offene Variante neben dem klassischen Cabriolet. Hierfür tat man sich mit der Karosseriebaufirma Drauz aus Heilbronn zusammen. Bereits seit 1900 entstanden hier Kutschen und schließlich Aufbauten für NSU. So wuchs die Anzahl der Mitarbeiter bis zum Ersten Weltkrieg auf über 200. Nach dem Krieg spezialisierte sich Drauz auf die Anfertigung von Cabriolets und gewann Fiat und Adler sowie ab 1929 Ford als neue Abnehmer. Im gleichen Jahr übernahm man zudem den Konkurrenten Kellner aus Berlin.

Neben den Cabriolets baute Drauz ab 1933 auch LKW-Führerhäuser aus Stahl am Fließband. Dieses Angebot erweiterte man vier Jahre später um Omnibusse und Anhänger. 1944 zerstörten Fliegerbomben die Fertigungsanlagen. Somit ging es nach dem Krieg erst einmal nur mit Holzhandwagen weiter. Erst 1947 waren wieder genügend Produktionsmittel vorhanden, um erneut Omnibus-Aufbauten für Büssing und Henschel zu produzieren. Noch vor Kässbohrer entwickelte man 1951 eine selbsttragende Bus-Karosserie. Zudem blieben NSU und Ford als Kunden für Cabriolets oder das leichte Nutzfahrzeug Ford FK 1000 erhalten.

Porsche orderte bei Drauz ein leichtes und sportliches Cabrio mit dem grundlegenden Design des Speedsters. Als Veränderung kam eine höhere Windschutzscheibe zum Einsatz, die zum einen mehr Schutz vor der Witterung bot und zum anderen ein richtiges Verdeck ermöglichte. Beim Speedster hatte es zuvor nur ein Notverdeck oder alternativ eine Persenning gegeben, wobei letztere sich hauptsächlich für den geparkten Wagen eignete. Das „Convertible D“ (D für Drauz) genannte Modell erhielt zudem Kurbelfenster anstelle der Steckscheiben beim Speedster. Fahrer und Beifahrer saßen auf den normalen Sitzen aus dem 356 Coupé und Cabriolet. Zwischen 1958 und 1961 entstanden 3.514 Exemplare, was rund 16,7 Prozent der gesamten Produktion des Porsche 356 A entspricht.

Die Karosserieabteilung von Drauz wurde 1965 von NSU übernommen, während sich die restliche Firma Drauz auf Anlagen- und Werkzeugbau konzentrierte. Weitere Fusionen, Umstrukturierungen und Verkäufe der Firma führten zur Umbenennung in Krupp Drauz und schließlich in ThyssenKrupp Drauz. Heute existiert sie als ThyssenKrupp System Engineering weiter.

Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse

Bilder: © by Bill Pack