Automotive Art 29 – Duesenberg Indy
Der Name Duesenberg ist selbst in Deutschland bekannt. Kein Wunder, immerhin stammten die Gebrüder Duesenberg aus dem Lipperland. 1914 errangen sie erste Rennerfolge. Am Steuer saß dabei ein späterer Nationalheld, Eddie Rickenbacker. Zu tollen Bildern von Bill Pack erzählen wir einige Anekdoten dieser Ära.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
1914 Duesenberg Rickenbacker Indy – Designed by Fred und Augie Duesenberg
Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung lief bis zum 15. März 2020 und zeigte 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.
Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.
Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.
Eines dieser Ziele lag am „Brickyard“, dem Indianapolis Motor Speedway, wo ich den Tag mit der Schöpfung zweier Brüder, dem Duesenberg Rickenbacker Indy von 1914, verbrachte.
Der Zeitplan für meine Grand Tour durch Amerika war sorgfältig geplant und gestaltet. Was jedoch nicht einkalkuliert war, war das Datum, an dem wir in Indianapolis ankamen, um den Duesenberg zu fotografieren. Es war zufällig die Testwoche beim Indy 500. Wir verbrachten zwei Tage an der berühmten Rennstrecke, um Bilder von drei ikonischen Indy-Rennwagen für „Legends of Speed“ zu erstellen, während die Test- und Einstellfahrten für das am Wochenende folgende Zeitfahren im Gange waren. Die Motorengeräusche der modernen Indy-Cars hallten durch den Raum, während ich Bilder von legendären Autos aus der Vergangenheit des Indy 500 schuf. Das ist eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
Fred und Augie wanderten Mitte der 1880er Jahre aus Deutschland in die kleine Stadt Rockford in Iowa ein. Ohne formale Ausbildung, aber mit einem natürlichen Gespür dafür, wie die Dinge funktionieren, begann Fred mit der Arbeit an landwirtschaftlichen Geräten und Windmühlen. Der Weg der beiden Brüder zum Automobil führte über Fahrräder und Motorräder. Getreu dem Markenzeichen des deutschen Designs legten die Brüder Wert auf Effizienz und Zweckmäßigkeit. Sie ergänzten sich gegenseitig, Fred hatte den Kopf für Design und Augie den Geschäftssinn und das handwerkliche Auge.
Gleich bei ihrem ersten Versuch qualifizierten sich die Brüder 1912 mit einem Mason mit Vierzylindermotor beinahe für das Indy 500. 1913 verließen sie Iowa und zogen nach Minnesota um, wo sie die Duesenberg Motor Company begründeten. Freds natürliche Begabung als Ingenieur soll sogar die von Harry Miller übertroffen haben, über den wir in Automotive Art 22 berichtet haben, was in der Tat ein großes Lob ist.
Die Geschichte erhielt noch mehr Textur und Ruhm, als Eddie Rickenbacker 1914 Werksfahrer von Duesenberg für das Indianapolis 500 wurde. Das Team erreichte Platz 10 in diesem Rennen, aber der Ruhm begann mit der nächsten Veranstaltung, einem 300-Meilen-Rennen in Sioux City, Iowa, am Unabhängigkeitstag 1914.
Vor 42.000 Zuschauern erwischte Rickenbacker einen guten Start, in der 20. Runde lag er auf Platz drei. In Runde 30 war er bereits Zweiter, nur 17 Sekunden trennten ihn vom Führenden Spencer Wishart. Die beiden lagen für den Rest des Rennens Kopf an Kopf. Wishart hatte einen schlechten Boxenstopp und Rickenbacker übernahm die Führung. Eddie bemerkte fünf Runden vor Schluss, dass er zu wenig Öl im Motor hatte. Er drehte sich zu seinem Mechaniker auf dem Beifahrersitz um, um diesen darüber zu informieren, fand ihn aber bewusstlos mit einem großen Pinsel auf der Stirn vor. Nicht wissend, ob er überlebt hatte oder nicht, griff Rickenbacker über seinen Mechaniker weg und pumpte selbst Öl in den Motor. Sie beendeten das Rennen mit nur 48 Sekunden Vorsprung vor Wishart. Der Mechaniker wachte in den Boxen auf und erfuhr, dass sie das Rennen gewonnen hatten.
Der Sieg in Sioux City zementierte Rickenbackers Ruf als Fahrer und war der Beginn einer illustren Autorennsportgeschichte für Fred und Augie Duesenberg. Entdecken Sie in diesen kuratierten Bildern das frühe Design von Fred und Augie, das zur Legende von Duesenberg wurde.
Duesenberg Rickenbacker Indy – Details – von Matthias Kierse
Heutzutage klingt es unvorstellbar, bei einem Ovalrennen einen Beifahrer im Auto zu haben. Egal ob man sich die aktuelle Indy-Car- oder die Nascar-Serie ansieht, stets handelt es sich um einsitzige Rennfahrzeuge. Vor dem Ersten Weltkrieg verhielt sich das noch anders. Wie im Textteil von Bill weiter oben ersichtlich, hatte Edward ‚Eddie‘ Vernon Rickenbacher (erst 1917 ließ er die Schreibweise auf Rickenbacker ändern) bei seinem ersten großen Sieg wie auch kurz zuvor beim Indy 500 einen Mechaniker dabei. Dies war notwendig, da es zu diesem Zeitpunkt weder elektrische Benzin- noch Ölpumpen gab. Stattdessen musste der „Schmiermaxe“, wie er im deutschsprachigen Bereich gern genannt wurde, von Hand dafür sorgen, dass genug Schmierstoff zum Motor gelangte. Bei Rennen auf kurvigem Geläuf diente er dem Fahrer zudem als Kontergewicht und musste sich zuweilen weit aus dem fahrenden Auto herauslehnen.
Das alles klingt ein wenig nach lang vergangenen Zeiten. Für manchen Leser dieser Zeilen dürfte auch der Duesenberg von 1914 einfach nur ein uraltes Auto sein, das man im Museum möglicherweise links liegen lässt. Gerade diese Fahrzeuge erzählen jedoch manchmal hochspannende Geschichten. Dazu zählt auch das Rennen in Sioux City am 4. Juli 1914, dem amerikanischen Independence Day. Duesenberg setzte damals zwei Fahrzeuge ein, die bereits für das Indy 500 kurz zuvor in die Farben der amerikanischen Flagge lackiert worden waren und diese Flagge auch seitlich an der Motorhaube zeigten. Neben Rickenbacker steuerte ein Fahrer namens Alley den zweiten Wagen. Bei einem Boxenstopp geriet dieser Duesenberg kurzzeitig in Brand und verletzte Alley dabei leicht im Gesicht. Anstatt das Rennen für diesen Wagen zu beenden, akzeptierte Duesenberg das Angebot eines Konkurrenten. Ralph Mulford war eigentlich mit einem Peugeot gestartet, hatte diesen jedoch kurz zuvor mit einem Defekt abstellen müssen. Da er im Vorjahr als Werksfahrer für Duesenberg unterwegs gewesen war, kannte er das Team gut und bot nun an, den nur leicht beschädigten Wagen weiterzufahren. Am Ende belegte er Platz drei.
Tatsächlich ging es der jungen Automarke Duesenberg Mitte 1914 finanziell nicht besonders gut. Kurz vor dem Rennen in Sioux City hatte sich ein wichtiger Investor zurückgezogen. Somit stand man mit dem Rücken zur Wand. Der Sieg von Eddie Rickenbacker in Kombination mit dem dritten Platz durch Alley und Mulford brachte jedoch ein Preisgeld in Höhe von 12.500 US$ ein, was damals eine hohe Summe war. Hinzu kamen Sachpreise und natürlich die Trophäen, die sich werbewirksam einsetzen ließen.
Normalerweise findet das Indianapolis-500-Rennen rund um den amerikanischen Unabhängigkeitstag herum statt. 1914 gab man diesen Termin jedoch an Sioux City ab, wo der neue Ovalrundkurs mit rund zwei Meilen Länge mit diesem Rennen eingeweiht wurde. Während beim Indy in jener Zeit erstmalig europäische Hersteller wie Peugeot auftrumpften und Siege einfuhren, fielen diese Fahrzeuge in Sioux City größtenteils früh aus. Dadurch konnten an diesem wichtigen nationalen Feiertag amerikanische Marken brillieren.
In den ersten Runden lag Bob Burman in Führung. Nach einem Reifenplatzer reihte er sich auf Rang vier wieder ein und bot seinen Konkurrenten einen ordentlichen Kampf um die Positionen. Allerdings hatten Experten bereits vor dem Rennen vorhergesagt, dass sein Auto die Distanz voraussichtlich nicht überstehen würde. So kam es auch. Motorenprobleme sorgten für einen Ausfall. Somit übernahm Wishart in einem Mercer vor Mulford (zu diesem Zeitpunkt noch im Peugeot unterwegs) und Barney Oldfield in einem Stutz die Führung. Eddie Rickenbacker ging das 300-Meilen-Rennen kleverer an. Er fuhr nicht am Limit, sondern lieber konstante Rundenzeiten. Dadurch arbeitete er sich konstant weiter nach vorne und profitierte von den Defekten seiner schnelleren Konkurrenten. So fiel Oldfield nach 100 gefahrenen Meilen ebenfalls mit Motorschaden aus.
Bei der 200-Meilen-Marke lag Rickenbacker bereits vorn, gefolgt von Wishart und Mulford, der inzwischen den zweiten Duesenberg steuerte. Nach seinem letzten Boxenstopp ließ Eddie Rickenbacker seinen Rennwagen endgültig von der Kette und zeigte das Potenzial der Konstruktion durch Toprundenzeiten auf. Nachdem er als Sieger die Ziellinie überquert hatte, galt sein Interesse ganz seinem persönlichen Maskottchen. Seit einigen Rennen folgte ihm eine Katze auf Schritt und Tritt.
In späteren Jahren wurde Eddie Rickenbacker zum Fliegerass der amerikanischen Luftwaffe während des Ersten Weltkriegs. Dazu kam es durch einen Vertrag mit dem britischen Sunbeam-Rennteam für die Saison 1917, der ihn ins Stammwerk in Wolverhampton führte. Bereits vor seiner Abreise aus den USA gesellten sich zwei Agenten von Scotland Yard an seine Seite, die ihn bis zu seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten nicht mehr aus den Augen ließen. Der Grund hierfür war ein falsch recherchierter Artikel der Los Angeles Times von 1914, in dem Rickenbacker als enterbter Sohn eines preussischen Barons bezeichnet wurde. Da Großbritannien mit den Preußen im Krieg war, wollte man sich keinen Spion ins Land holen und ging daher bei Rickenbacker keinerlei Risiko ein. Er hingegen sah über seinem Hotel die Flugzeuge der Royal Flying Corps in der Luft und entschloss sich, im Falle eines Kriegseintritts der USA ebenfalls als Pilot dabeizusein.
Seine Idee, Rennfahrer und Mechaniker zu Piloten und Copiloten auszubilden, wurde vom Militär ignoriert. Man wollte lieber gebildete College-Absolventen in den Flugstaffeln haben. Rickenbacker erarbeitete sich in seiner Militärzeit in Frankreich schließlich doch noch eine Flugausbildung und schoss innerhalb eines Monats fünf gegnerische Maschinen ab, was ihn zum Ass beförderte. Als Anführer der 94. Staffel sorgte er für weitere Abschüsse und ein bis dahin unbekanntes Teamgefühl unter den Piloten. Obwohl er offiziell als Major die Armee verließ, nutzte er stets seinen Rang als Captain, den er für angemessener hielt.
Nachdem er viermal versucht hatte, nonstop die USA zu überfliegen, suchte er sich neue Betätigungsfelder. Gemeinsam mit Ray McNamara stellte er 1922 in New York das erste Rickenbacker Automobil vor. Allerdings bestand seine Automarke nur bis November 1924. Drei Jahre später erwarb Eddie Rickenbacker den Indianapolis Motor Speedway. In den folgenden eineinhalb Jahrzehnten sorgte er für modernisierte Gebäude rund um den Kurs und weitere Verbesserungen. 1941 fand das letzte Indy 500 vor dem Zweiten Weltkrieg statt. Eddie sah sich gezwungen, seinen geliebten Rundkurs zu schließen, da weitere Rennveranstaltungen kriegswichtiges Benzin, Gummi und andere Rohstoffe verbraucht hätten. Vier Jahre darauf verkaufte er das Gelände an Anton Hulman junior.
Dies sind nur wenige Stationen im Leben von Eddie Rickenbacker. Als umtriebiger Unternehmer war er an vielen Firmen beteiligt, oft in leitenden Positionen eingesetzt und durch seine Ehe zudem bestens mit General Motors vernetzt. Er überlebte 1941 knapp einen Flugzeugabsturz, schrieb die Geschichte für einen in den USA bekannten Comic und überlebte schließlich 1942 eine Notwasserung eines Militärflugzeugs im Pazifik. Zudem besuchte er noch während des Zweiten Weltkriegs die Sowjetunion und brachte wichtige Erkenntnisse mit in den Westen. Am 23. Juli 1973 starb er nach einem Schlaganfall mit anschließender Lungenentzündung in Zürich. Dorthin war er eigentlich gereist, um gesundheitliche Unterstützung für seine Frau zu suchen. Sie nahm sich vier Jahre später das Leben, um ihrem Mann zu folgen.
Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse
Bilder: © by Bill Pack