Automotive Art 28 – Alfa Romeo Giulia Sprint Speciale
Wunderschöne italienische Autos hatten oft eines gemeinsam: Sie kamen von Alfa Romeo. Besonders in der Ära von den 1950er bis 1970er Jahren entstanden in Mailand Fahrzeuge, die Autofans bereits bei ihrer Präsentation den Atem raubten. Bis heute können diese Modelle optisch auf den ersten Blick überzeugen. Dies gilt auch für die Giulia Sprint Speciale.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
1966 Alfa Romeo Giulia Sprint Speciale – Designed by Franco Scaglione
Franco Scaglione war ein echter Renaissance-Mensch, denn er liebte klassische Musik und Tiere. Er hatte ein unglaublich gutes Auge für Details, das in der gesamten Automobildesignbranche bekannt war. Seine Designs waren zeitlos in ihrer Schönheit und Eleganz. Seine Kreationen der Alfa Romeo B.A.T. Trilogie Konzeptfahrzeuge werden oft als einige seiner größten Erfolge bezeichnet. Franco Scagliones frühe Jahre begannen mit dem Entwerfen von Kleidung für italienische Modehäuser. Diese Prägung formte seine Designphilosophie der Raffinesse, die zum Synonym für den Namen Franco Scaglione geworden ist.
Nuccio Bertone stellte Scaglione 1951 ein. Später erinnerte er sich an die erste Begegnung: „Er hatte keinen Autohintergrund, aber in seinem Herzen wollte er Designer werden. Er kam aus einer alten, angesehenen Familie, sprach vier Sprachen und war intelligent. Ich schlug ihm vor, für mich zu arbeiten, unter der Bedingung, dass er seine etwas revolutionären Ideen an meine praktischen Beobachtungen anpasst, damit sie realistisch bleiben.“
Von Anfang an kann man beobachten, wie sich ein Riss zwischen Bertone und Scaglione bildete: ein klassischer Kampf zwischen Kunst und Kommerz. Trotz dieses Konflikts, oder gerade deswegen, steht das, was in dieser Zeit geschaffen wurde, noch immer als reine Schönheit da. Trotz der Komplimente von Bertone war Scaglione bereits ein aktiver Automobildesigner, als sich die beiden trafen.
Wenn man sich seine Entwürfe ansieht, wird klar, dass Scaglione eine unglaubliche Design-Intuition hatte. Mit seinem kreativen und raffinierten Auge zeichnete seine linke Hand das, was er in seinem Kopf sah, in die Existenz. Giovanna, seine Tochter, sagte über ihn: „Aerodynamik war seine Muse, aber er verband sie immer mit Eleganz. Er versöhnte seine technische Ausbildung als Luftfahrtingenieur mit einem angeborenen Geschmack für Schönheit.“
Ich glaube, die Formulierung „ein angeborener Geschmack für Schönheit“ ist das, was Scaglione auszeichnet. Seine Entwürfe mussten technisch einwandfrei sein, aber sie mussten auch schön aussehen. Wenn Sie meine Bilder der Giulia Sprint Speciale betrachten, entdecken Sie Franco Scaglione in den Linien seines Designs und seinen „angeborenen Sinn für Schönheit“ wieder.
Alfa Romeo Giulia Sprint Speciale – Details – von Matthias Kierse
Die Geschichte der Giulia Sprint Speciale geht zurück bis ins Jahr 1954. Unter dem internen Kürzel 750 präsentierte Alfa Romeo auf dem Turiner Autosalon das neue Mittelklassemodell Giulietta. Neben der klassischen Limousine gab es das Coupé namens Sprint. Dessen Form entstand als Kooperation zwischen Mario Felice Boano von Ghia und Franco Scaglione von Bertone, wo diese Version schließlich auch gebaut wurde. Im Sommer 1955 folgte der offene Spider mit Karosserie von Pinin Farina. Absolute Raritäten blieben der Sprint Zagato und der Promiscua getaufte Kombi. Hinzu gesellte sich noch der Sprint Speciale mit den aufregenden Formen von Scaglione.
Im Vergleich zu den B.A.T.-Modellen zeigte sich der Sprint Speciale deutlich entschärfter. Eindeutige Einflüsse von Nuccio Bertone auf das schöpferische Genie Scaglione. Allerdings blieben ein paar verspielte Details wie die Rückleuchten und die spitze Frontpartie erhalten. Unter der Motorhaube steckte ein 1,3 Liter großer Vierzylinder. Im Vergleich zum normalen Giulietta sorgte Alfa Romeo durch eine höhere Verdichtung und zwei Doppelvergaser für eine Leistungssteigerung auf 74 kW/100 PS. In Kombination mit dem manuellen Fünfgang-Getriebe war so eine Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h möglich.
Den ersten Prototypen der Giulietta Sprint Speciale zeigte Alfa Romeo 1957 auf dem Turiner Autosalon. Erst 1959 erreichte das Modell Produktionsreife und auch den deutschen Markt, wo es mit 23.000 DM relativ hoch eingepreist wurde. Die ersten 101 Fahrzeuge erhielten eine niedrigere ‚Nase‘, um das Modell für den Motorsport zu homologieren. Einige Wagen entstanden auf besonderen Kundenwunsch mit Aluminiumkarosserien. Der Rest bestand aus Stahl mit Türen und Hauben aus Aluminium. In der späteren Serie (intern Tipo 101.20) kamen Stahltüren zum Einsatz. Bis 1961 entstanden 1.366 Exemplare. Anschließend erfolgte eine Umbenennung auf Giulia Sprint Speciale (intern Tipo 101.21). Der Grund hierfür lag in der Markteinführung der neuen Giulia Berlinetta als Nachfolgemodell der Giulietta.
Obwohl das Design von Franco Scaglione nicht mehr dem typischen Zeitgeschmack entsprach, entstand die Giulia Sprint Speciale bis 1966 rund 1.400-mal. Unter die Motorhaube wanderte nun ein 1,6 Liter großer Vierzylindermotor mit 84 kW/114 PS. Gegen Aufpreis waren Scheibenbremsen an der Vorderachse lieferbar. Innen erhielt die Giulia Sprint Speciale ein neues Armaturenbrett mit Lederunterseite und verändertem Handschuhfach.
Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse
Bilder: © by Bill Pack