Automotive Art 27 – Franklin Model D
Unser Automotive Art Feature führt uns diesmal weit zurück in die amerikanische Automobilgeschichte. Im Jahr 1911 startete der Franklin zu einem Ausdauerrennen von Los Angeles nach Phoenix. Straßen im heutigen Sinne gab es kaum. Vieles fand auf Feld- und Bauernwegen sowie in der Wüste statt.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
1911 Franklin Model D – Designed by H.H. Franklin und John Wilkinson
Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung lief bis zum 15. März 2020 und zeigte 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.
Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.
Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.
Eines dieser Ziele lag in der Prärie der USA, wo ich den Tag mit einer Kreation von H.H. Franklin und John Wilkinson verbrachte, dem Franklin von 1911.
Ich muss zugeben, dass mein Auge magisch von den stilistischen Linien von Giorgetto Giugiaro, Pietro Frua, Malcolm Sayer, Franco Scaglione und Sergio Scaglietti angezogen wird, um nur einige zu nennen. Die meisten Menschen fühlen sich zu einer Art von Kunst, Musik und Autos hingezogen, in der Regel aus einem bestimmten Jahrzehnt in ihrem Leben. Dieses Auto, das wir heute beleuchten, und seine Geschichte, die mir der Besitzer erzählt hat, haben das für mich geändert.
Wenn ich den Begriff ‚luftgekühlter Motor‘ höre, fällt mir Porsche ein. Wenn ich den Begriff ‚Langstreckenrennen‘ höre, denke ich an Le Mans. Bei ‚Offroad-Rennen‘ ist es die Baja 1000. Die Wurzeln für all diese ikonischen Rennen und Innovationen liegen in diesem einen Rennwagen aus den Anfängen der 1900er Jahre. Die kurze Geschichte ist, dass im Jahr 1901 John Wilkinson, der Ingenieur und Erfinder des ersten elektrischen Startermotors für ein Automobil, einen luftgekühlten Automotor baute. Er lernte daraufhin H.H. Franklin kennen, der zu dieser Zeit Modellautos aus Zinkdruckguss herstellte. Die H.H. Franklin Manufacturing Company mit Wilkinson machte nun den mutigen Schwenk hin zum Bau echter Automobile.
Teil zwei der Geschichte spielt in Los Angeles beim renommierten südkalifornischen Franklin-Händler Ralph Hamlin, der sich als Promoter hervortat. „Es war nicht einfach, luftgekühlte Fahrzeuge zu verkaufen“, schrieb er in ‚Five Years on the Desert‘, „meine Konkurrenten, die alle wassergekühlte Autos verkauften, erzählten den Interessenten, dass, wenn Luftkühlung so gut wäre, der Rest der Autos sie auch benutzen würde.“ Also beschloss er, wie es Promotoren, wenn nicht seit jeher, so doch zumindest seit einigen Jahren, taten, mit dem Auto Rennen zu fahren, um die Zuverlässigkeit zu beweisen. „Ich nahm an jeder Veranstaltung teil, die sich anbot. Als das Wüstenrennen vorgeschlagen wurde, war das meine Chance, die Luftkühlung an die Spitze zu bringen, wenn ich gewinnen könnte“, und er hat gewonnen.
Er war nicht nur ein früher Befürworter der luftgekühlten Autos im Allgemeinen, sondern auch in Langstreckenwettbewerben. Wie könnte man besser für Ausdauer werben und Autos verkaufen als mit einem Ausdauerrennen? Das Wüstenrennen war ein 500-Meilen-Straßenrennen von Los Angeles nach Phoenix. Es galt als das zermürbendste Rennen in der amerikanischen Geschichte und bestand aus 80 Meilen unbefestigten Straßen und 420 Meilen über Postkutschen- oder Rinderpfade.
Ralph Hamlin tat sich mit Earle Anthony, einem berühmten Packard-Händler, und John Bullard, dem Generalstaatsanwalt für das Territorium von Arizona und Präsidenten des Maricopa Automobil Club, als Urheber dieses Wettbewerbs zusammen. Hamlin und Anthony organisierten die Motor Car Dealers Association und arbeiteten mit Bullard zusammen, um das erste Wüstenrennen im Jahr 1908 zu organisieren. Hamlin und Anthony wollten die Zuverlässigkeit von Automobilen beweisen, während Bullards Motivation darin bestand, die Notwendigkeit besserer Straßen zu fördern.
Hemmings schreibt: „Das Auto war 1911 richtig, und es ist auch heute noch richtig.“ Die Times nannte ihn „einen der bissigsten Motoren, die die Fabrik in Syracuse je hervorgebracht hat“, was in mehr als einer Hinsicht zutrifft. Es ist das stampfendste, stakkatoartigste Motorengeräusch, das wir je gehört haben. Die Auspuffgeräusche sind deutlich und dank des Franklin-Auslassventils am unteren Ende des Zylinders auch leicht unregelmäßig. Schon im Leerlauf ist es so, als würde ihnen jemand brennende Feuerwerkskörper an den Kopf werfen – piff, paff, piff, paff. Man spürt, wie die Luft komprimiert wird, während die Auspuffanlage aus den sechs kleinen und zwei großen, offenen Rohren explodiert und dich ein oder zwei Schritte zurückgehen lässt.
Der Besitzer startete den Wagen und fuhr eine Runde damit, bevor wir mit dem Fotoshooting begannen. Auf keinen Fall würde jemand an ein „Auto“ denken, denn „tief fliegendes Kriegsflugzeug“ ist das, was einem in den Sinn kommt. Es ist eine Geräuschwand aus purer Kraft.
Diese Geschichte und dieses Auto haben meine Wertschätzung für Vorkriegsautos verändert. Und dieses Auto und die Menschen um es herum haben viele Innovationen und Automobilsportarten erfunden, die wir heute noch genießen.
1911 Franklin Model D – Details – von Matthias Kierse
Für Leser, die nach 1970 geboren sind, gehören Vorkriegsautos vermutlich nicht mehr zum alltäglichen Bild. Weder im Straßenverkehr, noch in der heimischen Garage oder gar als Poster im Jugendzimmer kommen sie vor – es sei denn, man ist familiär vorbelastet. Wenn Opa und Papa Spaß an diesen wilden Autos haben und vielleicht sogar eine kleine Sammlung vorhanden ist, findet man schneller einen Zugang zu diesem Thema, als wenn man Automobile nur mit Katalysator, Servolenkung und ABS kennt. Doch all diese heute selbstverständlichen Annehmlichkeiten mussten erst einmal erfunden werden.
Auf der europäischen Seite des Atlantiks ist der 1911 gebaute Franklin eine fast unbekannte Erscheinung. Auch das 500 Meilen lange Rennen quer durch die Wüste von Arizona dürfte den wenigsten unserer Leser ein Begriff gewesen sein. Und doch stellen dieses Auto und seine Geschichte wichtige Bausteine auf dem Weg zu unserer heutigen Welt dar. Wenn es solche Pionierleistungen nicht gegeben hätte, wer weiß, wie heutige Autos aussehen würden – wenn sie überhaupt existieren würden. Das Auto von Hamlin trug oft den aufgepinselten Spitznamen Greyhound (Windhund), womit auf die Fahrleistungen Bezug genommen wurde.
Auf unseren Bildern ist ein Model D von 1910 zu sehen. Es belegte nachweislich den zweiten Platz beim Rennen im gleichen Jahr und wurde anschließend nur für wenige weitere Rennveranstaltungen genutzt. Ob darunter auch das Desert Race 1911 war, lässt sich nicht sicher sagen. In den Folgejahren bis 1970 stand der Franklin ungenutzt im Showroom eines Autohändlers in Oklahoma. Der folgende Besitzer stellte das Auto für zwei weitere Jahrzehnte in eine Lagerhalle. Inzwischen gehört es einem Sammler. Bis heute hat niemals eine Restaurierung stattgefunden, wodurch dieser Rennwagen authentisch zeigt, welche Aufgabe es gewesen sein muss, Anfang der 1900er Jahre durch die Wüste zu fahren. Vor allem bei einer theoretisch möglichen Höchstgeschwindigkeit von 85 mph (136,7 km/h) ohne Gurte, Dach oder große Windschutzscheibe. Ahnen Sie nun, warum die damaligen Rennfahrer oft als ‚Helden‘ beschrieben werden?
Heutzutage ist kein anderes Auto mehr als existent bekannt, das damals an diesem Wüstenrennen teilgenommen hat. Da es sich um Rennfahrzeuge handelte, wurden sie häufig gefahren, bis sie kaputtgingen und dann verschrottet. Einen sentimentalen oder gar monitären Wert maß man solchen Autos erst Jahrzehnte später zu. Diese Entwicklung gab es bekanntlich auch noch viel später mit Fahrzeugen wie dem Ferrari 250 GTO. Den heutigen Wert des Franklin Model D kann man nur schwerlich beziffern, da es kein vergleichbares zweites Exemplar mehr gibt.
Für das Wüstenrennen gab es übrigens nie einen offiziellen Namen. In der damaligen Presse gab es neben der Bezeichnung ‚Desert Race‘ auch die Namen ‚Cactus Derby‘ oder ‚Sand Party‘. Unter den teilnehmenden Fahrern war es jedoch das ‚Los Angeles to Phoenix Desert Race‘ oder kurz nur das ‚Desert Race‘. Es wurde von 1908 bis 1914 jährlich einmal ausgetragen. Dabei wechselte jedes Mal die zu fahrende Route, wodurch sich Fahrtzeiten zwischen 16 und 35 Stunden ergaben. Zwischen sandigen Dünen und felsigen Passagen ging es auch durch steile Canyons und über Passagen mit spitzen Steinen.
Reifenschäden gehörten ebenso zur Tagesordnung wie mechanische Defekte durch Hitze und Überbeanspruchung. Allerdings konnte es nachts auch so kalt werden, dass selbst Schnee nicht selten vorkam. Tagsüber wehten teilweise Sandstürme. In einigen Jahren traten Flüsse durch starke Regenfälle über die Ufer. Und auf einigen Passagen der Strecke musste man mit Indianerstämmen verhandeln, um Flüsse zu überqueren. Nicht zu vergleichen mit heute, wo man auf der gut ausgebauten Interstate 10 innerhalb von rund fünfeinhalb Stunden von Los Angeles nach Phoenix fahren kann.
Geschichte des Desert Race
Nur beim ersten Rennen am 9. November 1908 kamen tatsächlich alle vier angetretenen Teilnehmer auch ins Ziel. Neben dem luftgekühlten Franklin waren zwei wassergekühlte Autos und ein wasserdampfbetriebener Steamer dabei, Für diese Wagen versteckte man unterwegs Wassertanks zum Auffüllen. Da Ralph Hamlin sich gegen Abend in der Dunkelheit verfuhr, kam er als Letztplatzierter ins Ziel.
1909 nahmen bereits zehn Autos teil, darunter drei Wiederholungstäter. Das Ziel erreichten jedoch nur vier Teilnehmer. Hamlin zerstörte das Gehäuse der Hinterachse beim zu schnellen Überfahren eines Bahnübergangs. 1910 belegte der Franklin schließlich den zweiten Platz unter 14 Teilnehmern. Nur drei Autos fielen aus. Um mehr Zuschauer live an dieser Veranstaltung teilhaben zu lassen, ließ man den ‚Howdy Train‘ parallel zur Strecke mitfahren und an bestimmten Punkten halten. Zudem begrüßte die ‚Howdy Band‘ alle Teilnehmer im Ziel. Bereits am Start in Los Angeles waren rund 100.000 Menschen vor Ort – nachts um 23:00 Uhr!
Im Folgejahr, 1911, verlagerten die Veranstalter die Route anfänglich südwärts über San Diego und schließlich sogar teilweise über die Grenze nach Mexiko und wieder zurück. Von 16 Autos, die auf die 542 Meilen lange Tour gingen, kamen 10 ins Ziel. Hamlin belegte erneut den zweiten Platz, nachdem er unterwegs viel Zeit durch eine beschädigte Aufhängung verloren hatte. Für 1912 ging die Teilnehmeranzahl auf 12 Autos zurück, von denen nur sechs ins Ziel rollten. Hamlin mit seinem Franklin gewann. Daraufhin löste er ein Versprechen gegenüber seiner Frau ein: Sollte er jemals das Wüstenrennen gewinnen, würde er seine Rennfahrerkarriere beenden.
Am 8. November 1913 gingen 25 Autos auf ein 564 Meilen langes Rennen. Nur acht sollten Phoenix erreichen. Der Erstplatzierte deklassierte dabei die weiteren Fahrer um über zwei Stunden. Die finale Ausgabe des Desert Race führte im November 1914 schließlich über 696 Meilen und hatte 27 Teilnehmer. Erneut kamen nur acht ins Ziel. Barney Oldfield nutzte seinen Stutz Rennwagen, mit dem er im gleichen Jahr Platz fünf beim Indy 500 belegt hatte. Obwohl es als untauglich angesehen wurde, gewann er damit am Ende das Rennen. Unterwegs bekamen es die Fahrer erst mit Regen und matschigen Straßen zu tun. Am El Cajon Pass folgte ein Schneesturm und kurz vor der Mojave-Wüste ein Hagelschauer. Der Howdy Train verfehlte einen teilnehmenden Ford an einem Bahnübergang um nur wenige Meter.
Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse
Bilder: © by Bill Pack