Automotive Art 25 – Mercedes-Benz 300 SL

Das dritte Jahr der Automotive Art Sektion von Bill Pack und Secret Classics startet mit dem legendären Mercedes-Benz 300 SL. Allerdings nicht mit dem Straßensportwagen, sondern mit dem 1952 präsentierten Rennwagen. Entdecken Sie gemeinsam mit uns die Unterschiede.

Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat.

In den Kopf des Designers – von Bill Pack

Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.

1952 Mercedes-Benz 300 SL – Designed by Rudolf Uhlenhaut

Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung lief bis zum 15. März 2020 und zeigte 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.

Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.

Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.

Eines dieser Ziele war ein westlicher US-Bundesstaat, wo ich den Tag mit Rudolf Uhlenhauts Schöpfung, dem Mercedes-Benz 300 SL (W194) von 1952, verbrachte.

Rudi wurde am 15. Juli 1906 als Sohn von Max und Hilda im nördlichen Londoner Vorort Muswell Hill geboren. Max war Deutscher und lernte während seiner Tätigkeit als Leiter der Londoner Niederlassung der Deutschen Bank die Engländerin Hilda Brice kennen. Die beiden heirateten im Jahr 1904.

Einen großen Teil seiner Kindheit verbrachte Rudi damit, zwischen den beiden Ländern hin- und herzureisen. Im Alter von acht Jahren sprach er fließend Englisch und Deutsch und begann seine lebenslange Affinität zu seinem Geburtsland. Diese Dualität schuf Komplikationen, zuerst 1914, beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als seine Familie überstürzt nach Brüssel zog, und erneut 1939. Für Rudi gab es keine richtigen Antworten. Egal, was er tat, am Ende war die andere Seite immer misstrauisch ihm gegenüber.

Viele wenden sich in Zeiten des Konflikts nach innen und finden ihren Ausdruck in der Arbeit oder in kreativen Äußerungen. Es ist bekannt, dass Rudolf Uhlenhaut mehrsprachig, multikulturell, äußerst gebildet, weltgewandt und bescheiden war, ein ruhiger Familienvater, der gerne segelte und Ski fuhr. Er machte nicht auf sich aufmerksam und wurde als Gentleman bezeichnet. Dennoch verdiente er sich den Titel des „fahrenden Ingenieurs“ bei seinen Kollegen und Rennfahrern.

Ein Beispiel dafür war, als Juan Manuel Fangio beim Grand Prix auf dem Nürburgring 1955 erwähnte, dass sein Auto nicht richtig eingestellt sei. Rudi, in Hemd und Krawatte, sprang in den Wagen und drehte eine Runde, die drei Sekunden schneller war als die von Fangio. Sein einziger Kommentar war: „Er sollte ein bisschen mehr trainieren“.

Er mag ruhig und unauffällig gewesen sein, aber seine Ideen, seine Ingenieurskunst und sein Design waren donnernd offensichtlich. Entdecken Sie in dieser Bildersammlung die Linie des Mannes, der als Schöpfer der Silberpfeile und „Vater des Mercedes-Benz 300 SL“ in die Automobilgeschichte einging.

Mercedes-Benz 300 SL – Details – von Matthias Kierse

Nachdem die härtesten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich gemeistert waren, machte man sich bei Mercedes-Benz 1951 daran, in den Motorsport zurückzukehren. Mit inzwischen 12 Jahre alten Vorkriegskonstruktionen unternahm man hierzu einige Testrennen in Südamerika, weit weg von der heimischen Presse. Die Ergebnisse waren wie erwartet: Man war nicht mehr konkurrenzfähig. Dadurch fiel im Vorstand die Entscheidung, 1952 als Entwicklungsjahr für einen neuen Grand-Prix-Rennwagen zu nutzen. Dieser sollte 1953 antreten.

Gleichzeitig sollte 1952 ein neuer Rennsportwagen zumindest schonmal bei wichtigen Sportwagenrennen an den Start rollen. Als technische Basis wählte man die im April 1951 vorgestellte, repräsentative Limousine 300 (später mit dem Spitznamen ‚Adenauer-Benz‘ versehen). Daher lautete der Projekttitel für den Sportwagen ‚300 Sport Leicht‘, woraus schließlich 300 SL wurde. Die wiederbelebte Rennabteilung machte sich ab Frühjahr 1951 daran, dem drei Liter großen Reihensechszylindermotor mehr Leistung zu entlocken. Am Ende standen 170 PS bereit. Um die Bauhöhe zu verringern, montierte man das Triebwerk um 50 Grad nach links geneigt in den Rohrrahmen.

Dieser Rahmen, der von Grund auf neu entwickelt worden war, sollte dem 300 SL nicht nur Steifigkeit und damit Sicherheit geben. Er war auch zuständig für ein Konstruktionsmerkmal, das Geschichte schreiben sollte. Motor und Getriebe erwiesen sich als relativ schwer, ebenso die Stahlachsen. Diese Bauteile konnten jedoch mit den damals verfügbaren Mitteln nicht leichter hergestellt werden. Also mussten der Rahmen und die Karosserie leicht und zugleich so aerodynamisch günstig wie möglich ausfallen. Hier kam Rudolf Uhlenhaut als Leiter des Versuchswagenbaus ins Spiel.

Er hatte bereits einige Jahre zuvor seine Ideen für ein Rohrrahmenchassis zu Papier gebracht. Nun passte er diese Skizzen an die Komponenten des 300er Mercedes an. Sehr dünne Rohre fügte er zu kleinen Dreiecken zusammen, was insgesamt ein sehr verwindungssteifes Gebilde ergab. Der komplette Rahmen brachte lediglich 50 Kilogramm auf die Waage. Dieses Ziel war also erfüllt. Blieb noch die Karosserie. Diese zeichnete er ohne viele Schnörkel und Kanten sowie mit schmalem Glashaus für das Cockpit. Da der Rahmen speziell im Bereich der Fahrgastzelle steif ausgelegt sein muss, baute er besonders hoch auf.

Hierdurch blieb jedoch kein Platz für konventionelle Türen. Bei den ersten Exemplaren reichte der Rahmen bis auf Schulterhöhe des Fahrers. Dieser konnte das Auto daher nur durch eine kleine Luke betreten und verlassen. Diese umfasste das Seitenfenster und einen Teil des Daches. Durch gezielte Weiterentwicklungen senkte man bei späteren Fahrzeugen den Einstieg ab und vergrößerte dafür die Türen. Diese öffneten weiterhin an Gelenken zentral am Dach. Im offenen Zustand erinnerten sie französische Betrachter an einen Schmetterling (papillon) und Amerikaner an Möwenschwingen (gullwing).

Nach ersten Testfahrten, die ab November 1951 auf der Solitude bei Stuttgart, auf dem Nürburgring und auf dem Hockenheimring stattfanden, stellte Mercedes-Benz den 300 SL im März 1952 offiziell vor. Im ersten Jahr feierte man einen zweiten und vierten Platz bei der Mille Miglia, einen Dreifachsieg beim Grand Prix von Bern und einen Doppelsieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Es folgten ein Dreifachsieg beim Eifelrennen auf dem Nürburgring und ein unerwarteter Erfolg bei der Carrera Panamericana in Mexiko. Damit setzte der 300 SL die motorsportlichen Erfolge der Marke aus der Vorkriegszeit nahtlos fort.

Für 1953 entstanden neue Exemplare, die zum Teil mit Magnesiumkarosserien ausgestattet waren. Seitliche Luftauslasskiemen sorgten für die Abfuhr der Wärme aus dem Motorraum. Größere Kolben, Flachstromvergaser und ein überarbeiteter Zylinderkopf erhöhten die Leistung auf 201 PS. Zudem liefen Entwicklungsarbeiten an einer mechanischen Benzindirekteinspritzung, um die wartungsaufwändigen Vergaser zu ersetzen. Mit dieser Technologie standen sogar 215 PS bereit.

Gemeinsam mit dem Gutbrod Superior und dem Goliath GP 700 E war die Straßenversion des 300 SL unter den ersten Serienautos mit Benzindirekteinspritzung. Allerdings setzte sich diese erst ab 1997 vermehrt durch, als sie elektronisch genau angesteuert werden konnte. Den Schritt vom Renn- zum Straßenauto ging Mercedes-Benz auf Anraten von Max Hoffman, dem US-Importeur der Marke. Dieser sah großes Verkaufspotenzial für diesen Sportwagen in seinem Kundenkreis. So entstanden 1.400 Coupés und ab 1957 zudem 1.858 Roadster unter dem internen Kürzel W198. Vom Rennsportwagen W194 waren es lediglich zehn.

Exklusiver Kunstdruck von Bill Pack

Ein limitierter Sammlerkunstdruck des 1952er Mercedes-Benz 300 SL (W194) ist ab jetzt erhältlich. Dieses Bild gibt es in drei unterschiedlichen Größen. Mehr Informationen zum Angebot erhalten Sie hier (auf englisch).

Autoren: Bill Pack, Matthias Kierse

Bilder: © by Bill Pack