Automotive Art 19 – Maserati Birdcage
Mit dem Tipo 60 und 61 setzte sich Giulio Alfieri bei Maserati ein technisches Denkmal. Sein Rohrrahmen erhielt den Spitznamen Birdcage.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat. In den späten 1950ern und frühen 1960er Jahren setzte Maserati den heute weltberühmten Birdcage in Rennen ein, den wir diesmal sehen werden.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
Maserati Birdcage – Gezeichnet von Gentilini und Allegretti
Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung lief bis zum 15. März 2020 und zeigte 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.
Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.
Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.
Eines dieser Ziele lag in einem westlichen Bundesstaat, wo ich einen herrlichen Tag mit einem Maserati Tipo 61 Birdcage von 1960 verbrachte. Viel wurde schon über den einzigartigen, vom Ingenieur Giulio Alfieri entworfene Rohrgestell geschrieben. Es ist ein meisterhaftes Kunstwerk und komplett technisches Design, das das anhaltende Gewichtsproblem löste. Wenn es um die Konstrukteure geht, die über dieses Chassis von Alfieri eine Karosserie legten und die Gestaltung dieser atemberaubenden Form verantworteten, gibt es hingegen nur wenige Informationen.
Bei jeder Erwähnung des Tipo 61 gibt es eine einfache Zeile: „Gentilini und Allegretti, zwei ehemalige Maserati-Mitarbeiter, waren für das Design der Karosserie verantwortlich. Sie entschieden sich dafür, den hinteren Überrollbügel zu verstecken, indem sie ihn mit einer ziemlich großen Kopfstütze abdeckten“. Diese Fußnote wird oft wiederholt, aber nie weiter ausgeführt. Wie auch immer diese beiden Männer zusammengearbeitet haben, ihre Linienführung ist erhaben und sinnlich. Sie verdienen viel mehr Anerkennung als diese kurzen Zeilen hergeben.
Feiern und entdecken Sie diese einzigartige Zusammenarbeit anhand der folgenden Bilder und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse über Gentilini und Allegretti. Die beiden ehemaligen Mitarbeiter von Maserati, die ein Meisterwerk geschaffen haben, das sich im Laufe der Zeit bewährt hat. Ich habe eine virtuelle Galerie eingerichtet, um die Kunst von Gentilini und Allegretti bei der Gestaltung des Maserati Birdcage zu erleben. Viel Spaß dabei.
Maserati Birdcage – Details – von Matthias Kierse
Gibt es unter Rennwagenfans einen berühmteren Maserati als den Birdcage? Allenfalls vielleicht den 250F, mit dem Fangio und Moss in der Formel 1 fuhren oder den MC12 aus der GT1-Weltmeisterschaft. In der Sportwagenwelt der späten 1950er Jahre sorgten Tipo 60 und Tipo 61 hingegen für absolute Furore. Zu dieser Zeit fertigte man Rennfahrzeuge üblicherweise noch ‚aus dem Vollen‘, also mit Aluminium- oder Stahlblechen geformt.
Giulio Alfieri wich von diesem Konzept grundlegend ab, war jedoch nicht der Erste, der einen Gitterrohrrahmen verwendete. Allerdings trieb er die Gewichtserleichterungen durch extrem dünnwandige und schmale Rohre auf die Spitze. Der Rahmen allein kam auf nur 30 Kilogramm, bestand dabei aber aus mehr als 200 Rohren und wies die gleiche Festigkeit wie ein klassisches Monocoque auf, dessen Anfertigung deutlich teurer war. Durch die Gestaltung des Rahmens ergab sich der Anblick eines großen Käfigs, was im englischsprachigen Raum den Spitznamen ‚Birdcage‘ (Vogelkäfig) einbrachte. Die Formen der Aluminium-Karosserie folgten schließlich, mit Ausnahme der Heckflosse hinter dem Fahrerkopf, exakt denen des Rohrrahmens. Dabei blieb die Motorhaube vorn sehr flach, was dadurch erreicht werden konnte, dass das Triebwerk um 45 Grad geneigt verbaut wurde.
Beim Tipo 60, der 1959 bei Officine Alfieri Maserati S.p.A. in Modena entstand, saß ein zwei Liter großer Vierzylindermotor mit rund 200 PS unter der Haube, die auf 585 Kilogramm Leergewicht trafen. Über eine Mehrscheiben-Trockenkupplung und ein manuelles Fünfgang-Getriebe gelangte die Kraft auf die Hinterräder. Für den Tipo 61 des Folgejahres wechselte Maserati auf einen 2,9 Liter großen Reihenvierzylindermotor mit rund 250 PS. Gleichzeitig stieg das Gewicht um rund 15 Kilogramm während die Höchstgeschwindigkeit von 270 auf 285 km/h anstieg. Neben dem Werksteam nutzten auch Privatteams wie Cunningham und Camoradi (Casner Motor Racing Division) diverse Exemplare der 22 gebauten Birdcages. Einer der größten Rennerfolge gelang 1960 beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring.
Für 1961 und die folgenden Jahre entwickelte Maserati den Nachfolger Tipo 63, der zwar einen ähnlichen Rohrrahmen aufwies, nun jedoch mit einem Mittelmotor ausgerüstet war. Auf diese Weise brachte man nun auch das V12-Triebwerk des 250F unter, der auch im folgenden Tipo 64 ‚Supercage‘ steckte. Als letzten Ableger des Birdcage folgte der Tipo 65 als Unikat auf Basis eines Tipo 63 mit einem fünf Liter großen V8-Motor. Parallel dazu gab es ab 1962 den Tipo 151 mit einem deutlich konventionelleren Rohrrahmen.
Autor: Bill Pack, Matthias Kierse
Bilder: © by Bill Pack