Automotive Art 11 – Porsche 356
Kennen Sie Erwin Komenda? Er gestaltete Klassiker wie den Porsche 356 und wird uns diesmal von Bill Pack näher vorgestellt.
Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat. In der November-Ausgabe stellt er uns den Porsche 356 vor, mit dem der Sportwagenhersteller aus Stuttgart Zuffenhausen durchstartete.
In den Kopf des Designers – von Bill Pack
Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.
Porsche 356 – Gezeichnet von Erwin Komenda
‚Wenige Meter davon entfernt, ein Star zu werden‘, dieser Satz beschreibt das Leben von Erwin Komenda, der die Karosserie des Volkswagen Käfers und die wichtigsten Dreier-Zahlenkombinationen der Automobilgeschichte entwarf: 356, 550, 901 und die leichte Glasfaserkarosserie des 904. Doch die Geschichte spiegelt diese Informationen nicht ohne weiteres wider. Warum?
Erwin wurde am 6. April 1904 in Jauern am Semmering in Österreich geboren. Sein Vater war technischer Leiter des ersten Kraftwerks in Semmering und Weyer-Enns, wohin die Familie 1913 umzog.
Er studierte von 1916 bis 1920 an der Höheren Technischen Lehranstalt für Eisenverarbeitung in Steyr. 1920 wechselte er seine Ausrichtung und arbeitete als Automobildesigner in der Wiener Karosseriefabrik. Zwischen 1920 und 1926 absolvierte Erwin einen Karosseriebaukurs am Technologischen Museum für Handel in Wien.
1926 kam Ferdinand Porsche nach seinem Ausscheiden aus der Daimler-Benz AG als neuer technischer Direktor zu Steyr. Hier trafen sich Erwin und Ferdinand zum ersten Mal. Erwin wurde 1929 Chefdesigner der Experimental- und Karosserie-Entwicklungsabteilung der Daimler-Benz AG in Sindelfingen.
Ab 1933 arbeitete Erwin Komenda als Leiter der Karosserie-Entwicklungs-Abteilung beim neu begründeten Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche. Diese Position behielt er auch in der Nachfolgefirma Porsche bis zu seinem Tod 1966. Mit dem Aufstieg der neuen Generationen der Porsche-Familie im Unternehmen entwickelte sich eine kontinuierlich aufbrechende Beziehung zwischen Erwin und den Familienmitgliedern. Diese Teilung zeigte sich am deutlichsten in der Entwicklung des 901. Erwin hielt an der Formensprache des 356 fest, während ‚Butzi‘ Porsche sportlichere, modernere Linien bevorzugte. Am Ende wurde es eine Mischung aus diesen Ideen, die die berühmteste Linienführung der Automobilwelt, den 911, hervorbrachte.
Der Bruch zwischen Erwin Komenda und der Porsche-Familie führte zu einer Verleumdung durch die PR-Abteilung von Porsche, die Erwin von berühmten Fotos mit Ferdinand und Ferry Porsche entfernte. Zudem reduzierte man die Anerkennung seines Namens, indem er aus einem Großteil der Porsche-Geschichtsbücher entfernt wurde.
Wenn Sie sich beispielhaft den 1962er Porsche 356 Carrera 2000/GS in unserer Galerie ansehen, können Sie Erwin Komenda kennenlernen und seine Formen entdecken. Jenen Mann, der die berühmten Linien des 356 und diverser Porsche-Modelle danach erschuf.
Porsche 356 – Details – von Matthias Kierse
Erst kürzlich sind wir hier im Magazin von Secret Classics auf die Frühgeschichte des Porsche 356 eingegangen, die im österreichischen Gmünd stattfand. 1950 kehrte die Firma zurück nach Stuttgart und bezog dort Räumlichkeiten in unmittelbarer Nachbarschaft zur Karosseriebaufirma Reutter, wo von jetzt an die Aufbauten für den 356 und einige Rennwagenmodelle wie den 550 entstanden. Reutter arbeitete bereits seit 1930 eng mit dem Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche zusammen und hatte bereits die Fertigung der Karosserien für die dort entwickelten Typen 7, 8, 9, 12 und 32 übernommen. Bereits nach sechs Jahren übergab man die 10.000ste 356-Karosserie an Porsche. 1963 verkaufte Reutter das Karosseriewerk inklusive aller 950 Mitarbeiter an den Sportwagenbauer und verlagerte das Kerngeschäft auf die zuvor parallel angebotenen Autositze – unter dem heute weltweit bekannten Markennamen Recaro. Erster Kunde wurde erneut Porsche.
Zurück zum 356. Bis 1955 lief dieses Modell in seiner ursprünglichen Form als Coupé und Cabriolet mit vier Motorvarianten vom Band. 1952 präsentierte Porsche mit dem America Roadster eine leichtere und sportlichere Variante aus, die allerdings in der Produktion durch die bei Gläser in Dresden von Hand gefertigten Karosserien zu teuer geriet und daher nur 15-mal entstand. Auf Wunsch des US-Importeurs Max Hoffmann entwickelte man im Anschluss gemeinsam mit Reutter den 356 Speedster mit niedrigerer Windschutzscheibe, Steckscheiben für die Türen und einem rudimentären Stoffverdeck als Wetterschutz.
Im Oktober 1955 erfolgte eine umfangreiche Modellpflege zum 356 A, durch die der Wagen seine bislang geknickte (und anfänglich zweiteilig ausgelegte) Frontscheibe zugunsten einer gebogenen Scheibe verlor. Unter der kleinen Haube am Heck saßen nun 1,3 und 1,6 Liter große Vierzylinder-Boxermotoren mit bis zu 105 PS. Darüber rangierte mit dem Carrera GS/GT eine 110 PS starke Sportversion. Karosserieseitig gab es neben Coupé, Cabriolet und Speedster auch das bei Drauz in Heilbronn gefertigte Convertible D mit im Vergleich zum Speedster erhöhter Windschutzscheibe sowie das Hardtop Coupé. Insgesamt gab es 21.045 Exemplare des 356 A.
Mit dem 356 B folgte im Herbst 1959 eine nochmals weiterentwickelte Version des Heckmotor-Sportwagens mit höher gesetzten Scheinwerfern. Neben Coupé und Cabriolet nahm man als Ersatz für Speedster und Convertible D nun den von D’Ieteren in Brüssel erstellten Roadster ins Programm, der ab 1960 auch mit einem bei Karmann in Osnabrück fest verschweißtem Dach als Hardtop erhältlich war. Die kleinen Motorisierungen entfielen endgültig. Stattdessen gab es drei Leistungsstufen des 1,6-Liter-Motors und ab 1961 eine zwei Liter große Topversion im 356 2000 GS Carrera 2, dem ersten Serien-Porsche mit Scheibenbremsen.
Von Mitte 1963 bis Frühjahr 1965 bot man als finale Version den 356 C parallel zum neuen 911 an. Optisch kaum vom 356 B zu unterscheiden erhielt diese Variante schlichtere Radkappen ohne Porsche-Logo, den Entfall des Roadster, nur noch zwei Motorisierungen mit 75 oder 95 PS sowie in beiden Leistungsstufen Scheibenbremsen ab Werk. Nach insgesamt 76.302 Exemplaren endete schließlich die 356-Produktion.
Bilder: © by Bill Pack