Volkswagen SP1 und SP2

Sportwagen haben eine rassige Form, liegen nah am Asphalt und haben ordentlich Leistung, richtig? Naja. Wenn man in die Automobilhistorie hineinblickt, findet man diverse Ausnahmen von der einen oder anderen Regel. Aber gleich von allen drei? Gut, beim Design herrscht wie immer Geschmacksfreiheit. Zum Glück gefällt nicht jedem Betrachter das Selbe, sonst würden wir alle die gleichen Autos fahren. Bleiben also noch die tiefe Bauform und das leistungsstarke Triebwerk. Was bei uns in Europa quasi eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist in anderen Regionen gar nicht nötig. Blicken wir daher einmal ins Brasilien der frühen 1970er Jahre. Wie in vielen anderen Ländern beherrschte der Volkswagen Käfer das Straßenbild. Um Importzölle einzusparen entstand er direkt vor Ort bei Volkswagen do Brasil. Abgesehen von den Metropolen und wichtigen Überlandstrecken gab es kaum asphaltierte Routen. Wozu also ein Sportwagen?

Vom Brasilien-Chef zum VW Vorstandsvorsitzenden

Wenn man ganz ehrlich ist, stellt sich diese Frage bei allen Sportwagen, egal, wo auf der Welt sie hergestellt wurden. Für den brasilianischen Markt entschied Dr. Rudolf Leiding, dass es Zeit für ein entsprechendes Modell sei. In den 1950er und 60er Jahren arbeitete er für die Auto Union in Südamerika und begründete dort die VEMAG. Nachdem 1958 erst Mercedes-Benz und 1964 bis 1966 schließlich Volkswagen die Auto Union übernommen hatten, bekleidete Dr. Leiding ab 1968 den Vorsitz von Volkswagen do Brasil. Neben einer generellen Produktionssteigerung um rund 50 Prozent beim Käfer ließ er neue Modelle zur Erweiterung der Palette entwickeln. Allerdings bekam er die Markteinführung des neuen Sportwagens nur noch aus der Ferne mit. Er wechselte 1971 als Vorstandsvorsitzender zur Audi NSU Auto Union AG nach Ingolstadt und wurde ein halbes Jahr später zum Vorstandsvorsitzenden bei Volkswagen.

Projekt X wird zum SP1 und SP2

Auf der Basis des Käfers hatte es bereits zuvor sportliche Modelle wie den Karmann Ghia gegeben. Diesen stellte Karmann auch in Brasilien in einem eigenen Werk her. Neben dem auch in Europa bekannten Typ 14 entstand dort ab Sommer 1970 auch der Karmann Ghia TC. Dieser war Dr. Leiding jedoch nicht sportlich genug. Unter dem internen Code „Projekt X“ entstand daher bei VW ein neues Modell mit dem sogenannten „Haifischgesicht“, das später in ähnlicher Form auch beim Typ 4 zu finden war. Als Plattform nutzte man die Bodengruppe vom 1600 Brasilia (Typ 3). Am 24. März 1971 debütierte eine erste Studie zum Volkswagen SP auf der Deutschen Industriemesse in São Paulo. Bis zum Serienbeginn verging ein weiteres Jahr. Der Heckmotorsportwagen kam mit zwei verschiedenen Vierzylinder-Boxermotoren auf den Markt. Als SP1 hatte er 40 kW/54 PS aus 1,6 Litern Hubraum und als SP2 kam er auf 48 kW/65 PS aus 1,7 Litern. Dies reichte für eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 160 km/h.

SP1 blieb selten

Dr. Leiding erhoffte sich durch den SP1 und SP2 eine jüngere Kundschaft und ein sportlicheres Image für die Marke Volkswagen. Um die Abläufe im Werk von VW do Brasil nicht über Gebühr zu strapazieren, produzierte man dort nur die großflächigen Blechteile. Bei Karmann Ghia do Brasil entstand daraus die Rohkarosserie, die dann bei VW lackiert und zur Endfertigung zurück zu Karmann geliefert wurde. Die fertigen Autos lieferte man nach ganz Südamerika, in einige afrikanische Länder und in den arabischen Raum. Durch das Ende der luftgekühlten Ära stellte Volkswagen do Brasil die Produktion im Februar 1976 ein. Bis dahin entstanden zwischen 10.000 und 11.000 Exemplare, davon lediglich rund 160 SP1. Für die Karosserie standen zehn Lackfarben und zwei Zierstreifenfarben zur Auswahl. Hinzu kamen zwei Farbtöne für das Kunstlederinterieur. In Europa sind heute rund 50 Fahrzeuge bekannt.

Bilder: Volkswagen