Tom Kristensen – Mr. Le Mans

Neun Siege in Le Mans, sechs Siege in Sebring, viele Jahre Motorsporterfahrung und dabei immer auf dem Boden geblieben – die Rede ist von Tom Kristensen. Er erblickte am 7. Juli 1967 im dänischen Hobro das Licht der Welt. Gemeinsam mit uns schaute er im folgenden Interview ein wenig auf seine Rennfahrerkarriere zurück und beantwortete dabei auch Fragen, die von unserer Instagram-Community im Vorfeld eingereicht wurden.

Secret Classics: „Hallo Tom, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview mit uns nimmst.“

Tom Kristensen: „Hallo auch von mir. Sehr gerne.“

SC: „Wir würden gerne als Warmup mit neun schnellen A-oder-B-Fragen beginnen. Du kannst dir eine vorgegebene Antwort aussuchen. Neun Stück aufgrund deiner neun Siege in Le Mans.“

TK: „Alles klar, es kann losgehen.“

SC: „Was magst du mehr, Rennwagen oder Straßenautos?“

TK: „Rennwagen.“

SC: „Sportwagen oder Familienauto?“

TK: „Sportwagen, wobei man beides gut miteinander verbinden kann, beispielsweise mit einem Audi RS 6. Da hat man dann beides, den Sportwagen und das Familienauto.“

SC: „Ski fahren oder Rad fahren?“

TK: „Ich fahre deutlich mehr mit dem Rennrad, aber ich fahre auch gern Ski. Zweifellos ist das Radfahren aber ein großer Teil meines Lebens und Nummer eins auf meiner Trainingsliste.“

SC: „Urlaub am Strand oder in den Bergen?“

TK: „Ich liebe die Berge, auch in Bezug auf Sport. Am Strand langweile ich mich schnell. Ich kann mich kurzfristig am Strand erholen, aber in den Bergen kann ich klettern, Mountainbike fahren und so. Da kann ich längere Zeit verbringen als beim Schnorcheln.“

SC: „Bücher lesen oder fernsehen?“

TK: „Ich würde gern mehr Bücher lesen, aber wenn ich ehrlich bin schaue ich eher zuviel fern. Allerdings hauptsächlich Nachrichten und Sport.“

SC: „Wenn du die Chance hättest: Nochmal in Le Mans antreten oder Zuhause bleiben?“

TK: „(lacht) Ich bin aus gutem Grund und zur richtigen Zeit zurückgetreten und bin glücklich mit der Entscheidung. Aber es wäre natürlich toll, einen Comeback-Versuch zu unternehmen, was aber nicht passieren wird.“

SC: „Diesmal gleich drei Antwortmöglichkeiten: Fleisch, vegetarisch oder vegan?“

TK: „Ich lege viel Wert auf Nachhaltigkeit, aber ich esse auch Fleisch. Deutlich weniger und vor allem qualitativ höherwertiges Fleisch als früher, aber es bleibt auf meinem Speiseplan.“

SC: „Lieber teuer oder preiswert, bezogen auf alle Gegenstände des täglichen Lebens?“

TK: „Da gibt es keine finale Antwort zu. Man sollte mehr auf Qualität als auf Quantität schauen.“

SC: „Und damit zur neunten und finalen Schnell-Frage: Interviews, sind sie für dich interessant oder eher langweilig?“

TK: „Das hängt sehr stark vom Interviewpartner ab. Interviews können auf jeden Fall sehr interessant werden. Bis jetzt bin ich mit diesem hier sehr zufrieden.“

SC: „Damit gehen wir über zu den Fragen, die uns von unserer Instagram-Community eingeschickt wurden. Zwei davon lassen sich kombinieren. Sie lauten: Welches war dein bestes Jahr bei den 24 Stunden von Le Mans? (gefragt von @jimmy.mtr17) und: Welcher war dein schwierigster Sieg in Le Mans? (gefragt von @mathias_a_larsen)“

TK: „Ich bin 18-mal in Le Mans angetreten. Da ein „bestes Mal“ herauszuheben ist schwierig für mich. Natürlich waren alle Beteiligten in den jeweiligen Teams nach den Siegen total begeistert und enthusiastisch. Aber das Jahr, in dem es wirklich besonders war, war 2008. Niemand hatte uns auf dem Schirm. Niemand hat uns auch nur in der Nähe des Sieges oder gar des Podestes vermutet. Peugeot hat uns einen grandiosen Kampf geboten und war pro Runde 3,5 Sekunden schneller als wir. Mit der Hilfe vom Regen und einer aggressiven Strategie sowie der Art, wie wir gefahren sind, alle drei Fahrer, Capello, McNish und ich, konnten wir da was erreichen. Wir haben immer sehr frühzeitig zwischen Intermediates, Regenreifen und Slicks hin- und hergewechselt. Intermediates wenn es eigentlich noch richtig nass war, Slicks wenn noch Feuchtigkeit auf der Strecke war und andersrum. Zudem haben wir probiert, eine weitere Runde pro Stint mit der gleichen Menge Benzin so schnell wie möglich herauszufahren. Jeder im Team in der Boxengarage hat ‚over-performed‘. Das haben wir gefühlt und das hat zu einem fantastischen Ambiente geführt. Ebenso zu einer fantastischen Kameradschaft und einem riesigen Glücksgefühl. Das hatten wir zwar in jedem Jahr bei den Rennen in Le Mans, es ist nochmal besser, wenn man gewinnt. Aber 2008 gab es darüber hinaus einfach noch eine spezielle Energie, weil uns niemand von außerhalb als Siegkandidat gesehen hat und wir das intern nicht akzeptieren wollten.“

„2008 hatte uns niemand auf dem Schirm.“

SC: „In welchem Rennen würdest du gern einmal antreten? (gefragt von @macalistairthomson)“

TK: „In meiner Karriere habe ich viele Rennserien und Fahrzeuge kennengelernt. Ich liebe diese Vielseitigkeit. Da weiß ich gar nicht, wovon ich noch träumen könnte. Eine meiner Inspirationen war die Cartoon-Serie „Flåklypa Grand Prix“ aus Norwegen (lief in Deutschland als „Hintertupfinger Grand Prix“ und in Dänemark als „Bjergkøbing Grand Prix“), die ich als kleiner Junge angesehen habe. Dabei ging es um ein nicht existierendes Autorennen, aber es war in meiner Gedankenwelt und hat mich als jungen Mann inspiriert. Daneben wäre die Paris-Dakar Rallye zu nennen. Mein Vater ist dort angetreten. Das wäre für mich eine völlig andere Art Rennen zu fahren im Vergleich zu allem, was ich bisher gemacht habe, inklusive dem Race of Champions. In Deutschland würde man von einem ‚Abenteuer‘ sprechen. Also mein Traumrennen könnte soetwas sein, die Paris-Dakar oder die Baja 1000 in den Dünen von Mexiko oder so.“

SC: „Wie hast du dich vor und in deinem allerersten Rennen in Le Mans gefühlt? Immerhin hast du direkt gewonnen. (gefragt von @0guzh7n)“

TK: „Das allererste Mal dort ist in ganz vielen Bereichen speziell. Viele Dinge sind einfach einzigartig. Als erstes stellst du fest, dass Le Mans sich von allen anderen Rennen unterscheidet. Die Historie und Vergangenheit, die Gebäude, das kennst du alles schon von Aufnahmen im Fernsehen oder in Magazinen, obwohl du selbst noch nie da warst. Aber wenn du dann dort ankommst macht das alles einen anderen Eindruck auf dich als Fahrer. Der Rennkurs ist mit nichts vergleichbar, was man sonst fährt. Er ist länger als alles andere, abgesehen von der Nürburgring Nordschleife, aber er ist auch viel schneller. Diese Aufregung war beim ersten Mal auf jeden Fall stärker als in den Jahren danach, wenn ich wieder dort angetreten bin. Das erste Mal war auf jeden Fall etwas Besonderes. Auch, weil ich sehr kurzfristig zum damaligen Team dazugestossen bin.“

„Das erste Mal war etwas Besonderes.“

„Ich hatte die anderen Fahrer nie zuvor getroffen. Ich habe sie und das Team erst an der Strecke kennengelernt, einen Tag vor dem Qualifikationstraining. Es passierte also alles in letzter Sekunde beim ersten Mal. Vier Tage vor dem Rennen hab ich erst meinen Fahrervertrag unterschrieben. Da war das Team bereits auf dem Weg nach Le Mans. Dadurch hat mein erstes Mal in Le Mans, diese sechs Tage, die ich dort verbracht habe, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich habe dort in der kurzen Zeit mehr gelernt als vermutlich vorher in einem ganzen Schuljahr. Ich kam als Debütant dort an, als dritter Fahrer für das Joest Porsche Team, und Michele Alboreto und Stefan Johansson haben mir sehr geholfen. Nicht indem sie mir gesagt hätten, was ich tun soll, sondern durch Mut machen, Unterstützung und indem sie mir gezeigt haben, dass sie voll damit einverstanden waren, dass ich sie im Cockpit unterstützte. Darüber war ich sehr glücklich und es hat natürlich meinem Selbstvertrauen geholfen. Am besten kann man verbildlichen, wie gut mein Debüt in Le Mans gelaufen ist, indem man folgendes anschaut: Ich bin vier Stints in der Nacht bis in die Morgenstunden gefahren. Dabei hab ich nicht nur die schellste Rennrunde erzielt, das war damals zudem ein neuer Rundenrekord. Beim zweiten Stint in diesem Auto insgesamt! Mit den damals erworbenen Kenntnissen und dem Selbstvertauen habe ich damals das Fundament für alle meine späteren Einsätze in Le Mans mit unterschiedlichen Teams, Herstellern und Fahrerkollegen gelegt.“

SC: „Hast du dich zu irgendeinem Zeitpunkt mal in Le Mans hinter dem Lenkrad gelangweilt? Zum Beispiel während es in die Nacht hineinging? (gefragt von @tonsty)“

TK: „Nein. Beim Fahren habe ich mich niemals gelangweilt. Eine andere Situation war es im Jahr 2011. Da hab ich mich zu manchen Zeiten tatsächlich gelangweilt, aber das war auch das einzige Rennen, an dem ich niemals wirklich teilgenommen habe. Unser Auto verunfallte nach nur einer Stunde und ich saß nie im Rennen hinter dem Lenkrad. Natürlich war ich trotzdem eingebunden und hab mit dem Team zusammengearbeitet. Ich hab auch beim letzten Boxenstopp von André Lotterer geholfen. Aber das war 22 Stunden nachdem unser eigenes Auto ausgefallen war. Ansonsten konnte ich nur einige PR-Termine wahrnehmen, aber ohne den sonst üblichen Adrenalinspiegel. Allan McNish hatte diesen schweren Unfall und zudem verunfallte gegen Mitternacht auch noch Mike Rockenfeller in einem weiteren Audi. Beide Unfälle waren sehr wild und das spiegelte sich in meinen Emotionen wieder.“

„2011 war mir in Le Mans langweilig.“

SC: „Wieviele Kalorien hast du vor einem 24-Stunden-Rennen konsumiert und während des Rennens verbrannt? (gefragt von @ozcanemreaksoy)“

TK: „Das habe ich nie auf diese Art betrachtet. Ich habe mich mehr auf meinen Speiseplan konzentriert. Dabei ging es nicht um eine Diät, um Gewicht zu verlieren, sondern darum, das zu essen, was genug Energie enthält. Ich hab nicht auf die Kalorien geachtet, sondern darauf, dass das was ich esse einfach zu verdauen war. Das war wichtig. Gleichzeitig musste ich genug trinken. Kurz bevor es ins Auto ging waren es hauptsächlich isotonische Getränke mit vielen Elektrolyten, um zuviel Schwitzen zu verhindern. Manchmal kam ein wenig Salz hinein, da man in den geschlossenen Rennautos soviel Flüssigkeit verliert, dass es zu Krämpfen oder schlimmeren kommen kann, wenn man nicht vorsorgt. Ansonsten isst man leichte Kost. Das schwerste, was du dir gönnen kannst ist Pasta mit Thunfisch oder Pasta mit Tomatensauce. Ansonsten gab es Banane, eventuell mit ein wenig Honig oder Joghurt. Alles Sachen, die sehr leicht verdaut werden können. Man hält sich fern von Fleisch, Zwiebeln und anderen Sachen, die lange schwer im Magen liegen.“

SC: „Inwieweit war dein Erfolg das Ergebnis von bewusster Disziplin gegenüber intrinsischem Antrieb? (gefragt von @asb.kau)“

TK: „Weiß ich nicht genau. Ich hoffe, man liest mein neues Buch (mehr dazu am Ende dieses Artikels). Dan Philipsen, der Hauptautor, hat diese Frage auch gestellt. Ich würde sagen, es war ein Mix aus beidem. Im Buch beschreiben einige andere Personen das aus ihrer Sicht. Unter anderem Dr. Ullrich in seinem Vorwort. Aber ich glaube, dass die bewusste Disziplin mir die Freiheit gegeben hat, instinktiv den Druck zu erhöhen. Für mich ist es sehr wichtig, in guter körperlicher Verfassung zu sein. Das hat mich für mein Training vor wichtigen Rennen, speziell vor Le Mans, sehr motiviert. Wenn ich mich gut vorbereitet hatte und, als Bestandteil dieser Disziplin, gut mit dem Team arbeiten konnte, konnte ich bessere Leistungen abrufen und gewisse Chancen ergreifen. Diese Chancen führten zum Erfolg, Risiken haben sich ausgezahlt. Manche sagen, ich hätte zur richtigen Zeit Glück gehabt, aber das ist das Ergebnis richtiger Vorbereitung.“

„Die Chancen und Risiken zahlten sich aus.“

SC: „Du bist in deiner Karriere nicht nur die großen Le-Mans-Prototypen gefahren. Im Buch kann man deinen Werdegang über Kart, Tourenwagen und so weiter bis zu Formel-1-Tests lesen. Wenn du ein paar Jahre jünger und noch aktiv im Motorsport wärst, was würdest du davon halten, Formel E zu fahren? (gefragt von @mximlr)“

TK: „Ich habe wirklich viele Autos gefahren, daher ist es eigentlich falsch, das Buch ‚Mr. Le Mans‘ zu nennen. Das war nicht meine Idee. Aber ich habe letztlich zugestimmt, da es tatsächlich das wichtigste Rennen meiner Karriere ist. Ich bin aber froh, dass du auch meine andere Karriere kennst. Formel E ist toll, eine großartige Alternative und wird in der Zukunft sicherlich weiter wachsen. Das liegt aus meiner Sicht daran, dass die Aufsichtsräte der vertretenen Hersteller selbst von Politikern aus aller Welt unglaublich gute Rückmeldungen erhalten. Also ist es aktuell die Idee, mit der man arbeiten muss. Und wo Formel E besonders gut aufgestellt ist, abgesehen von der Nachhaltigkeit, ist bei den Stadtrennen. Die Rennen finden mitten in den großen Hauptstädten rund um den Globus statt und bringen damit den Rennsport dahin, wo viele Menschen sind. Das ist brilliant. Ich habe einen Formel-E-Rennwagen gefahren, allerdings nur für einige Runden auf dem Audi-Testkurs in Neuburg. Es ist eine völlig eigene Disziplin, auf die man sein Fahrkönnen und seinen Fahrstil anpassen muss. Seitdem haben sich die Fahrzeuge deutlich weiterentwickelt, haben mehr Leistung und eine bessere Fahrbarkeit. Aber selbst die frühe Generation, die ich getestet habe, war sehr interessant. Also klar, wenn ich etwas jünger wäre, hätte ich unter Umständen diesen Weg gemeinsam mit Audi eingeschlagen. Aber in meiner Karriere hat sich diese Frage nie gestellt.“

„Formel E bringt Rennsport zu den Leuten.“

SC: „Glaubst du, dass die 24 Stunden von Le Mans eines Tages komplett elektrisch sein werden? (gefragt von @werk_911)“

TK: „Der Rennsport ist immer dafür da, um Grenzen zu verschieben und Rekorde aufzustellen. Momentan denke ich, dass der Hybridantrieb für Langstreckenrennen über 24 Stunden besser funktioniert. Und ich glaube, dass das für die nächsten rund zehn Jahre so bleiben dürfte. Wenn man sich die heutigen Autos ansieht, sind die bereits sehr elektrifiziert durch diese Hybridsysteme. Gleichzeitig mussten wir Fahrer uns dadurch in den letzten zehn Jahren schnell weiterentwickeln, um mit der Komplexität und der gestiegenen Geschwindigkeit Schritt zu halten. Die Organisatoren von Le Mans versuchen Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb zu fördern, was aus meiner Sicht ebenfalls Sinn macht. Daher sage ich niemals nie im Bezug auf Motorsport, aber aus heutiger Sicht liegt ein komplett elektrisches 24-Stunden-Rennen noch etwas weiter in der Zukunft.“

SC: „Welches ist das beste Rennauto abseits der Le-Mans-Autos, das du jemals gefahren bist? (gefragt von @petar3.14)“

TK: „Also, zumindest das schnellste kann ich dir sagen. Das war ohne Zweifel der Williams FW21B. Den bin ich im Jahr 2000 gefahren. Es ist zwar ein Rennauto von 1999, aber im Heck steckte der kräftige BMW-V10-Motor. Wir konnten immer nur rund 350 bis 380 Kilometer fahren, dann wurde das Triebwerk gewechselt. Es bestand aus interessanten und vor allem kostspieligen Materialien. Parallel zu unseren Reifentests für Michelin entwickelte BMW den Motor in unserem Auto immer weiter. Später hat Michelin dann auf einen Jaguar gewechselt, der noch auf dem F1-Renner von Stewart basierte. Aber der Williams war meiner Meinung nach klar besser.“

„Der Williams war besser als der Jaguar.“

SC: „Welches Auto nutzt du privat im Alltag? (gefragt von @fabianson5)“

TK: „Bis jetzt einen Audi RS 6. Aber ich überlege daran, mal ein elektrisches Fahrzeug auszuprobieren und damit Erfahrungen zu sammeln. Ich bekomme demnächst einen Audi e-tron GT, aber noch steht er nicht in der Garage.“

SC: „Damit kommen wir zu einigen abschließenden Fragen aus unserer Redaktion. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, welche drei Autos würdest du dir gerne in die Garage stellen?“

TK: „Der erste Wagen, an den ich dabei denke, stammt aus meinem Geburtsjahr 1967. Es wäre ein Ferrari 330 P4. Dann käme der Bentley Speed 8 von 2003 dazu. Das Auto, mit dem Guy Smith, Rinaldo Capello und ich Le Mans gewonnen haben. Und dann könnte ich ein wenig tricksen und sagen den 2013er Audi R18 e-tron quattro, weil ich den tatsächlich schon in meiner Garage stehen habe. Damit könnte man es bewenden lassen. Aber tatsächlich hätte ich gerne einen Audi R8 LMP-1 in meiner Sammlung. Der Grund dafür ist einfach. Der R8 hat in Le Mans fünf Siege eingefahren und jedes Mal saß ich dabei am Steuer. Nach dem letzten dieser fünf Siege hat der Audi-Vorstand beschlossen, einen Mittelmotor-Straßensportwagen zu bauen und diesen Audi R8 zu nennen. Kurz vorher hatte man in Frankfurt eine Konzeptstudie namens ‚Le Mans‘ vorgestellt. Dieses Auto wurde einige Jahre später Realität und bekam den Namen des LMP-1-Rennwagens, R8. Heutzutage kennt dadurch jeder das Kürzel, aber ob jeder die Herkunft kennt, weiß ich nicht.“

„Ich hätte gerne einen Audi R8 LMP-1.“

SC: „Gibt es irgendwo auf der Welt eine Rennstrecke auf der du gerne (nochmal) fahren würdest?“

TK: „Es gibt viele tolle Rennstrecken, auf denen ich fahren durfte. Ich war auch an einigen Strecken, wo ich nicht Rennen gefahren bin, sondern einfach nur Zuschauer war. Zum Beispiel Philip Island in Australien. Ich habe es geliebt in Road America in den USA zu fahren. In meiner Zeit in Japan bin ich dort vermutlich so ziemlich jede Strecke gefahren und einige davon sind großartig. Leider bin ich nie auf dem Virginia International Raceway angetreten. Das ist eine Strecke mit langer Historie, die als Dirt-Track angefangen hat und irgendwann asphaltiert wurde. Die Streckenführung hat einen tollen Rhythmus und zugleich eine gewisse Gefahr. Das bietet sportliche Herausforderungen, die bei vielen modernen Rennstrecken nicht mehr vorhanden sind. Viele davon sind heute viel zu ähnlich zueinander. Um auf deine Frage zurückzukommen: Gib mir einen Mix aus Le Mans, Suzuka und Sebring. Eine schöne Mischung aus diesen drei Kursen. Da würde ich das ganze Jahr über fahren wollen.“

SC: „Wenn du die Chance hättest, dein 15-jähriges Ich zu treffen, was würdest du ihm sagen?“

TK: „Lass dir die Haare schneiden!“

SC: „Wir haben viel über deine Rennfahrerkarriere gesprochen. Was macht Tom Kristensen heute, nach dem Rücktritt im Jahr 2014?“

TK: „Ich fühle mich sehr privilegiert, immer noch bei Rennen und im Motorsport generell involviert zu sein. Den meisten Adrenalin bekomme ich, wenn ich im dänischen Fernsehen Formel-1-Rennen kommentiere. Dann bin ich als Experte und Coach für Eurosport in Le Mans dabei. Ansonsten mache ich jetzt mehr Büroarbeiten und wichtige Tätigkeiten bei der FIA, wo ich die Fahrerkommission leite. Gemeinsam mit einigen Rennfahrerkollegen geben wir Ratschläge und Anweisungen an den Motorsportverband weiter, um unseren großartigen Sport weiterzuentwickeln. Und dann habe ich ein paar Botschafterposten für Marken, mit denen ich im Laufe der Jahre gemeinsam Rennen gefahren bin. Ich bin also sehr privilegiert und beschäftigt. Wenn ich mal Freizeit habe, findet man mich entweder auf meinem Rennrad, auf einem Golfplatz oder beim Fußball spielen mit Freunden. Dabei ist uns dann immer unser Glas Bier nach dem Spiel wichtig.“

„Lass dir die Haare schneiden!“

SC: „Und damit kommen wir zur letzten Frage. Angenommen, das Rohöl geht eines Tages aus und du bekommst die letzten 50 Liter Sprit zugeteilt, mit welchem Auto und wo verfährst du es? (an dieser Stelle liebe Grüße an Alte Schule)“

TK: „Da würde ich vermutlich meinen Volkswagen Bus von 1967 nehmen. Natürlich käme die ganze Familie mit. Und dann ginge es nur über Nebenstraßen, nicht über die Autobahn. Dieses Auto war übrigens noch nie auf einer Autobahn. Ich würde die verschiedenen Plätze ansteuern, an denen Verwandte wohnen oder mal gewohnt haben. Es wäre also insgesamt keine weite Entfernung von meiner direkten Nachbarschaft.“

„Ich würde meinen 1967er VW Bus nehmen.“

SC: „Vielen Dank für die ausführlichen Antworten und die Zeit, die du dir für uns genommen hast.“

Wenn Sie jetzt mehr über Tom Kristensen und seine beeindruckende Rennfahrerkarriere erfahren möchten, besteht die Chance dazu. Gemeinsam mit Dan Philipsen enstand das neue Buch ‚Tom Kristensen – Mr. Le Mans‘. Neben Geschichten aus den Jahrzehnten auf und neben den Rennstrecken dieser Welt gibt es sehenswerte Bilder. Einige davon durften wir für dieses Interview verwenden. ‚Mr. Le Mans – Tom Kristensen‘ von Tom Kristensen mit Dan Philipsen wird von Evro verlegt und ist als 432 Seiten starkes Hardback-Buch unter der ISBN 978-87-972603-0-2 direkt bei Evro Publishing oder bei Amazon erhältlich. Dort kostet es 40 GBP (mit Autogramm von Tom Kristensen direkt beim Verlag für 55 GBP).

Bilder: Evro Publishing, Charles Reviere, Keith Rizzo