Tatra T77A

Denkt man heute an Automarken aus Tschechien, so kommt man vermutlich als erstes auf Škoda. Diese seit 2000 komplett zum Volkswagen Konzern gehörende Marke ging aus der 1895 gegründeten Firma Laurin & Klement hervor und ist damit ein wirklich alter Betrieb. 1924 entstand aus dem Zusammenschluss der ‚Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft‘ und der ‚Waggonfabrik Ringhoffer AG‘ die neue Marke Tatra, benannt nach dem höchsten Gebirgszug der damaligen Tschechoslowakei. Als Chefkonstrukteur beschäftigte man Hans Ledwinka, der direkt mit der Entwicklung des Prototypen T11 begann. Als konventionelles Auto seiner Zeit verfügte er über einen Zentralrohrrahmen, aber auch über einen vorn eingebauten Zweizylinder-Boxermotor. Ab den frühen 1930er Jahren fanden erstmals Versuche mit Heckmotorautos statt, die mit dem Prototyp V570 in der Kleinwagenklasse begannen, dann jedoch schnell auf ein Projekt für die Oberklasse übertragen werden. Den ersten Vorserienwagen für den späteren T77 testete Tatra erstmals in einem Windkanal, wo unter Ingenieur Erich Übelacker die Stromlinienform verfeinert wurde. Das Design ging dabei maßgeblich auf Entwürfe von Paul Jaray zurück.

Nachdem diese Vorarbeiten unter größtmöglicher Geheimhaltung abliefen, stellte Tatra den neuen T77 schließlich am 4. März 1934 auf dem Automobilsalon in Prag erstmals öffentlich vor. Man kann sich aus heutiger Sicht die Wirkung dieser Oberklasse-Limousine wohl nur schwer vorstellen. Wenn man allerdings im Vergleich andere Autos der gleichen Zeit betrachtet, kann man erahnen, dass der T77 seiner Ära weit voraus war. Um einen möglichst glatten Unterboden ohne störenden Kardantunnel zu erreichen, saß der drei Liter große luftgekühlte V8-Motor hinter der angetriebenen Hinterachse. Er leistete 44 kW/60 PS, deren Übertragung ein teilsynchronisiertes Viergang-Getriebe übernahm. Dank des guten Luftwiderstandbeiwerts von 0,38 reichte diese Leistung für eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h aus. Lediglich 101 Exemplare des Tatra T77 entstanden bis 1935.

Während parallel bereits die Entwicklung am moderneren und schnelleren T87 lief, bot Tatra ab 1935 den bisherigen Typ, weiterentwickelt zum T77A an. Durch eine Verlängerung des Radstands um zehn Zentimeter und eine nochmals verbesserte Aerodynamik sowie den auf 3,4 Liter vergrößerten Motor mit 51 kW/70 PS verbesserten sich die Fahreigenschaften, während die Höchstgeschwindigkeit trotz rund 100 Kilogramm höherem Leergewicht auf 150 km/h anstieg. Als optisches Erkennungsmerkmal erhielt der T77A einen Zusatzscheinwerfer mittig an der Frontpartie. Bis zum Kriegsbeginn 1938 baute Tatra 154 Exemplare.

Im finalen Produktionsjahr lieferte man Fahrgestellnummer 35719 an Hugo Lansky, einen hohen Beamten der Tschechoslowakischen Elektrizitätswerke, aus. Nur ein Jahr später konfiszierte die Deutsche Wehrmacht das Fahrzeug und nutzte es bis zum Einmarsch der sowjetischen Armee 1945, die ihrerseits den Wagen übernahm und fuhr. Etwa 1950 gelang es dem Russen Vitaly Linkevich den Tatra im Rahmen einer Kriegsüberschussauktion zu erwerben. Er und seine Familie behielten das Auto für die folgenden 50 Jahre. Dann verkaufte man den T77A an den heutigen Besitzer, der ihn nach Tschechien zum Tatra-Experten Roman Spacek bringen ließ, um eine umfangreiche Restaurierung über fünf Jahre durchführen zu lassen. Hierfür entstanden eigens neue Karosserieteile, während man die originalen Komponenten aufhob und sie nun im Rahmen einer Auktion von Gooding & Company während der Monterey Car Week gemeinsam mit dem Fahrzeug anbietet. Das Auktionshaus erwartet einen Zuschlagspreis zwischen US$ 450.000 und US$ 650.000 (rund 401.450,- bis 580.000,- €).

Bilder: Gooding & Company