Škoda 1100 OHC Coupé

In den 1950er Jahren war Škoda erfolgreich im internationalen Motorsport unterwegs. Unter dem internen Kürzel 968 entstand ab 1956 ein Sportwagen mit Gitterrohrrahmen. Für eine bestmögliche Gewichtsverteilung montierte man den Motor knapp hinter der Vorderachse und das Getriebe an der Hinterachse. Die ersten beiden Exemplare des 1100 OHC erhielten einen offenen Roadster-Aufbau aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Sie dienten den Werksfahrern Miroslav Fousek, Václav Čížkovský, Jaroslav Bobek, Václav Bobek senior und Josef Vidner bei diversen Veranstaltungen in der Tschechoslowakei und in anderen sowjetischen Staaten als Einsatzfahrzeuge. Internationale Rennveranstaltungen konnte Škoda aufgrund der schwierigen politischen Verhältnisse zwischen dem Westen und dem Osten nicht mehr besuchen. Somit entfiel auch der geplante Start bei den 24 Stunden von Le Mans.

Coupé mit besserer Aerodynamik

Beide Roadster sind bis heute erhalten geblieben. Etwas anders verhält es sich mit den beiden Coupé-Versionen des 1100 OHC von 1959 und 1960. Diese entstanden, um mit verbesserter Aerodynamik noch erfolgreicher zu sein. Wie im Roadster sorgte auch hier ein 1,1 Liter großer Vierzylindermotor mit 67,7 kW/92 PS für den Vortrieb. Dessen Aluminiumblock inklusive Kurbelwelle entstammte dem serienmäßigen Škoda 440 „Spartak“. Allerdings optimierten die tschechischen Konstrukteure sowohl die Brennräume als auch den Ventiltrieb mit obenliegender Nockenwelle. Hinzu kamen zwei Vergaser, Zündmagneten von Scintilla Vertex und eine Doppelzündanlage. Für das Fünfgang-Getriebe gab es verschiedene Übersetzungen je nach Streckencharakteristik. So ermöglichte die relativ geringe Leistung in Kombination mit nur 555 Kilogramm Leergewicht und der guten Aerodynamik bis zu 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Eine Zweikreis-Bremsanlage mit hinten innenliegend montierten Trommeln sorgte für die Verzögerung.

Beide Coupés wurden verkauft

Die beiden Škoda 1100 OHC Coupés wurden von 1960 bis 1962 im Motorsport eingesetzt. Für die Saison 1963 entfiel die Kategorie der Fahrzeuge bis 1,1 Liter Hubraum, wodurch man gegen Autos mit deutlich mehr Hubraum hätte antreten müssen. 1966 verkaufte man beide Coupés an Privatkunden. Zuvor ersetzte man auf Wunsch von Hanuš Hrabánek den Motor des ersten Coupés gegen den neu entwickelten Felicia-Motor. Das Renntriebwerk stellte Škoda in der Berufsschule von Mladá Boleslav aus. Der zweite Besitzer verunfallte mit dem Coupé auf einer Autobahn nahe Mladá Boleslav. Dabei geriet das Auto in Brand. Man baute aus den Resten die Hinterachse inklusive Getriebe aus. Anfänglich gehörten diese Teile zum Inventar des Technischen Nationalmuseums in Prag. Vor rund 15 Jahren wurden sie dem Škoda Museum überlassen. Der beschädigte Gitterrohrrahmen nebst Vorderachse, Bremsen und Pedalerie gehörte bis 2014 einem privaten Sammler und konnte schließlich auch von Škoda erworben werden.

Zweites Coupé existiert teilweise noch

Derweil erging es dem zweiten 1100 OHC Coupé noch übler. Es durchlief viele Hände und gehörte unter anderem zwei Jahre lang der Familie von Michal Velebný, dem heutigen Leiter der Museumswerkstatt von Škoda. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein 1,3 Liter großer Motor aus dem damaligen Octavia eingebaut worden. Da die Familie ein zweites Kind bekam, musste das Coupé einem 1000 MB weichen. In der Folgezeit erlitt es diverse Unfälle und erhielt verschiedene neue Karosserien. Bis zum Ende des Kalten Krieges nahm es immer wieder an Bergrennen und anderen Veranstaltungen teil. Heute gehört es einem tschechischen Autosammler, ist jedoch weder komplett noch fahrtüchtig. Bei Škoda reifte indes der Plan, aus den gesammelten Teilen das erste Coupé neu entstehen zu lassen. Alle technischen Komponenten zeigten sich in überraschend gutem Zustand. Durch die Reglementsveränderungen hatte Škoda die Coupés in nur fünf Rennveranstaltungen einsetzen können.

Restaurierung seit 2014

Aus diesem Teilekonvolut ein fahrfähiges Auto zu bauen klingt leichter als es war. Die Mechaniker des Škoda Museums hatten bereits langjährige Erfahrung mit den beiden Roadster-Versionen. Hilfreich war zudem, dass im Škoda-Archiv die komplette technische Dokumentation vom Aufbau der Fahrzeuge erhalten geblieben ist. Sie erläutert alle Fertigungsschritte und enthält technische Zeichnungen vom Einbau aller Komponenten. Bereits 2014 begannen die Rekonstruktionsarbeiten am Rohrrahmenchassis. Dabei mussten nach originalen Zeichnungen neue Kraftstofftanks und Kühler konstruiert werden. Ursprünglich wollte man diesen Rahmen ab 2015 im Museum neben dem fahrfähigen Roadster ausstellen. Schließlich fiel jedoch der Entschluss das Coupé komplett wiederauferstehen zu lassen. Hierfür musste man die von Jaroslav Kindl gestaltete Aluminiumkarosserie nachbauen. Die handgeformten Bleche wurden damals je nach Stelle verschweißt oder vernietet.

Rekonstruktion am Computer

Für die Rekonstruktion arbeitete das Škoda Museum eng mit den Kollegen aus dem Prototypenbau von Škoda zusammen. Durch 1:1-Scans der zweidimensionalen Zeichnungen erstellte man dort ein dreidimensionales Netz. Nach optischer Nacharbeit konnte auf den Bildschirmen ein 3D-Modell des Autos betrachtet werden. Einzelne Elemente und Baugruppen korrigierte man wieder und wieder bis alles passte. Hierfür glich man das virtuelle Modell mit historischen Fotos und Zeichnungen ab. Anschließend entstanden verkleinerte Modelle sowie Front- und Heckpartie im Maßstab 1:1 aus Plastillin. 0,8 bis 1,1 Millimeter dicke Aluminiumbleche formte man anschließend manuell zum gewünschten Karosseriedesign. Die beiden originalen Coupés trugen anfänglich blauen Lack. Ab Mitte 1962 wechselte man zu Rot. Diese Farbe trägt nun auch das rekonstruierte Auto.

Bilder: Škoda

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