Mit dem V6 im Rücken – 25 Jahre Renault Clio V6

Das Jahr 2000 war ein seltsamer Moment im Lauf der Zeit. Alles wirkte neu und offen, gleichzeitig chaotisch und voller Möglichkeiten. Die Welt hatte den Millenniumswechsel überstanden, das Internet verbreitete sich rasant, die Globalisierung lief heiß, und Technologie schien plötzlich überall. Während viele nach vorn blickten, erinnerte sich Renault zurück – an einen radikalen Kleinwagen aus den 1980ern, der Frontantriebs-Konventionen ignorierte und sein Herz hinter die Vordersitze verpflanzte. Genau zwanzig Jahre nach dem R5 Turbo kam 2000 ein würdiger Nachfolger auf den Markt, dessen Charakter ebenso kompromisslos war: der Clio V6.

Erste Blicke auf diese Maschine konnte man bereits 1998 auf dem Pariser Autosalon werfen, wo das Showcar zum 100-jährigen Renault-Jubiläum neben dem neuen Twingo II und der Vel Satis-Studie stand. Doch im Zentrum des Interesses war ein Fahrzeug, das den konventionellen Clio II in etwas völlig Neues verwandelte. Der Clio V6 24V – ein Werk der Motorsportabteilung Renault Sport – war kein Tuningprojekt, sondern ein grundlegend umgebauter Kleinwagen mit Mittelmotor und Heckantrieb. Statt wie üblich einfach einen großen Motor unter die Haube zu klemmen, griff man tief in die Technik-Kiste: Der Motor wanderte nach hinten, an die Stelle der Rückbank, was das Auto zum Zweisitzer machte und das gesamte Fahrverhalten fundamental veränderte.

Der ursprünglich als reines Konzept gedachte Wagen stieß auf so viel Begeisterung, dass Renault Sport sich gezwungen sah, eine Serienfertigung ins Auge zu fassen. Gemeinsam mit dem britischen Rennteam TWR entwickelte man den Clio V6 zur Straßenversion weiter. Gebaut wurde diese erste Generation („Phase 1“) in Schweden, mit einer Karosse, die aus dem Alpine-Werk im französischen Dieppe angeliefert und dann umfassend modifiziert wurde. Antrieb war ein drei Liter großer V6 aus den damaligen Modellen Laguna, Safrane und Vel Satis, mit 226 PS und 300 Newtonmetern Drehmoment. Über ein manuelles Sechsgang-Getriebe trieb er die Hinterräder an, was für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 6,4 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h sorgte. Bremsscheiben von AP Racing, ein straffes Fahrwerk und die mittelmotorbedingte Gewichtsverteilung machten ihn zu einem ernsthaften Sportgerät – allerdings eher für kurvige Landstraßen als für entspannte Autobahntouren.

Die Rohkarosserie, Scheinwerfer und Anbauteile übernahm man vom Clio II RS, doch die hinteren Radkästen wurden per Hand ausgeschnitten, verbreitert und mit GfK-Anbauteilen versehen. Die Umbauten machten den Clio V6 nicht nur 30 Zentimeter breiter, sondern auch länger als die Serienversion – Platz für große Räder und eine breitere Spur war nötig. Innen gab es sportliche Ledersitze, Alcantara, ein angepasstes Kombiinstrument und damals übliche Extras wie CD-Wechsler, elektrische Fensterheber und Klimaanlage.

2003 kam dann die überarbeitete Version – Phase 2 –, nun komplett bei Renault Sport in Dieppe gebaut. Das Design wurde dem Facelift des Clio II angepasst, mit neuen Scheinwerfern und Rückleuchten, dazu kamen neue Farben wie Blau Metallic und Gelb Metallic. Die große technische Verbesserung lag jedoch im Motor: Das Aggregat wurde von Porsche Engineering überarbeitet, bekam ein größeres Ansaugsystem und schärfere Nockenwellen. Die Leistung stieg auf 254 PS, die Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h, der Standardsprint wurde in 5,8 Sekunden erledigt. Auch das Fahrwerk profitierte: neue Stabilisatoren, straffere Federn, mehr Präzision. Geblieben war aber das, was diesen Clio ausmachte – seine Wildheit, seine Unvernunft, seine Exzentrik.

Das Aggregat wurde von Porsche Engineering überarbeitet…“

Der Neupreis lag in Deutschland bei rund 70.000 D-Mark bzw. später 39.900 Euro. Nur 185 Exemplare beider Versionen wurden offiziell in Deutschland verkauft, 354 gingen mit Rechtslenkung nach Großbritannien und Irland. Außerhalb Europas war der Clio V6 kaum zu bekommen. Wer heute ein gut erhaltenes Exemplar sucht, muss mindestens 50.000 Euro einplanen – wenn überhaupt einer angeboten wird.

Renault nutzte die Plattform des Clio V6 auch für einen Markenpokal, der 1999 startete. Für die Rennversion – die Clio V6 Trophy – wurde die Leistung auf 289 PS gesteigert, das Fahrwerk für den Track optimiert und das Auto noch weiter abgespeckt. Zwischen 1999 und 2003 entstanden 159 dieser reinrassigen Rennwagen, die in Europa einige Pokalserien füllten.

Heute, 25 Jahre nach seiner Markteinführung, ist der Clio V6 ein Denkmal einer anderen Zeit. Er erinnert an eine Ära, in der ein Hersteller noch Mut zeigen durfte, etwas wirklich Unvernünftiges zu bauen – ein Auto, das sich jeder Plattformlogik widersetzte. Kein Alltagsheld, kein Effizienzwunder, aber ein Charakterstück auf Rädern. Und genau deshalb ist er jetzt, ein Vierteljahrhundert später, so faszinierend wie nie.

Photos: Renault Group