Klarheit als Haltung – Audis neues Concept C und die Frage nach dem Wesentlichen
Wenn ein Automobilhersteller ein neues Designkonzept vorstellt, bewegt sich die Kommunikation oft in einem vertrauten Spannungsfeld: zwischen Pathos und technischer Präzision, zwischen Versprechen und Realität. Mit dem „Concept C“ hat Audi in Mailand nun einen Ausblick auf die eigene Zukunft gewährt – und zugleich den Versuch unternommen, die Designphilosophie als Leitbild für das ganze Unternehmen zu formulieren.
Die Kernbotschaft lautet: Klarheit. „Radikale Einfachheit“ nennt es Chief Creative Officer Massimo Frascella, „Strive for Clarity“ nennt es der Konzern. Angesichts der überbordenden Komplexität moderner Fahrzeuge, der Digitalisierung bis ins letzte Pixel, wirkt diese Rückbesinnung auf Reduktion fast wie ein Gegenentwurf zu den Entwicklungen der vergangenen Jahre. Doch lässt sich die Sehnsucht nach Einfachheit tatsächlich auf die Realität des Automobils übertragen?
Zwischen Bauhaus und
Business Case

Formal erinnert das Concept C an alte Bauhaus-Ideale: klare Geometrie, der Verzicht auf dekorative Überflüssigkeiten, eine Ästhetik der Reduktion. Der sogenannte „vertical frame“, inspiriert vom Auto Union Typ C, bildet dabei das visuelle Zentrum. Innen setzt Audi auf eine ähnliche Logik: weniger Ablenkung, weniger Überlagerungen, dafür ein gezielter Einsatz intelligenter Technologien.
Doch das Bauhaus war nie nur eine Stilrichtung, sondern auch eine gesellschaftliche Idee. Es ging um die Demokratisierung von Gestaltung, um die Einheit von Funktion und Form. Genau hier wird das Konzept spannend – und zugleich widersprüchlich: Kann ein Premiumhersteller, dessen Modelle oft fünfstellige Aufpreise für Optionen erfordern, sich glaubhaft auf das Bauhaus berufen? Oder bleibt die „radikale Einfachheit“ letztlich eine ästhetische Geste im hochpreisigen Segment?



Audi belässt es nicht beim Design. CEO Gernot Döllner beschreibt „Klarheit“ als Haltung, die künftig alle Bereiche des Unternehmens prägen soll – von der Angebotsstruktur bis zur Organisation. Damit wird das Concept C zum Symbol für eine größere Transformation: eine Reduktion auf das Wesentliche, um Raum für Innovation zu schaffen.
„Wir wollen mit unserer Designphilosophie unsere Marke stärken, sodass sie Begehrlichkeiten weckt und kulturelle Relevanz entfaltet.“ – CCO Massimo Frascella
Philosophisch betrachtet, klingt dieser Gedanke fast stoisch. In einer Welt, die von Beschleunigung, Fragmentierung und Überinformation geprägt ist, wird Klarheit zum Luxusgut. Aber lässt sich das in einem Produkt einlösen, das selbst immer komplexer wird – von Assistenzsystemen über Hybridantriebe bis hin zu vernetzten Softwarearchitekturen?
Vielleicht liegt genau in diesem Spannungsfeld der Reiz des neuen Audi-Ansatzes. Denn das Automobil als Symbol unserer Zeit ist per se ein Paradox: Es soll nachhaltig sein, aber zugleich leistungsstark; reduziert im Design, aber technologisch maximal aufgeladen; emotional begehrenswert, aber rational effizient. Das Concept C zeigt, dass Audi sich dieser Widersprüche bewusst ist – und versucht, ihnen eine Form zu geben, die visuell Klarheit verspricht. Ob sich diese Haltung im Alltag der künftigen Serienmodelle wiederfindet, bleibt abzuwarten.

Sicher ist: Audi will mit dem Concept C nicht nur einen Blick auf kommende Fahrzeuge geben, sondern auch eine kulturelle Relevanz beanspruchen. Es geht um mehr als Autos – es geht um eine Haltung, vielleicht sogar um eine Art Ethik des Designs.
Doch so wie die Renaissance, auf die Audi in Mailand anspielt, nicht nur eine Epoche großer Meister, sondern auch eine Zeit tiefgreifender Umbrüche war, so könnte auch Audis Rückbesinnung auf Klarheit weniger ein Endpunkt als ein Ausgangspunkt sein.
Fotos: AUDI AG