Jaguar Pirana by Bertone

Ein Blick in unsere Fotogalerie könnte bei manchem Leser zur Frage führen, ob wir tatsächlich die korrekten Bilder in diesen Artikel eingebunden haben. Es soll doch laut Überschrift um einen Jaguar gehen, die Fotos zeigen doch aber eine Karosserieform, die eher an ein italienisches Auto erinnert? Alles korrekt. Die Formensprache des einmaligen Jaguar Pirana (ohne ‚h‘) entstand 1966 bei Bertone durch den Designer Marcello Gandini. Als Basis diente dabei ein Jaguar E-Type Serie 1 mit dem späteren 4,2-Liter Reihensechszylindermotor, aber dem kurzen Radstand des Zweisitzer-Coupés. In Auftrag gegeben wurde das Fahrzeug weder von Jaguar, noch von Bertone selbst. Stattdessen wollte die britische Tageszeitung ‚Daily Telegraph‘ mit dem aufregend gestalteten Coupé Aufsehen auf der Earl’s Court Motor Show in London 1967 erzielen. Gleichzeitig sollten alle geltenden Zulassungsvorschriften erfüllt werden. Stellen Sie sich einfach einmal kurz vor, die ‚Frankfurter Allgemeine‘ würde für die kommende IAA im September eine Sportwagenstudie in Auftrag geben. Klingt abwegig, war damals aber tatsächlich möglich. Die rund 16.000 US-Dollar, die der Umbau vom E-Type zum Pirana verschlang, kamen direkt aus dem Budget der Zeitung.

Die Bleche für die Karosserie entstanden bei Bertone in Handarbeit über eigens angefertigten Holzlehren. Beim Design orientierte sich Marcello Gandini ein wenig an den gegebenen Proportionen des Vorbildes mit langer Motorhaube und weit nach hinten gerückter Passagierkabine. Wie beim E-Type öffnet auch die große Haube des Pirana nach vorn. Vier runde Scheinwerfer und für ihre Zeit verhältnismäßig flache Rückleuchten verleihen dem Wagen bei Nacht eine ganz eigene Straßenpräsenz. Aus heutiger Sicht wirkt die gesamte Karosserie sehr vertraut, da Gandini viele Ideen des Pirana mit dem zeitgleich aufgebauten und ebenfalls von ihm gezeichneten Lamborghini Marzal zum 1968 präsentierten Serienmodell Lamborghini Espada kombinierte. Im Gegensatz zum Jaguar Pirana war dieser Sportwagen jedoch ein vollwertiger Viersitzer.

Dem Pirana drohte dieses Schicksal anfänglich nicht. Als er entstand gab es den Jaguar E-Type nur als reinen Zweisitzer, wahlweise mit Coupédach oder als Roadster. Allerdings erschien 1966 der E-Type 2+2 mit verlängertem Radstand und zwei Notsitzen im Fond. Nachdem der Jaguar Pirana von Bertone auch auf der New York Auto Show und auf der British Motor Show in Montreal präsentiert worden war, wurde das Einzelstück für rund 17.000 US-Dollar an einen Sportwagenfan verkauft. Es folgten diverse weitere Besitzer und ein Umbau auf ein 2+2-Sitzer-Layout, für das eigens die Komponenten der Klimaanlage in den Kofferraum umziehen mussten. Zudem ließ ein Vorbesitzer den Wagen von manueller Schaltung auf Automatik umbauen. Zeitweise trug der Pirana außerdem eine Lackierung in klassischem Dunkelgrün metallic. Im Zuge einer umfangreichen Restaurierung wurden alle Umbauten rückgängig gemacht und die originale Farbgebung von Silber metallic über beigefarbenem Leder wiederhergestellt.

Heute steht das Auto auf Dunlop-Felgen und -Reifen wie einst 1967 auf der Motor Show in London. Bei RM Sotheby’s soll während der Monterey Car Week im August ein neuer Besitzer für das Unikat gefunden werden. Zum Fahrzeug erhält dieser dann auch eine umfangreiche Dokumentation inklusive originaler Ausgaben des Daily Telegraph und der damals für die Premiere gedruckten Prospekte für eine angedachte Kleinserienfertigung. Der Pirana, dessen originale Logos an den hinteren Kotflügeln interessanterweise von Anfang an mit ‚h‘ geschrieben wurden, kommt ohne Mindestpreis unter den Hammer. Wie hoch das erwartete Ergebnis liegen könnte, gab RM Sotheby’s allerdings noch nicht bekannt.

Bilder: RM Sotheby’s, Karissa Hosek