Ghia L6.4 Coupé

Von 1916 bis 1970 existierte in Turin der Karosseriebauer und Designer Ghia. Benannt nach dem Gründer Giacinto Ghia, der die Firma bis zu seinem Tod 1944 leitete, entstanden diverse extravagante Sonderaufbauten, hauptsächlich auf Basis von Fahrgestellen der italienischen Marken Alfa Romeo, Lancia und Fiat. Schnell machte man sich dabei auch einen Namen für die Verarbeitung von Leichtmetallen für sportliche Fahrzeuge, die unter anderem bei der Mille Miglia teilnahmen. Nach 1944 übernahmen Mario Boano und Giorgio Alberti das Unternehmen. Sie stellten Luigi Segre als Chefdesigner ein, der unter anderem für den Volkswagen Karmann Ghia bekannt geworden ist. Zwischen Alberti und Segre, die Ghia gern im großen Stil nach vorn bringen wollten und Boano, der die Firma hauptsächlich als zuliefernden Design-Dienstleister sah, entwickelten sich Unstimmigkeiten, die 1953 zum Ausstieg von Boano führten. Segre stieg zum Eigentümer auf und behielt diesen Posten bis zu seinem Tod 1963. In der Folgezeit ging es für Ghia auf und ab. 1966 kaufte der ehemalige General Ramfis Trujillo, adoptierter Sohn von Diktator Rafael Trujillo aus der Dominikanischen Republik, den angeschlagenen Karosseriebauer und verkaufte ihn ein Jahr später an den argentinisch-stämmigen Autohersteller Alejandro De Tomaso. Auch ihm gelang es nicht, die Firma zu sanieren und so verkaufte er sie 1970 an den Ford Konzern, der die Markenrechte behielt und die operativen Geschäfte in Turin einstellte.

Soviel zum Kurzüberblick über die Geschichte von Ghia. Diverse interessante Fahrzeuge erhielten ihr Styling dort. Neben dem weiter oben genannten Volkswagen Karmann Ghia unter anderem auch der Maserati Ghibli oder das Fiat 2300 Coupé. In den 1950ern orientierte man sich durch Kontakte zum Designer Virgil Exner in Richtung Amerika und bot den dortigen Herstellern Designdienstleistungen an. Chrysler griff begeistert zu und ließ diverse ‚Dream Cars‘ in Turin fertigen. Zudem entstanden Geschäftsbeziehungen zum LKW-Hersteller Dual Motors, der 1954 die Fertigungsrechte am bei Ghia gebauten, aber von Virgil Exner gezeichneten Konzeptfahrzeug Dodge Firearrow IV erwarb. Gemeinsam mit Ghia entstanden 104 Exemplare als Dual-Ghia (102 Cabriolets und 2 Coupés). Ab 1961 fertigte man eine weiterentwickelte Variante als Ghia L6.4 Coupé, von der allerdings bis 1963 lediglich 26 Exemplare entstanden sind. Beide Modellreihen fanden speziell in den USA großes Gefallen bei den Filmstars und Musikern der Zeit wie Frank Sinatra oder Dean Martin.

Ausgelegt war der Ghia L6.4 als luxuriöses Reisecoupé mit einer Länge von 5,33 Metern. Durch die immer noch engen Beziehungen zu Chrysler erhielt Ghia einen standesgemäßen V8-Motor mit 6,3 Litern Hubraum als Antrieb, der laut Datenblatt 340 SAE-PS über ein Dreigang-Torque-Flite-Automatikgetriebe auf die Hinterräder übertrug. Man versprach eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 225 km/h. Im Gegensatz zum Dual-Ghia konnte man für das neue Modell kein bestehendes Fahrgestell aus dem Chrysler-Konzern mehr nutzen. Also entstand eine eigenständige Plattform mit Fahrwerksteilen von Chrysler. Vorn sitzen doppelte Dreiecksquerlenker an Torsionsfedern, hinten stützt sich die Antriebsachse an halbelliptischen Blattfedern ab. Sowohl Lenkung als auch Bremsen erhielten Servounterstützung. Zur weiteren Serienausstattung zählten ein Autoradio, getönte Scheiben, ein Drehzahlmesser, Heizung auch für den Fondbereich und eine auf die gewählte Karosseriefarbe abgestimmte Lederpolsterung. Optional gab es zudem ein maßgeschneidertes, fünfteiliges Gepäckset und eine Klimaanlage.

Ursprünglich zeigten die Ghia L6.4 runde Scheinwerfer. Einige Exemplare erhielten jedoch auf Wunsch der jeweiligen Besitzer Individualisierungen durch George Barris, der einen bekannten Customizing-Betrieb in Kalifornien führte. Auch das von uns gezeigte Fahrzeug mit Chassisnummer 0325 zeigt derartige Veränderungen, wenn auch nicht mehr alle. Barris verbaute ovale Scheinwerfer, ein Holzarmaturenbrett, ein Gepäckfach zwischen den Sitzen und eine Pistolenhalterung unter dem Fahrersitz. Zudem wurde der Ghia im Auftrag seines Erstbesitzers Dean Martin, einem Mitglied des berühmten Rat Packs, vom originalen Dunkelgrün metallic auf Bronze metallic umlackiert. Martin hatte den Wagen 1967 als eines der letzten verfügbaren Neufahrzeuge vom Ghia-Händler in Beverly Hills gekauft und verkaufte den L6.4 1972 an den Stand-Up-Comedian Gary Morton weiter. Es folgten vier weitere Besitzer, darunter die Blackhawk Collection, bevor der Ghia ab 2009 in einer europäischen Autosammlung landete. Nun bietet das Auktionshaus Gooding & Company das inzwischen schwarze Luxuscoupé im Rahmen der Monterey Car Week an und erwartet dabei zwischen US$ 375.000 und US$ 450.000 (rund 336.000 bis 405.000 €).

Bilder: Gooding & Company, Getty Images