Fiat 125S Vignale Samantha

Wenn heutzutage ein Fiat 125 auf den Parkplatz eines Oldtimertreffens rollt, ist wohl kaum mit Begeisterungsstürmen zu rechnen. Mit dieser biederen, kantigen Limousine beerbte der italienische Autokonzern 1967 den Fiat 1300, 1500 und 1800 in der Mittelklasse. Neben der viertürigen Limousine gab es eine Reihe weiterer Aufbauten ab Werk oder von externen Karosseriebauern. Hinzu kamen Lizenzbauten wie der Lada 2107, den Zastava 125 PZ oder den FSO Polski-Fiat 125p. Während die Grundform als typisch für die ausklingenden 60er Jahre hingenommen wurde, konnte in Westeuropa zumindest die umfangreiche Serienausstattung in Verbindung mit dem relativ geringen Grundpreis viele Kunden überzeugen. Wer hingegen schöne Formen haben wollte, musste sich an Vignale aus Turin wenden. Als Fiat ein Jahr nach der Weltpremiere des 125 mit seinem 1,6 Liter großen und 90 PS starken Vierzylindermotor eine kräftigere Variante mit schärferen Nockenwellen, neuem Krümmer, modifiziertem Zylinderkopf und anderen Vergasern nachschob, witterte der Karosseriebauer seine Chance. Der 100 PS starke 125S (Spezial) diente fortan als Basis für ein wunderschönes, viersitziges Coupé, das Vignale in einigen Ländern über größere Fiat-Händler direkt anbieten durfte, während beispielsweise in Italien eigenständige Vignale-Stützpunkte existierten.

Samantha, so hieß das schöne Fahrzeug, kostete 1969 immerhin 15.000 DM, rund doppelt soviel wie ein normaler 125S, und erhielt seine atemberaubenden Formen durch den jungen Designer Virginio Vairo. Einige andere Entwürfe von ihm sind heute bekannter, Maserati Mexico und Maserati Indy zum Beispiel. Bei Samantha integrierte er runde Klappscheinwerfer in eine keilförmige Frontpartie mit langer Motorhaube. Diese ist von einer Vertiefung durchzogen, die am Logo vorn beginnt und bis zur Windschutzscheibe reicht. Oberhalb der Gürtellinie verläuft aufbauend von der Oberkante der Haube eine weitere Sicke, die als Unterkante der Seitenscheiben dient und erst am Heckabschluss oberhalb der Rückleuchten der 125-Limousine mündet. Die C-Säulen tragen drei runde Fake-Öffnungen. Interessanterweise sind die Türen identisch zum Jensen Interceptor. Dieser britische Sportwagen erhielt sein Design zwar bei Touring, wurde aber anfänglich bei Vignale gefertigt. Vermutlich standen anschließend noch ein paar Ersatzteile herum und konnten für andere Projekte aufgebraucht werden.

Wunsch von Firmengründer Alfredo Vignale war es, aus dem Fiat 125S ein wunderschönes Reisecoupé mit Platz für vier Erwachsene und ihr Gepäck zu machen. Hierfür modifizierten die Vignale-Mitarbeiter nur wenig am Interieur der Limousine. Durch den Wegfall der hinteren Türen wurden neue Seitenverkleidungen nötig. Feines Leder auf den Sitzen und ein dreispeichiges Sportlenkrad mit Holzkranz sorgte für ein sportive und luxuriöse Akzente. Die elektrischen Fensterheber und das Soundsystem übernahm Vignale von der Fiat-Basis. An der technischen Basis mit 100-PS-Triebwerk und Fünfgang-Getriebe veränderte man beim Umbau nichts. Für den Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 vergingen rund 13 Sekunden.

Insgesamt entstanden vermutlich lediglich rund 100 Exemplare der Samantha bei Carrozzeria Vignale. Gut erhaltene Fahrzeuge kosten inzwischen etwa 40.000 €. Parallel zum Samantha bot Vignale Ende der 1960er Jahre übrigens auch die Eveline in ähnlicher Form auf Basis des Fiat 124 an. Es waren finale Projekte der Firma, deren Firmengründer 1969 auf dem Heimweg von einer Firmenfeier bei einem Autounfall ums Leben kam – drei Tage nachdem er die Carrozzeria Vignale an Alejandro de Tomaso verkauft hatte. Heute gehören die Namensrechte zum Ford-Konzern und dienen als Bezeichnung besonders luxuriös ausgestatteter Modellableger.

Bilder: Matthias Kierse