Citroën Typ H
Durch das 100-jährige Markenjubiläum von Citroën kommen Autofans aktuell jeden Monat in den Genuss eines besonders beleuchteten Klassikers aus der umfangreichen Geschichte der Franzosen. Normalerweise ging man dabei bisher chronologisch vor. Für den August blättert man allerdings noch einmal zurück, um ein besonderes Fahrzeug nicht zu vergessen. Zwar kennen die meisten Autofans Citroën vor allem für Modelle wie 2CV, Traction Avant oder SM, doch auch der Typ H mit seiner außergewöhnlichen Wellblechoptik ist zumindest europaweit im kollektiven Gedächtnis eingebrannt. Kein Wunder, immerhin begann die Produktion bereits ein Jahr vor der legendären ‚Ente‘ und lief ohne Unterbrechungen und tiefgreifende Veränderungen bis 1981. Bis dahin waren mehr als 489.000 Exemplare vom Band gelaufen. Mit dem Typ H beerbte Citroën den TUB, von dem zwischen 1939 und 1941 kriegsbedingt nur 1.748 Fahrzeuge entstanden waren. Hier hatte man das Frontantriebskonzept, das später auch den Typ H erfolgreich machte, bereits ausprobiert, indem man den Motor und das Getriebe des Traction Avant um 180° gedreht (Motor vor der Vorderachse, Getriebe dahinter) verbaute. Natürlich musste dafür auch die Drehrichtung des Triebwerks umgekehrt werden. Ebenso trug dieser Transporter bereits eine selbsttragende Karosserie aus gewelltem Blech, wobei die Wellenform nicht einfach nur ein optisches Gimmick ist, sondern dem Fahrzeug mehr Steifigkeit verleiht.
Dieses Prinzip wurde in deutlich erweitertem Maßstab auf den Typ H übertragen. Diesen bot Citroën ab Werk eigentlich nur als 4,28 Meter langen Lieferwagen oder als Fahrgestell mit Fahrerkabine an. Allerdings hatte man das Fahrzeug bewusst so konstruiert, dass möglichst viele Variationen möglich wurden, um allen Anforderungen durch Transportunternehmen, Handwerker und andere Kundenkreise gerecht zu werden. Dank des Frontantriebs konnte der Bereich hinter der Passagierkabine individuell bestückt werden, was auch von diversen externen Karosseriebauern genutzt wurde. Diese boten zudem Veränderungen an, die über offizielle Citroën-Händler verkauft, aber nicht im Werk durchgeführt wurden. Dazu zählten zum Beispiel die ‚Modification A‘ (40 Zentimeter hinterer Überhang) bis ‚Modification F‘ (Radstand um 1,2 Meter verlängert und 60 Zentimeter hinterer Überhang) oder Dacherhöhungen um 10, 20 oder 40 Zentimeter, wahlweise inklusive dem Dach der Fahrerkabine oder ohne.
So entstanden neben den verblechten Lieferwagen auch Kleinbusse, Leichenwagen, Krankenwagen, Pritschenwagen mit und ohne Planenaufbau, Laborwagen, Autotransporter, Verkaufswagen für den Wochenmarkt, Tiertransporter, Kühlfahrzeuge, Wohnmobile und weitere Varianten. Speziell in Frankreich, aber auch in anderen europäischen Ländern gehörte der Typ H lange zum Straßenbild. Je nach Nutzlast erhielt er die Bezeichnungen HW, HX, HY oder HZ. Mittels einer Drehstabfederung sorgte man für ein gutes Fahrverhalten im leeren und beladenen Zustand. Einige Exemplare, speziell Krankenwagen, erhielten an der Hinterachse die hydropneumatische Federung aus dem Citroën DS. Unter der Motorhaube kam erst das Triebwerk des Traction Avant und später das des ID19 zum Einsatz, jeweils mit geänderter Drehrichtung. Zudem gab es Dieselmotoren von Perkins und Indénor mit 30 kW/41 PS bis 42 kW/57 PS. Da diese Triebwerke gut zugänglich vor der Vorderachse untergebracht waren und bei der Entwicklung des Typ H darauf geachtet wurde, dass sie schnell demontiert werden konnten, hielten sich die Wartungskosten in Grenzen.
Neben dem französischen Citroën-Werken in Quai de Javel und Aulnay-Sous-Bois fertigten auch Tochtergesellschaften in Belgien und den Niederlanden den Typ H. Aktuell erlebt der Transporter eine kleine Renaissance durch die in Europa immer beliebter werdenden Food Trucks. Zudem bietet Citroën einen Fiberglas-Umbaukit für den aktuellen Jumper um, der optische Anleihen vom Typ H in die Moderne überträgt. Entwickelt wurden die entsprechenden Karosserieteile von Caselani Automobili aus Italien.
Bilder: Citroën