Citroën Traction Avant

Da Citroën in diesem Jahr 100-jähriges Markenjubiläum feiert, öffnet man in Frankreich die Archive und lässt die Fans an den innovativen Entwicklungen teilhaben, die im Laufe der Jahrzehnte im Zeichen des Doppelwinkels auf die Straßen rollten. Diesmal beleuchtet man gezielt den Traction Avant, was wir an dieser Stelle gern aufgreifen möchten. Sie kennen dieses Modell vermutlich als ‚Gangster-Limousine‘, obwohl bis heute nicht klar nachweisbar ist, dass Ganoven und Bankräuber wirklich lieber zum Traction Avant als zu anderen Autos der Ära gegriffen haben. Zumindest in zeitgenössischen Filmen und Krimi-Serien konnte er häufig auf der Leinwand besichtigt werden. Aber hätten Sie gewusst, wann das erste Exemplar vom Band gelaufen ist? Es war der 18. April 1934, also vor ziemlich exakt 85 Jahren. Erstmals stellte damit ein französischer Autobauer einen Personenwagen mit Frontantrieb in Großserie her. Zudem gab es den Traction Avant auch aus deutscher Produktion. Citroën eröffnete 1927 ein Werk in Köln-Poll, nachdem die Einfuhrzölle auf ausländische Autos auf dem deutschen Markt extrem angehoben worden waren. 1934 startete dort dann auch die Fertigung des Citroën Front, wie der Traction Avant in Deutschland anfänglich hieß. Der Volksmund nannte ihn aufgrund seiner Herkunft auch gern den ‚Poller‘. Nach 1.031 Exemplaren des 7CV und weiteren 800 des 11CV endete die Kölner Fertigung jedoch 1935, nachdem im Vorjahr das Deutsch-Französische Handelsabkommen einseitig von Deutschland aufgekündigt worden war und zudem das französische Werk in wirtschaftlichen Problemen steckte.

Als wäre der Frontantrieb allein nicht schon aufsehenerregend genug gewesen, um die Mitbewerber der Zeit zu überraschen, stattete das Entwicklerteam rund um Ingenieur André Lefèbvre und Designer Flaminio Bertoni den Traction Avant zudem mit einer aerodynamisch gestalteten, selbsttragenden Ganzstahlkarosserie mit sehr niedrigem Schwerpunkt aus. Die Personenkabine besteht aus nur einem Teil, was dem ganzen Aufbau zusätzliche Steifigkeit verleiht. Der Modellname Traction Avant bedeutet übersetzt schlicht und ergreifend ‚Vorderradantrieb‘. Dabei verbaute Citroën das Getriebe vor dem schwimmend gelagerten Triebwerk und hielt somit störende Schwingungen gezielt aus dem Cockpit fern. In den Verkaufsprospekten fanden sich hingegen anfänglich die Bezeichnungen 7A (nur in den ersten Monaten), 7B, 7C und 7S (für Sport). Letzterer wurde zum 11A und 11B weiterentwickelt, woraus schließlich die umgangssprachlichen Bezeichnungen 7CV und 11CV, passend zu den französischen Steuerklassen, wurden. Alle 7er Typen hatten einen 1,3 Liter großen Vierzylindermotor mit 34 kW/46 PS, während die 11er einen auf 1,9 Liter vergrößerten Motor mit 41 kW/56 PS erhielten. Ab 1938 gab es parallel zu den genannten Vierzylinder-Typen den 15-Six (15CV) mit einem 2,8 Liter großen Reihensechszylindermotor mit 57 kW/78 PS und einem um elf Zentimeter verlängerten Vorbau vor der Windschutzscheibe.

Um im Winter den Motor schneller auf Betriebstemperatur bringen zu können, lagen den Autos Jalousien bei, die vor den Kühlergrill gehängt werden konnten. Im Sommer konnte der Fahrer hingegen die beiden Teile der Windschutzscheibe unten ein Stück weit aufklappen und damit ein wenig Fahrtwind ins Auto leiten. Im Laufe der Jahre erhielt der Traction Avant stetig technische Verbesserungen. Direkt ab Produktionsstart standen bereits hydraulisch betätigte Bremsen und eine Einzelradaufhängung vorn bereit. 1936 folgte eine Zahnstangenlenkung. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ man den Motor ab 1947 rechtsrum drehen und tauschte daher das Getriebe aus. Zudem baute Citroën den Traction Avant noch bis 1957 weiter und entwickelte den 15-Six H mit hydropneumatisch gefederter Hinterachse, der 1954 das Programm ebenso ergänzte wie eine Sechsfenster-Karosserie. Damit gab es neben der kurzen Limousine ‚Légère‘, der ‚Normale‘-Limousine, dem großen Familiale, dem Commerciale mit großer Heckklappe und Ladefläche anstelle der Rückbank sowie dem zweisitzigen Cabriolet und dem darauf basierenden Faux Cabriolet (Coupé) noch eine siebte Variante ab Werk. Einige wenige Exemplare erhielten zudem Sonderkarosserien bei unabhängigen Karosseriebauern. So fertigte Chapron im Auftrag der französischen Regierung ein komplett neu gestaltetes, viersitziges Cabriolet für den Präsidenten General de Gaulle auf Basis eines 15-Six H. Ein weiteres Fahrzeug diesen Typs erhielt zudem, ebenfalls im Auftrag des französischen Staates, bei Franay eine Limousinen-Karosserie. Dies war die letzte Kreation von Franay, schmückte dessen Messestand auf dem 1955er Autosalon in Paris, verhinderte aber nicht mehr die Schließung dieses Traditionsunternehmens.

1934 debütierten auf dem Pariser Auto Salon einige Exemplare des 22CV mit einem rund 100 PS starken, neu entwickelten Achtzylindermotor. Die Fahrzeuge standen Anfang 1935 zudem auf dem Autosalon in Brüssel, gingen jedoch nie in Serie. Neben einer Limousine gab es auf jeden Fall auch ein Faux Cabriolet und eine Sechsfenster-Limousine. Unterschiedlichen Quellen zufolge sollen zwischen neun und bis zu 20 Prototypen existiert haben. Im Gegensatz zu den bekannten Modellen des Traction Avant zeigten diese Wagen in die Kotflügel eingelassene Scheinwerfer. Bis heute ist nichts über den Verbleib dieser Fahrzeuge bekannt, die offenbar zumindest bei ihrer Premiere in Paris noch einen Ford-Motor unter der Haube hatten, da das Citroën-Triebwerk noch nicht fertiggestellt war. Gerüchten zufolge sorgte die sehr angespannte finanzielle Lage des Unternehmens, die schließlich im Verkauf an den Reifenhersteller Michelin gipfelte, dafür, dass alle Prototypen in normale 11CV umgebaut und die neu gestalteten Teile der Frontpartie und Motorhaube komplett verschrottet wurden. Einzig das luxuriöse Interieur verblieb in den Autos, die dann an Firmenangehörige und Freunde des Hauses verkauft wurden. Im Laufe der Bombardierungen des Citroën-Werkes gingen dann im Krieg auch die Zeichnungen und sonstige Dokumente zu diesem einzigartigen Projekt verloren. Heute existiert ein sehr gut gemachter Nachbau in den Niederlanden, der in den 1980er Jahren vom Zahnarzt Bouwe de Boer unter Verwendung eines Ford-V8 und eines Renault-16-Getriebes angefertigt wurde. Vom normalen Traction Avant liefen derweil insgesamt 759.123 Exemplare vom Band, ehe ab 1957 die Fertigung endgültig auf den Nachfolger, die legendäre ‚Göttin‘ der Typen ID und DS umgestellt wurde.

Bilder: Citroën, Archiv Secret Classics