Bugatti Typ 57 S Grand Routier Dulcie

Auf Basis des Typ-57-Fahrgestells entstanden verschiedene interessante Aufbauten. Neben Bugatti selbst versuchten sich namhafte Karosseriebauer wie Gangloff oder Vanvooren an eigenständigen Designs. Auch Corsica aus Cricklewood war dabei, wie wir kürzlich bereits berichteten. Auch der in diesem Artikel gezeigte viersitzige Grand Routier mit dem Spitznamen ‚Dulcie‘ entstand bei Corsica. Am 19. Februar kommt er bei Bonhams in London unter den Auktionshammer. Hinter diesem speziellen Fahrzeug verbirgt sich wieder einmal eine lesenswerte Geschichte, die wir gern erzählen möchten. Obwohl dieser Typ 57 mit Baujahr 1937 im Auktionskatalog von Bonhams auftaucht, ist dies nur die halbe Wahrheit. Unter der Grand Routier Karosserie steckt ein Rahmen, der zum Teil bereits in einem Typ 57G Tank Rennfahrzeug des Werksteams seinen Dienst verrichtete.

Fahrzeuggeschichte beginnt 1936

Vermutlich war es der Wagen, der mit Startnummer 82 beim Frankreich Grand Prix in Montlhéry und mit der Nummer 14 beim Grand Prix de la Marne in Reims-Gueux antrat. Anschließend stand dieses aerodynamische Rennauto auf dem Pariser Autosalon – und tauchte danach nie wieder auf. Diese Erkenntnis existiert jedoch erst seit 2006. Vorher galt der Wagen als ganz normaler Typ 57 S, wobei das S für ’surbaisse‘, also ’niedriger‘ stand. Damit bezog sich Bugatti auf den im Vergleich zum normalen Typ 57 abgesenkten Rahmen, wodurch der Schwerpunkt nach unter verlagert werden konnte. Nur 42 S wurden je produziert. Um es vorwegzunehmen: Die Wiederverwendung von zuvor für Rennwagen genutzten Teilen hatte bei Bugatti durchaus Tradition. Vom Typ 57G Tank existiert unter anderem aus diesem Grund heute nur noch ein originales Exemplar. Ein Rückbau dieses Fahrzeugs kommt aufgrund seiner eigenen Geschichte jedoch nicht in Frage.

Aus dem Typ 57G Tank wurde ein Typ 57 S

Die Längs- und Querträger des Typ 57G Tank erhielten zur Gewichtserleichterung unterschiedlich große Löcher. Anfang 1937 fügte man sie mit Teilen eines neuen Rahmens für einen Typ 57 S zusammen und vergab die Fahrgestellnummer 57503. Im Anschluss lieferte man das Rolling Chassis am 29. Januar 1937 an den Londoner Bugatti-Händler Colonel Sorel für dessen Partnerbetrieb Jack Barclay Ltd., die ihrerseits den Weitertransport zu Corsica Coachworks organisierten. Die Bestellung für 57503 datiert vom 7. November 1936. Am gleichen Tag hatte der 28-jährige Sohn eines Reederei-Magnaten, Robert Ropner, bei Jack Barclay den Kaufvertrag für einen Typ 57 S mit Grand Routier Aufbau von Corsica Coachworks unterschrieben. Hierfür gab er seinen Mercedes-Benz 540 K in Zahlung.

Original auf Kennzeichen DUL351 zugelassen

Die Karosseriebaufirma im Londoner Stadtteil Cricklewood machte sich umgehend ans Werk. Innerhalb von wenigen Wochen entstand der gewünschte Aufbau. Es darf angenommen werden, dass bereits nach Bestelleingang anhand der bekannten Grundmaße begonnen wurde. Anders ist nicht zu erklären, dass der Typ 57 S bereits am 3. März 1937 fertig auf seinen Rädern stand. Zwei Tage später erhielt der Wagen die Zulassung DUL351 und konnte an Robert Ropner übergeben werden. Aufgrund des Kennzeichens entstand der Spitzname ‚Dulcie‘. Sein Sohn Bruce Ropner, Bob-Meister und Hobbyrennfahrer, erinnert sich bis heute an eine nächtliche Ausfahrt mit seinem Vater im Bugatti auf der Great North Road. Er war damals erst sieben Jahre alt, die GNR wurde später zum Motorway A1 und sie erreichten Geschwindigkeiten im Bereich von 155 km/h.

Robert Ropner in Montlhéry

Der Erstbesitzer dieses Bugatti Typ 57 S liebte das schnelle Autofahren. Kurz nachdem er das Auto übernommen hatte reiste er mit einem guten Freund nach Montlhéry in Frankreich, um auf der Rennstrecke einige Runden zu drehen. Dabei nahm er an keinem Rennen teil, sondern nutzte das, was heute auf Strecken wie der Nürburgring Nordschleife als ‚Touristenfahrten‘ bekannt ist. Nach zwei Umläufen mit rund 100 mph (rund 161 km/h) Höchstgeschwindigkeit kam er an die Boxen. Dort legte er die Windschutzscheibe um und zog einen Helm auf, um herauszufinden wie schnell der Typ 57 S wirklich ist. Nach nur einer Runde mit einer erreichten Höchstgeschwindigkeit von 112 mph (rund 180 km/h) gab es einen lauten Knall. Der 3,3 Liter große Reihenachtzylinder hatte die Belastung nicht ausgehalten. Mindestens ein Kolben durchbrach den Block.

Kostenfreier Austauschmotor von Bugatti

Da der Wagen nicht einmal einen Monat alt war, ließ Ropner ihn zu Bugatti ins Werk nach Molsheim abschleppen. Dort erhielt er kostenfrei ein Austauschtriebwerk eingebaut. Im Mai 1937 kehrte er nach Hause zurück und nutzte den Typ 57 S als Alltagswagen und für Urlaubsfahrten. Eine solche führte ihn im Sommer 1938 erneut in den Süden Frankreichs. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 stellte er das Fahrzeug schließlich sicher unter. Robert wurde am 2. Juli 1908 als fünftes Kind in die Familie Ropner hineingeboren. Nach seiner Schulzeit und einem BA-Abschluss am Clare College in Cambridge diente er als Captain der Royal Artillery im Zweiten Weltkrieg. Danach übernahm er mehrere Direktorenposten in der Ropner Reederei und angegliederten Firmen. 1958 war er Chairman of the General Council of British Shipping und ein Jahr später adelte Queen Elizabeth II ihn zum Sir. Auf den Bugatti folgten einige Jaguar-Sportwagen.

Unfall mit einem Lastwagen

1945 verkaufte Robert Ropner seinen Bugatti an Rodney Clarke, der etwas später die Rennwagenmarke Connaught mitbegründete. Den Typ 57 S musste er allerdings nach den sechs Jahren Einlagerung erst einmal reaktivieren. Kurz darauf zog ein Lastwagen knapp vor ihm in eine Spur und sorgte für einige Schäden an der Front des Sportwagens. Rodney selbst trug kleinere Schnittwunden im Gesicht davon. Er demontierte das Auto bis zur letzten Schraube und begann mit dem Richten des verbogenen Rahmens. Noch während die Reparaturarbeiten liefen, fand er in H.H. Coghlan einen neuen Besitzer für das Auto. Dieser führte die Arbeiten zu Ende und ließ 57503 im Mai 1948 wieder zum Verkehr zu. Allerdings schlug er hierfür die eigene Fahrgestellnummer 16S ein, vermutlich um Steuern zu sparen. So erhielt er das Kennzeichen EMO207.

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Weitere Informationen

51 Jahre im gleichen Besitz

Nach rund 20.000 zurückgelegten Meilen und fünf Jahren verkaufte er den Typ 57 S an einen Dr. K.C.A. Cock. 1968 erhielt dieser erstmalig ein Kaufangebot von Bill Turnbull. Es dauerte jedoch bis Mai 1969, ehe man sich handelseinig wurde. Dafür blieb der Wagen für die folgenden 51 Jahre in seinem Besitz. In dieser Zeit erhielten alle technischen Bauteile bestmöglichen Service, während Karosserie und Interieur in Würde altern durften. 2001 stellte Bill einen Antrag beim britischen Zulassungsamt DVLA, um klarzustellen, dass DUL351 und EMO207 ein und das Selbe Auto sind. Diesem wurde stattgegeben und er erhielt neue Zulassungspapiere, die jedoch eine Erstzulassung am 5. September 2001 bescheinigen. Anfragen einer Änderung auf das Jahr 1937 führten nur zu einem entsprechenden Zusatzeintrag, während das Zulassungsdatum bei der falschen Jahreszahl blieb. 2019 verstarb Bill Turnbull. Sein Bugatti dürfte nun einen Zuschlagspreis zwischen £ 5.000.000 und £ 7.000.000 erreichen.

Bilder: Bonhams