Austin-Healey 100 S

Europäische Sportwagen erfreuten sich ab Ende der 1940er Jahre hoher Beliebtheit in den USA. Immer mehr Hersteller reagierten auf diesen Bedarf mit neuen Modellen. Darunter befand sich auch die kleine Firma von Donald Healey. Für die London Motor Show 1952 entstand der Healey 100 als zweisitziger Roadster-Prototyp. Obwohl der Wagen sogar vor der Messe bereits von einigen Journalisten getestet werden durfte, war der Firmenchef mit der Frontgestaltung, speziell der des Kühlergrills, nicht einverstanden. Auf der Motor Show platzierte er den Prototyp daher anfänglich so hinter einem Pfeiler, dass diese Partie nicht ersichtlich war. Sein Team veränderte diese Position am Folgetag. Der Roadster avancierte zum Star der Ausstellung und Healey erhielt viele Vorbestellungen. Unter der Haube steckte das Vierzylindertriebwerk des Austin A90 Atlantic.

Kooperation zwischen Healey und Austin

Bei einem Messerundgang entdeckte auch Leonard Lord, der damalige Chairman von British Motor Corporation (BMC), der Mutterfirma von Austin, diesen Prototyp. Noch auf der Messe schloss er mit Donald Healey einen Kooperationsvertrag über den Bau dieses Autos ab. Über Nacht verbaute man neue ‚Austin-Healey‘-Logos am Ausstellungsfahrzeug. Als Austin-Healey 100 sollte der Sportwagen bei Austin gefertigt werden, während Healey sich gezielt um die Weiterentwicklung und Motorsportaktivitäten kümmern sollte. Bis zum Anlauf der Serienproduktion wenig später erfolgten nur noch minimale Veränderungen. Der von Donald Healey ungeliebte Kühlergrill und die Position der Scheinwerfer gehörten dazu – letztere um den Zulassungsvorschriften zu entsprechen. Da bei Austin erst noch die Vorbereitungen für die Massenproduktion abgeschlossen werden mussten, entstanden die ersten Händler-Vorführwagen sowie ein paar frühe Rennsportvarianten noch bei Healey. Anfang 1953 startete die Fertigung bei Austin. Dabei entstanden die lackierten Rohkarosserien im Lohnauftrag bei Jensen.

Höchstgeschwindigkeit führte zum Modellnamen

Anfänglich hieß der Austin-Healey 100 intern BN1 und hatte einen 2,7 Liter großen Vierzylindermotor mit 67 kW/91 PS. Da das ebenfalls von Austin stammende Viergang-Getriebe im ersten Gang extrem kurz übersetzt war, blockierte man diesen beim Sportwagen und lieferte das Fahrzeug stattdessen mit drei Vorwärtsgängen aus. Ein Overdrive für die beiden höchsten Gänge senkte die Drehzahl ab und schonte den Motor. Beim Fahrwerk nutzte Healey vorn Einzelradaufhängungen an Dreiecksquerlenkern und hinten eine Starrachse an Blattfedern und einem Panhard-Stab. Hinter den serienmäßigen Speichenfelgen mit Zentralverschlüssen saßen Trommelbremsen von Girling. Für die Benennung ‚100‘ sorgte die bereits im Projektstadium angestrebte Höchstgeschwindigkeit von 100 mph. Diesen Wert übertrafen die Serienmodelle sogar leicht. So erreichte ein Testfahrzeug bei ‚The Motor‘ 1953 eine gemessene Höchstgeschwindigkeit von 106 mph (171 km/h) und spurtete in 11,2 Sekunden aus dem Stand auf 60 mph (96 km/h).

100 S als seltenes Sondermodell

Zweieinhalb Jahre nach Produktionsbeginn erfolgten zahlreiche Modifikationen und die interne Umbenennung in BN2. Es gab nun ein Viergang-Getriebe mit Overdrive und die Version 100 M mit einem 82 kW/111 PS starken Motor. Dieses Triebwerk gab es auch als Nachrüstbauteil. Hinzu kam der 100 S. Dieses Sondermodell zelebrierte den überraschenden dritten Gesamtrang bei den 12 Stunden von Sebring 1954 (daher das ‚S‘) und war auf 55 Exemplare limitiert – eine Rarität unter insgesamt 14.662 Austin-Healey 100 (BN1 und BN2). Fünf davon blieben im Werksrennteam, 50 gingen an Privatkunden. Dabei machte Austin-Healey keinen Hehl daraus, dass der 100 S für den Motorsport gedacht war. Erstmalig bei einem Serienauto kamen rundum Scheibenbremsen zum Einsatz. Um 91 Kilogramm Gewicht einzusparen bestand die Karosserie inklusive Türen und Hauben aus Aluminium. Auf Stoßstangen wurde ebenso verzichtet wie auf ein Stoffverdeck. Hinzu kamen neue SU-Vergaser und ein Aluminium-Zylinderkopf für eine Leistungssteigerung auf 98 kW/133 PS.

AH3603 steht bei DK Engineering zum Verkauf

Beim Oldtimerhändler DK Engineering in Großbritannien steht aktuell der Austin-Healey 100 S mit Fahrgestellnummer AH3603 zum Verkauf. Obwohl es dieses Sondermodell nur rechtsgelenkt gab, ging dieses Exemplar als Neuwagen in die USA. Dort kaufte Karl Kopplin aus St. Louis den Sportwagen und nutzte ihn in verschiedenen Rennen der SCCA bis ins Jahr 1958. Anschließend verkaufte er den Austin-Healey an Munro Roberts, der ihn weiterhin in Rennen einsetzte, bis der Zylinderkopf kaputtging. So beschädigt ging das Auto an die Nelson Brothers, die vorsichtig einen Corvette-V8-Motor ans originale Viergang-Getriebe implantierten. Bis 1963 konnte der umgebaute Wagen weiterhin bei Rennen gesichtet werden. Ein weiteres Jahrzehnt später verkaufte Harry Nelson ihn an Alan Jones in Australien, der ihn bis zu seinem Tod 1999 häufig bei Klassikerrennen einsetzte. Anschließend erfolgte eine Restauration durch den Markenexperten Steve Pike inklusive Rückrüstung auf ein korrektes 100-S-Triebwerk.

Zugelassen für zahlreiche Oldtimer-Rennveranstaltungen

AH3603 kehrte danach in die USA zurück, nahm an zwei Oldtimerrennen teil und stand anschließend in einem Museum. Erst 2007 konnte ein Sammler aus Großbritannien den 100 S kaufen und zurück in die Heimat holen. Dort erfolgte eine zweite, kleinere Restaurierung durch Denis Welch Motorsport. Im Zuge dieser Arbeiten erwiesen sich alle versteckt eingeschlagenen Nummern an der Karosserie als korrekt. Ebenso werkelte unter der Haube ein seltener S-Motor, der jedoch genau aus diesem Grund ausgebaut und gegen einen eigens neu aufgebauten Rennmotor getauscht wurde. Das ausgebaute Triebwerk verblieb jedoch beim Auto und wird auch jetzt vom aktuellen Besitzer mit angeboten, der den Austin-Healey 2014 übernahm. Als Käufer kann man sich über einen Sportwagen freuen, der sowohl auf der Straße als auch bei Rennveranstaltungen wie dem Goodwood Revival, der Mille Miglia oder dem Oldtimer Grand Prix Freude bereitet.

Bilder: DK Engineering